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Letzte Aktualisierung: 26.04.2024

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Wie ein Unternehmen ums Überleben kämpfte

Gastbeitrag von Dr. Karl-Gerhard Seifert

von Norbert Dörholt

(27.01.2023) Der Wahlkampf um die Frankfurter Oberbürgermeisterwahl ist in vollem Gange. Auch Frankfurt-Live bleibt davon nicht unberührt, wie zahlreiche Meinungsäußerungen, Stellungnahmen und Leserbriefe zeigen, die dieser Tage unsere Redaktion erreichen. Einer stammt aus der Feder von Dr. Karl-Gerhard Seifert aus Bad Soden, der sich näher mit der Kandidatin der Grünen, der Bundestagsbgeordneten Dr. Manuela Rottmann, beschäftigt.

Dr. Seifert ist Chemiker und gehörte neun Jahre lang, bis 1997, dem Vorstand der Hoechst AG an. Er war CEO der Clariant, erwarb 2001 die Cassella AG mit 1.500 Mitarbeitern in Frankfurt-Fechenheim und gründete die Tougas Oilfield Solutions GmbH (Entwicklung von speziellen Produkten für die Öl- und Gasindustrie, insbesondere für umweltfreundliches Fracking). Außerdem schrieb er den im Frankfurter Societäts Verlag erschienenen Bestseller „Goodbye Hoechst – von Könnern, Spielern und Scharlatanen“, in dem er detailliert den Niedergang des ehemals größten Pharmaunternehmens der Welt schildert (25 Euro, ISBN 978 3 95542 321 6). Nachstehend sein Gastbeitrag für Frankfurt-Live, den er mit der Überschrift „Volksverhetzung à la Dr. Manuela Rottmann“ versah:

„Auf dem Neujahrsempfang am 12. Januar 2023 der Grünen verspricht Frau Dr. Manuela Rottmann, dass es in Frankfurt einen demokratischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Neuanfang geben soll und dass Industrie und Gewerbe in Frankfurt eine Zukunft haben. Hier lohnt sich ein Blick zurück, denn vor zehn Jahren hat Frau Dr. Rottmann als Umweltdezernentin alles versucht, ein Chemiewerk in Frankfurt-Fechenheim wirtschaftlich zu schädigen mit dem Versuch, es stillzulegen.

Als ich 2001 die chemischen Betriebe der ehemaligen Cassella AG unter dem Namen AllessaChemie mit über 1000 Mitarbeitern erwarb um sie vor der Schließung durch den damaligen Eigentümer zu retten, war die erste Priorität, ein tragfähiges Energiekonzept zu erarbeiten, um die Firma wirtschaftlich fortführen zu können. Zum damaligen Zeitpunkt wurde die AllessaChemie mit russischem Gas betrieben. Als erstes nahmen wir Gespräche mit der Mainova AG mit dem Ziel auf, auf dem Werksgelände ein Biomassekraftwerk zu errichten. Die Mainova investierte denn auch 25 Millionen Euro in ein Biomassekraftwerk, in dem heute noch Holzeisenbahnschwellen der Deutschen Bundesbahn entsorgt werden. Den erzeugten Prozessdampf verbraucht die chemische Produktion am Standort, überschüssiger Strom wird an die Stadt Frankfurt geliefert.

Mit den Krisenjahren 2008 bis 2009 setzen wir ein neues Projekt auf, um die Energiekosten noch weiter zu reduzieren und um uns unabhängig vom russischen Erdgas zu machen. Wir errichteten mit einer Partnerfirma in Fechenheim ein Braunkohlestaubkraftwerk mit einer Leistung von weniger als 20 MW. Braunkohlestaub ist ein feinkerniger Brennstoff, der nicht mit der in vielen Kraftwerken eingesetzten Rohbraunkohle zu verwechseln ist. Braunkohlestaub wird aus qualitativ hochwertiger Braunkohle gewonnen, indem die Kohle aufbereitet, getrocknet und gemahlen wird. Es entsteht ein besonders effizienter Brennstoff. Die Kohle-Staubverbrennung ist eine moderne innovative Technologie und die Braunkohle dieser Braunkohlestaubanlage erfüllt deutlich die geforderten Grenzwerte der gesetzlichen Umweltrichtlinie.

Das Braunkohlestaubwerk wurde im Oktober 2011 in Betrieb genommen. Schon während der Bauzeit hatte sich eine Bürgerinitiative formiert, die den Bau des Kraftwerks verhindern wollte. Diese Initiative wurde von Anfang an von der Stadt Frankfurt unter Federführung von Dr. Manuela Rottmann unterstützt. Dr. Rottmann als verantwortliche Dezernentin der Stadt Frankfurt gab Pressemitteilungen heraus, die vor falschen Informationen und Lügen nur so strotzten. Es wurden Werte publiziert, die offensichtlich aus den Braunkohlekraftwerken der DDR stammten. Es sollte der Eindruck erweckt werden, die AllessaChemie wolle in Frankfurt ein Braunkohlewerk a la DDR errichten.

