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Letzte Aktualisierung: 26.04.2024

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Innovation aus Tradition: 125 Jahre Diabetesbehandlung im Krankenhaus Sachsenhausen

von Karin Willen

(22.09.2020) In Frankfurts Stadtteil Sachsenhausen ist eine Straße nach ihm benannt, und unter Diabetologen ist er heute noch bekannt wie ein bunter Hund: Carl von Noorden, der Erfinder der Broteinheiten, mit denen wir heute noch den Kohlenhydratgehalt der Mahlzeiten berechnen. Er gründete am 23. September 1895 in Sachsenhausen die erste private Klinik für zuckerkranke Patienten Europas.

Bildergalerie
So schön konnte Krankenhausaufenthalt anno 1895 sein: Halle der ersten europäischen privaten Zuckerklinik in Frankfurt-Sachsenhausen
Foto: KHS
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Lernen, sich heute gesundheitsfördernd zu ernähren: strukturierte Diabetestherapie im Krankenhaus Sachsenhausen
Foto: KHS
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Die erste private Klinik für zuckerkranke Patienten Europas geht auf die Initiative von  Carl von Noorden und seinen Kollege Eduard Lampé zurück. Die beiden Frankfurter Ärzte erkannten, dass Diabetiker eine besondere Behandlung brauchten, die tief in den Alltag hineinreichte. Zu jener Zeit, als man das Blutzuckerspiegel senkende Hormon noch nicht kannte, halfen sie ihren Patienten mit diätischen Kuren. Nach der Entdeckung des Insulins 1921 erprobte von Noorden als einer der ersten Therapeuten in Deutschland seinen klinischen Einsatz.

125 Jahren nach seiner Gründung als Fachklinik für Diabetes ist das Krankenhaus Sachsenhausen ein Stadtteilkrankenhaus mit hoher fachlicher Spezialisierung. Es gilt als führend in der minimalinvasiven gynäkologischen Chirurgie und ist spezialisiert auf Adipositas-Chirurgie. − Und die Abteilung Diabetologie gehört zu besten deutschen Diabeteskliniken. Zuletzt erhielt sie 2020 vom Bundesverband der klinischen Diabeteseinrichtungen (BVKD) die Auszeichnung „Fünf-Sterne-Diabetesklinik“.

Ernährung, Bewegung und ärztliche Hilfe

Seit 25 Jahren hilft die Abteilung Diabetikern in 2 Stationen: einer für klinisch erkrankte Patienten und einer für strukturierte Diabetestherapie (Schulungsstation). Mit „Innovation aus Tradition“ beschreibt Noordens aktueller Nachfolger Ralf Jung das Spezifische der Diabetologie heute am KH Sachsenhausen im Dreiklang Ernährung, Bewegung und ärztlicher Hilfe: „Mir liegt besonders am Herzen, die Eigenmotivation des Menschen mit Diabetes zu stärken. Denn sie ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung der chronischen Erkrankung.“

Ohnehin werde die Interaktion auf Augenhöhe mit an Diabetes erkrankten Menschen bei der Festlegung gemeinsamer Therapieziele in den aktuellen Leitlinien gefordert. „Sie ist die Grundlage für eine intakte Arzt-Patienten-Beziehung“, hebt Jung hervor. Von seinem diabetologischen Lehrmeister Christoph Rosak habe er gelernt, den Menschen mit Diabetes als „Ganzes“ zu sehen – „und nicht nur einzelne Problembereiche isoliert zu behandeln“. Die zahlreichen Einflussfaktoren und Facetten der Stoffwechselerkrankung erforderten dies.

Fit für den Alltag mit strukturierter Diabetestherapie

Entsprechend setzt sich das Team, das den Betroffenen im Umgang mit der Erkrankung in der strukturierten Diabestherapie hilft, aus Diabetologen/DDG, Diabetesberaterinnen/DDG, Diabetesassistentinnen/DDG, Diätassistentin, Psychologen und Physiotherapeuten zusammen. Die 750. Schulung der Abteilung fällt in die Woche der Gründung vor 125 Jahren, der vierten Septemberwoche. Die elftägigen Kurse richten sich jeweils an Menschen mit Typ-1-Diabetes unter intensivierter Insulintherapie (ICT) oder mit Insulinpumpen (CSII) und Typ-2-Diabetiker mit Insulin und/oder oraler Medikation.

Bislang konnte ete 7.500 Diabetikern so geholfen werden. In den elftägigen Kursen erfahren die Betroffenen zielgruppenspezifisch, wie sie ihren Alltag mit der Erkrankung bewältigen können. Und dazu zählt heute noch eine Innovation von vor 125 Jahren: Typ-2-Diabetiker lernen unter anderem, wie sie den Blutzucker mit dem modifizierten Kohlenhydrat-Tag nach Carl von Noorden senken können, die "Haferdiätkur".