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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Künstliche Intelligenz - Jobkiller oder Jobmotor?

von Helmut Poppe

(30.09.2021) Künstliche Intelligenz polarisiert den Diskurs über die „Zukunft der Arbeit“.

Gefahr oder Chance, Jobkiller oder Jobmotor? Die Berichterstattung von (Online-) Zeitungen und Debatten auf Social Media über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt zeichnen sich durch polarisierte Diagnosen aus: KI als Hoffnungsträgerin auf der einen, KI als Auslöserin von Zukunftsängsten auf der anderen Seite. Zu diesem Ergebnis kommt eine gestern veröffentlichte Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS), die den Diskurs über KI und die Zukunft der Arbeit in (Online-) Zeitungen und auf Social Media untersucht. Für die Analyse hat die Diskursforscherin Dr. Derya Gür-Şeker (Online-) Zeitungsartikel, User-Kommentaren unter den Berichten sowie Diskussionen auf Social Media in den Jahren 2018-2020 quantitativ und qualitativ ausgewertet. Ihr besonderes Interesse galt wiederkehrenden Argumentationsmuster, Metaphern und bildlichen Darstellungen der untersuchten Medien.

„Künstliche Intelligenz prägt schon heute in vielen Branchen den Arbeitsalltag“, so Autorin Derya Gür-Şeker, „mit der Studie untersuchen wir, wie diese fortschreitende Transformation journalistisch beschrieben wird, welche Einstellungen sich in Diskussionen auf Social Media herausbilden und welche Zukunftsvisionen im Diskurs transportiert werden“. Für die Social-Media-Plattformen stellt die Studie eine lebendige Diskussion über die zukünftige Gestaltung des Arbeitsalltags fest: „Zum einen wird deutlich, dass weiterhin eine hohe Verunsicherung darüber herrscht, welche Auswirkungen der digitale Wandel auf den Abbau von Arbeitsplätzen haben wird. Zugleich finden sich viele Beiträge, die sich vom digitalen Wandel eine höhere Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung sowie ein selbstverantwortlicheres Arbeiten erhoffen. Hier wird es in Zukunft wichtig sein, sicherzustellen, dass die Flexibilisierung nicht mit einer erhöhten Arbeitsbelastung auf Seiten der Arbeitnehmenden einhergeht“, führt Derya Gür-Şeker aus. Auch sei eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Branchen unerlässlich. Denn nicht alle Branchen werden sich in gleicher Weise durch den digitalen Wandel verändern. Eine solch differenzierte Darstellung sei zurzeit jedoch noch nicht zu beobachten: „Derzeit dominiert eine Thematisierung von KI in der Digital- und der Bildungsbranche. Zudem wird KI meist mit menschenähnlichen Robotern bebildert. Dagegen finden sich im untersuchten Bildmaterial nur selten Bilder von Arbeitnehmern, die Tag für Tag körperliche oder schwere Arbeit leisten – und in Zukunft in anderer Form, unterstützt durch KI basierte Technologien, arbeiten werden“, so Derya Gür-Şeker. Auch hinsichtlich der Geschlechterverteilung zeichnet die Studie ein zwiespältiges Bild. Einerseits zeigen die Daten, dass die Unterrepräsentation von Frauen in der IT-/KI-Branche im Diskurs thematisiert und problematisiert wird. Andererseits reproduzieren die Online-Zeitungen diese Unterrepräsentation in ihren Bilddiskursen – Akteurinnen kommen in den untersuchten Online-Zeitungsartikeln im Vergleich zu männlichen Akteuren seltener vor.

Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, hebt ein weiteres Ergebnis der Untersuchung hervor: „Häufig wird die digitale Transformation als eine ‚Revolution‘ beschrieben, die wie eine ‚Welle‘ und mit viel ,Druck‘ über uns hereinbricht. Diese Bildsprache verschleiert aber, dass dieser Wandel von Personen betrieben wird und hinter ihm konkrete Interessen stehen“. Darüber hinaus, so ein weiterer Befund der Untersuchung, erschwert der häufige Gebrauch von Fachausdrücken und Anglizismen insbesondere für fachunkundige Leser die Verständlichkeit der Berichterstattung. In der Studie wird deshalb eine konkretere und barrierefreie Kommunikation über KI gefordert, die Veränderungen klar benennt und die im Diskurs häufig gebrauchten Fachbegriffe erläuternd kontextualisiert. OBS-Geschäftsführer Legrand gibt zu bedenken: „Die Transformationen wird nur dann gelingen, wenn sie aktiv mitgestaltet werden kann. Es kommt darauf an, gleichberechtigte Debatten zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden voranzutreiben. Aber auch eine zielgruppenspezifische Bildungsarbeit zu KI ist genauso unerlässlich, wie eine konkrete Berichterstattung, die über die abstrakte Polarisierung zwischen Fortschrittsoptimismus und -pessimismus hinausgeht“. Die Studie der Diskursforscherin Gür-Şeker gibt erste Hinweise, wie Medien diesem Anspruch gerecht werden können.