Keine der publizierten Emissionen konnte mit dem Projekt in Verbindung gebracht werden. Es war eine reine Lügengeschichte! Es war eine Schande zuzusehen, wie eine verantwortliche Politikerin der Stadt Frankfurt alles versuchte, um die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens infrage zu stellen. Die Stadt Frankfurt hatte jedoch keine Handhabe, das Projekt zu verhindern, weil das Regierungspräsidium in Darmstadt die zuständige Genehmigungsbehörde und nicht die Stadt Frankfurt war. Aus diesem Grund hat die Stadt Frankfurt unter Federführung von Frau Rottmann die AllessaChemie vor dem Verwaltungsgericht verklagt. Sie hat damit der Stadt Frankfurt wieder einen Schaden zugefügt, denn den Prozess hat die Stadt Frankfurt wie erwartet verloren. Dr. jur. Manuela Rottmann hatte wohl als Jura-Studentin damals im Studium nicht aufgepasst!

Die Geschäftsführung und viele Mitarbeiter der AllessaChemie mussten in diesen Monaten viel Zeit aufbringen, um die Anwohner zu beruhigen, und das Unternehmen musste mehr als 500.000 Euro für Öffentlichkeitsarbeit und Informationsveranstaltungen ausgeben. Mich als Eigentümer der AllessaChemie hat die Verleumdungskampagne der Stadt Frankfurt maßlos verbittert und mich immer mehr zu dem Entschluss getrieben, die Firma aufzugeben, da ich nicht länger bereit war, für die wirtschaftliche Existenz von Mitarbeitern und deren Familien zu kämpfen, wenn die Stadt Frankfurt die Entwicklung des Unternehmens verhindern will.

Als die AllessaChemie am 1. Juli 2011 ihr zehnjähriges Bestehen feierte wurde natürlich auch Frau Dr. Rottmann eingeladen – die nicht erschienen ist. Sie habt sich auch nicht entschuldigen lassen. In den Jahren zuvor waren öfters Vertreter des Magistrats bei dem Unternehmen, um sich gemeinsam mit der Presse feiern zu lassen.

In meiner Jubiläumsrede sagte ich zum Thema Braunkohlenstaubkraftwerk:

Wir haben dieses Energiekonzept in der Krise entwickelt, um hohe Energiekosten in der chemischen Produktion zu senken, und wir wollen vermeiden, von Gaslieferungen aus Russland abhängig zu sein. Die Bevölkerung von Fechenheim und Umgebung wurde demagogisch von Frau Dr. Manuela Rottmann aufgehetzt. Sie hat die rechtsstaatliche Genehmigung der Umweltsituation Hessen mit der teils totalitären Genehmigung und Umweltsituation Chinas verglichen. Ich frage mich, weiß man im Frankfurter Magistrat, was das bedeutet? Dies ist eine Beleidigung unserer rechtsstaatlichen Behörden. (Zitat: Seifert: “Goodbye Hoechst“, 2018)

Der heutige hessische Finanzminister Boddenberg hat aber als Vertreter des Landes Hessen auf dieser Veranstaltung unsere Arbeit gewürdigt.

Frau Dr. Rottmann hat damals die Bevölkerung in Fechenheim angelogen und gegen eine wirtschaftlich sinnvolle Investition aufgehetzt, die nur dazu dienen sollte, den Standort langfristig zu sichern. Ich hatte damals aus diesem Fall den Schluss gezogen, dass ich nicht länger bereit bin, für eine Sache zu kämpfen, die die Stadt Frankfurt nicht will. Als Eigentümer der Allessa war ich damals so sauer, dass ich keine Lust mehr hatte, mich für den Standort Fechenheim zu engagieren, und dachte mir, die Bevölkerung ist selber schuld, wenn sie ihre Arbeitsplätze aufs Spiel setzt – das alles ausgelöst durch Lügen der Umweltdezernentin. Nebenbei: Die AllessaChemie hatte bis dahin ca. 300 Millionen Euro an Steuern für Stadt und Land erwirtschaftet.

Heute sind alle froh, dass der Standort Fechenheim eine sehr gute Energie-Infrastruktur und damit eine Zukunft hat. Clariant will den Standort ja verkaufen und das Interesse scheint groß zu sein.

Rückblickend erfreut es mich also trotz allem, dass wir den Kampf gegen die Stadt Frankfurt und gegen Frau Dr. Rottmann gewonnen haben und dass der Chemiestandort Frankfurt-Fechenheim immer noch mit Biomasse und Braunkohlestaub betrieben werden kann. Das ist der Unterschied zwischen realem, wirtschaftlichen, demokratischem und verantwortlichem Handeln und dummen Parolen, um durch Volksverhetzung Karriere machen zu können.“