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Letzte Aktualisierung: 26.04.2024

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Schauspiel Frankfurt - Saison 2023/24 mit 19 Premieren

Ausschließlich Regisseurinnen prägen die Bühne

von Karl-Heinz Stier

(10.05.2023) „Wohin gehen wir, was ist richtig heute?“ – Hierin liegen die Stärken des Theaters diese Fragen auszuhalten und die Räume zwischen richtig und falsch, Realität und Fantasie spielerisch und lustvoll zu füllen. Von diesen “Zwischenräumen“, die im Theater nur auf oder in der Zeit existieren, geht eine reale Kraft aus.

Das Programm erläuterten (v.r.n.l.): Intendant Anselm Weber, Katrin Spira, Lukas Schmelmer (beide Dramaturgen), Martine Droste (Leitung junges Schauspiel), Katja Herlemann und Alexander Leiffheidt (beide Dramaturgen)
Foto: Karl-Heinz Stier
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„Auch mit dem diesjährigen Erscheinungsbild gleiten wir spielerisch durch verschiedene Räume“, so bezeichnete Intendant Anselm Weber die gegenwärtige Theater-Philosophie seines Hauses.

Das schlägt sich auch im neuen Programm des Schauspiels nieder, das übrigens geprägt ist ausschließlich von weiblichen Regiehandschriften auf der großen Bühne. So vielfältig wie die Handschriften, sind auch die Stoffe des Schauspiels dieses Jahr. Sie beziehen sich auf die „Zwischenräume“ und die viel beschworenen Zeiten des Umbruchs. So sucht das Schauspiel in seinem neuen Spielplan nicht nach der Prognose, sondern nach den Zwischenrufen, danach, welche Zwischenräume sich beispielhaft in Theaterstücken eröffnen und beschreiben lassen.

In Molieres hochaktueller Komödie „der Geizige“ geht es um nichts weniger als um Geiz – in der klassischen christlichen Theologie eines der sieben „Hauptlaster“. Während Moliere eine aberwitzige verwickelte Komödie darüber schreibt, wird Regisseurin Mateja Koleznik menschliche Verfehlung darin finden. (Premiere: 21.September).

Oder der wohl unheimlichste und berühmteste Vampir des Horror-Genres „Dracula“ kommt in einer musikalischen Inszenierung auf die Bühne. Der Mitwisser der zutiefst menschlichen Unfähigkeit, eine friedliche Welt zu gestalten, begegnet einer Figur, welche die Zwischenräume der Zeit zu durchschreiten vermag. Johanna Wehner inszeniert „Dracula“ als musikalische Produktion, mit besonderem Interesse für die Sedimente der Verdrängung der menschlichen Psyche. (Premiere: 27. Oktober 2023)

In „Orlando- eine Biografie“ demontiert Virgina Woolf von der Mann- zur Frauwerdung scheinbar Unverrückbares: Stand, Status, Geschlecht und Macht. Die Regisseurin Jessica Glause geht zusammen mit ihrem Team der Frage nach Identität und Dasein auf den Grund (Premiere: 24. September)

Nach die „Ratten“ von Gerhart Hauptmann widmet sich Regisseurin Felicitas Brucker mit „Don Carlos“ Friedrich Schiller. In ihrer Inszenierung rückt die strukturelle Gewalt innerhalb gesellschaftlicher, politischer und familiärer Konstellationen in den Mittelpunkt. (Premiere: 16.März 24)

Mit einer einzigen Blume und mit Hilfe der Schildkröte Kassiopeia nimmt Momo aufgebaut auf dem Stück von Michael Ende die schwierige Aufgabe auf sich, Ihren Freunden die Zeit der Muße, der Freude und der Geschichten zurückzubringen. Aber nichr nur das Geheimnis der Zeit kennt Momo, sie hat noch ein weiteres Talent, das Zwischenräume öffnet, in dem sich Menschen neu begegnen können: sie kann zuhören. Regie führt Christina Rast. (Premiere: 19. November 2023)

In der  Komödie „Der Raub der Sabinerinnen“ inszeniert Christina Tscharyiski im Schauspielhaus den Schwank der Gebrüder Schönthan von 1884, der humorvoll den Kunst– und Kulturbetrieb aufs Korn nimmt und hinterfragt, warum und wie wir gerne Theater denken und zeigen wollen. (Premiere: 10. Februar 2024)

„Die Brüder Karamasow“ waren Dostojewskis letzter monumentaler Roman und wirft die menschlichen Grundfragen nach Schuld und Verantwortung, Sinn und Moral, Leid und Mitleid, Liebe und Vergeltung auf. Drei Brüder kehren in das Haus ihres Vaters zurück: dann geschieht ein Mord. Regie führt Laura Linnenbaum, alle Rollen sind weiblich besetzt. (Premiere: 17. Mai 2024)

Soweit einige Beispiele zum Hauptthema „Zwischenräume“ auf den großen Bühnen. Um öffentliche Spielräume als Zwischenräume geht es in den Projekten des Jungen Schauspiels. 175 Jahre nach der 1. Nationalversammlung in Frankfurt und 75 Jahre nach der Deklaration der Menschenrechte zeigt sich: Frauenrechte, Freiheitsrechte, Menschenrechte im Allgemeinen sind keine existierende Realität, sie sind „Widerstandsrechte gegen alle Formen von Unterdrückung und Ungerechtigkeiten“, so Martina Droste, Regisseurin und Konzepterstellerin der Jugendtheaterprojekte ab 14 Jahre. „Menschenrechte sind universell. Doch wer gewährt diese Rechte und für wen gelten sie ? Frauen und Freiheitsrechte müssen immer wieder erkämpft werden. Bieten Rechte, die so oft missachten werden, verbindende, konkrete Utopie für Jugendliche?“ Es sollten bei diesen Überlegungen auch die Errungenschaften sozialer Rechte nicht vergessen werden.

Zu Beginn der Presskonferenz hat Intendant Anselm Weber erfreut darauf hingewiesen, dass die Auslastungsquote im abgelaufenen Theater-Jahr bei 85 Prozent gelegen habe. Die Zahl der jugendlichen Besucher habe zugenommen, nach der Corona-Epidemie hätten auch frühere Besucher wieder ihren Weg zurück ins Theater gefunden. Er wies auch darauf hin, dass die Zusammenarbeit der Theaterverbände untereinander in Frankfurt beispielhaft sei. „Es gibt wenige Städte in Deutschland, die wie die Mainmetropole das nachweisen können“.