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Letzte Aktualisierung: 26.04.2024

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Neues Frankfurt auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe

Austausch mit internationalen Experten geht weiter

von Ilse Romahn

(12.03.2021) Frankfurt war in den 1920er Jahren ein internationaler Knotenpunkt und ein pulsierendes Zentrum der Architekturmoderne. Aus einem Programm zur Behebung der nach dem Ersten Weltkrieg herrschenden Wohnungsnot entwickelte sich mit dem „Neuen Frankfurt“ eine gesamtstädtische Leitidee.

In wenigen Jahren entstanden in 21 Siedlungen über 12.000 Wohnungen und zahlreiche charakteristische Einzelbauten. Wie in den Welterbestätten Tel Aviv und Berlin spielt der Wohnungsbau eine entscheidende Rolle, während der kurzen Zeitspanne zwischen 1925 und 1931 wurde Frankfurt aber auch zu einem weltweit beachteten Modell für die Stadt der Moderne.

Am 11. März wurde im Rahmen eines internationalen Expertenhearings unter dem Arbeitstitel „Das Neue Frankfurt: Masterplan für die Stadt der Moderne“ die Frage diskutiert, wie eine UNESCO-Bewerbung erfolgreich verlaufen kann. Die versammelten Expertinnen und Experten begrüßen die Initiative der ernst-may-gesellschaft und der Stadt Frankfurt, sich mit dem Erbe der Moderne für die Vorschlagsliste der Bundesrepublik Deutschland bei der UNESCO zu bewerben. Sie betonen die besondere Rolle Frankfurts für die Architektur- und Stadtbaugeschichte in der Zwischenkriegszeit. Die Sachverständigen gehen davon aus, dass das Erbe des Neuen Frankfurt einen wichtigen Beitrag zur Ergänzung der UNESCO-Welterbe-Liste leisten könnte. „Wir ermutigen die Planungs- und Kulturverwaltung der Stadt Frankfurt, die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlungen und ihre Eigentümer frühzeitig und umfassend in die Welterbe-Initiative einzubeziehen, und sagen auch weiterhin unseren fachlichen Rat und unsere Unterstützung zu. Die Siedlungen des Neuen Frankfurts stehen in der Tradition einer, wenn nicht der wichtigsten städtebaulichen Utopie des ausgehenden 19. Jahrhunderts: die englische Gartenstadtbewegung, die Ernst May in geschickter Weise erweiterte – in Form von durchgrünten Trabanten-Stadtlandschaften, in der Architektur, Städtebau, Landschaft und Soziales sich synergetisch ergänzen. Ein kulturelles Erbe mit hohem Zukunftspotential, eine gelebte Utopie! Die landschaftlichen, gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Neuerungen und Leistungen der Frankfurter Siedlungen betonen den wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Kultur und Zivilisation im 20. Jahrhundert. Sie sind der ‚missing link‘ in der soziokulturellen Ausrichtung der Weimarer Republik.“, sagten Prof. Bernhard Furrer (Zürich), Prof. Jörg Haspel (Berlin), Prof. Marieke Kuipers (Delft), Prof. Vladimír Šlapeta (Brno) sowie Prof. Kerstin Wittmann-Englert (Berlin), internationale Exp! ertinnen und Experten, in ihrem Statement zur Sitzung.

Planungsdezernent Mike Josef sagte: „Das ‚Neue Frankfurt‘ ist für mich ein Herzensanliegen. Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Stadt ohne Ludwig Landmann und seine in den 1920er Jahren erbrachten Leistungen nicht die Stadt wäre, die wir heute so schätzen: Vielfältig, weltoffen, internationaler Verkehrsknoten und Messestadt. Frankfurt war damals auf dem Feld der Kultur, der Stadtentwicklung und der Freiraumentwicklung Avantgarde. Das ist für uns eine Aufforderung, auch heute mit offenem Blick und frischen Ideen die Zukunft zu gestalten. Wie damals gilt auch heute, dass Stadt und Landschaft zusammengeplant werden müssen.“

Kulturdezernentin Ina Hartwig sagte: „Das Bauhaus-Jubiläum 2019 hat uns das überwältigende Interesse für das Neue Frankfurt gezeigt, auch über die Stadt hinaus. Wir wollen, dass dieses einzigartige Kulturerbe dauerhaft in seiner Bedeutung anerkannt wird: als allumfassendes Moderneprojekt von internationaler Bedeutung. Der Status als UNESCO-Welterbe würde das garantieren. Der heutige Workshop war ein wichtiger Schritt auf diesem Weg, der eher einem Langstreckenlauf als einem Sprint gleicht. Heute legen wir die Grundlagen dafür, dass unsere Stadt in den 2030er Jahren als Welterbestätte anerkannt wird.“

Die bereits Ende 2020 begonnene Online-Veranstaltungsreihe „Kontext, Kontrast, Kontinuität – Erhalt des kulturellen Erbes und Stadtentwicklung“ wird ebenfalls fortgesetzt. Am Dienstag, 6. April, werden Welterbestätten und Welterbekandidaten des 20. Jahrhunderts aus Israel und Deutschland behandelt. Der Hinweis der internationalen Expertinnen und Experten wurde bereits aufgegriffen. An diesem Abend stehen insbesondere die Erfahrungen von Bewohnerinnen und Bewohnern im Fokus, die in einem (potenziellen) Welterbe leben.

Die Termine der zweiten Staffel sind:
• Dienstag, 6. April, 19 Uhr: Herausragende Welterbestätten des 20. Jahrhundert – Welche Chancen und Herausforderungen sehen Bewohner?
• Donnerstag, 6. Mai, 19 Uhr: Die Rolle des weiblichen Architekten und feministische Architektur in der Moderne und Heute
• Donnerstag, 10. Juni, 19 Uhr: Vom Kampf um die Dächer zu Nutzbaren Dächern – vom Umgang und Nutzen der 5. Fassade
• Donnerstag, 8. Juli, 19 Uhr: Die Entwicklung der Moderne und die Gesellschaftliche Wahrnehmung Heute

„Wir freuen uns, dass die erste Staffel der Reihe zwischen November 2020 und Februar 2021 so großes Interesse fand und hoffen, dass auch die neue Staffel mit guten Diskussionen ein großes Online-Publikum findet“, sagte Andrea Jürges, stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseums (DAM). Die vier Folgen der ersten Staffel sind weiterhin auf dem YouTube-Kanal des DAM unter https://www.youtube.com/channel/UCHNF-hFNtIXSeUpc8NX7ysw zu finden.

„Kontext, Kontrast, Kontinuität“ entstand in Kooperation zwischen dem Liebling Haus – White City Center (Tel Aviv Yafo), dem Deutschen Architekturmuseum und der ernst-may-gesellschaft (Frankfurt am Main) sowie ICOMOS und Do.Co.Mo.Mo Israel und Deutschland. Die Reihe ist Teil des 40. Jubiläums der Städtepartnerschaft Tel Aviv Yafo und Frankfurt am Main und wird im Rahmen des Förderprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus – Aufwertung der Siedlungen des Neuen Frankfurt“ gefördert. (ffm)