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Letzte Aktualisierung: 26.04.2024

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Ökumenischer Kirchentag will Gesellschaft aus der Krise begleiten

‚Es ist unsere gemeinsame Verantwortung‘

von Ilse Romahn

(14.05.2021) Mehr Einmischung? Mehr Glaubwürdigkeit? Mehr Mut? Was brauchen die Kirchen in Deutschland, um einer Pandemie-gestressten Gesellschaft aus der Krise zu helfen? Der Dritte Ökumenische Kirchentag (ÖKT) stellt sich der Debatte.

In der Pressekonferenz vor der Eröffnung in Frankfurt werben ÖKT-Präsidentin Limperg und ÖKT-Präsident Sternberg für Solidarität und neues Vertrauen in die Demokratie. Bischof Bätzing und Kirchenpräsident Jung betonen, wie wichtig es sei, „dass Kirche da ist.“

„Endlich geht es los! Wir sind überzeugt: Gerade jetzt ist der 3. ÖKT als Kirchentag von höchster Relevanz“, sagt Bettina Limperg am Mittwoch, 12. Mai, während der Pressekonferenz vor Beginn des Ereignisses. „Wir wollen hinschauen: Dahin, wo es weh tut, dahin, wo wir heilen können und dahin, wo wir handeln können. Der ÖKT kreist nicht um sich selbst.“

Ebenso sieht es Präsident Thomas Sternberg. Man wolle dazu beitragen, der Gesellschaft aus der aktuellen Krise zu helfen: „Es gibt viel zu besprechen – und viel zu verteidigen in diesen Zeiten: die Demokratie an sich, die Notwendigkeit von Solidarität und die Relevanz der Religion in der säkularen Gesellschaft und für jede und jeden Einzelnen. Christenmenschen haben offene Ohren und Herzen für die Belange der Welt und für die Nöte der Schwächsten in der Krise. Wir vertrauen auf die Kraft und den Trost, die aus dem Evangelium kommen, um über uns selbst hinauszublicken.“

„Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, wie unsere Gesellschaft aus dieser Krise herausgeht“, ist Bettina Limperg überzeugt. „Kaum je ist uns Menschen in Europa in der neueren Zeit bewusster geworden, wie hart Demokratie, Rechtsstaat und das Vertrauen in staatliches Handeln jeden Tag neu erarbeitet werden müssen. Dafür und für vieles mehr wollen wir Anregungen geben, Diskussionsplattform sein und digitale Begegnungsräume öffnen. Wir wollen gemeinsam schauen, welche Maßnahmen anstehen und was wir als Bürger, aber auch als Christen dazu beitragen können. Dazu rufen wir auch die Fragen nach Zivilcourage und zur Solidarität in Europa auf.“ Man habe „Mitwirkung so stark gemacht wie möglich – durch digitale Workshops, durch Barcamps, über Chat-Funktionen, über die Anwälte des Publikums, die vorher eingereichte Fragen weitergeben, über Abstimmungsschaltflächen, über digitale Stehtische, die zu Zufallsbegegnungen einladen.“

Dass ein ÖKT auch Zeugnis vom Stand der Ökumene in Theologie und gelebtem Alltag gibt, wird insbesondere am Samstagabend in Frankfurt deutlich werden. Vier konfessionelle Gottesdienste – ökumenisch sensibel gefeiert, Abendmahl und Eucharistie inklusive – werden vom ÖKT gestreamt und über http://www.oekt.de zugänglich gemacht. Mehr als fünfzig weitere wurden dem ÖKT bislang bundesweit zurückgemeldet. „In Deutschland ist das Miteinander der christlichen Konfessionen selbstverständlich geworden“, sagt Sternberg. „Nirgendwo werden so viele Ehen zwischen evangelischen und katholischen Christen geschlossen wie hier. Ökumene wird im Alltag der Familien und Gemeinden gelebt. Dazu gehört für viele auch der wechselseitige Gottesdienstbesuch. Nicht nur deshalb ist uns als ÖKT die Beschäftigung mit den Liturgien der jeweils anderen wichtig. Man kann sie auf diesem ÖKT sehen, erleben, mitfeiern. Die Gastfreundschaft, die aus den Gemeinden vor Ort kommt, nehme ich selbst gern an diesem Samstagabend an. Am Sonntag feiern wir gemeinsam die Sendung in eine Welt, wie sie sich so vielfältig hier in Frankfurt zeigt.“

Der Kirchenpräsident der einladenden Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung, ist froh, „dass mit der Akzeptanz wechselseitiger Teilnahme an Abendmahl und Eucharistie ein ökumenischer Fortschritt sichtbar wird. Der Fortschritt ist begründet im gemeinsamen Vertrauen auf die Gegenwart von Jesus Christus in den Mahlfeiern und in dem gemeinsamen Glauben daran, von Christus in die Welt gesandt zu sein, um füreinander da zu sein, Gerechtigkeit zu fördern und die Schöpfung zu bewahren.“

Bischof Bätzing vom ebenfalls einladenden Bistum Limburg betont, er werde an der „Eucharistiefeier im Frankfurter Dom teilnehmen. Die Katholikinnen und Katholiken im Bistum ermutige ich, die konfessionelle Vielfalt in diesen Feiern zu erleben.“ Die katholische Kirche sei „in den offenen ökumenischen Fragen weiter unterwegs. Ja, es wird mit Sensibilität und Leidenschaft daran gearbeitet. Wir durften in den zurückliegenden Jahren erleben, wie eng wir schon zusammengerückt sind. Ich wünsche mir, dass wir auf diesem Weg weiter vorankommen.“ Er ist überzeugt: „Der Ökumenische Kirchentag wird nachwirken.“

Bätzing wie Jung erinnern an das Reformationsgedenken im Jahr 2017, von dem ein direkter Weg zum ÖKT führe. Damals habe man „eine ökumenische Selbstverpflichtung ausgesprochen&qout“, sagte Bätzing. Durch die Existenz Ökumenischer Kirchentage in Deutschland werde „jeder Evangelische Kirchentag und jeder Katholikentag noch stärker ökumenisch geprägt.“ Jung erinnert sich auch daran, dass man damals schon ungeahnt seiner Zeit voraus gewesen sei: „Als wir 2017 in Wittenberg einen Segensroboter aufstellten, haben uns viele für verrückt erklärt. Wir wollten einen Impuls geben, dass wir uns als Kirche mehr mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Damals hat noch niemand daran gedacht, dass zum Beispiel digitale Gottesdienste geradezu überlebenswichtig sein könnten. Der digitale und dezentrale ÖKT ist mittendrin in allem, was wir zurzeit erleben.“

Axel Wintermeyer, Chef der hessischen Staatskanzlei, schickt vonseiten des Landes Hessen einen digitalen Gruß in die Pressekonferenz vor der Eröffnung des ÖKT. Er findet es in der pandemischen Ausnahmesituation „richtig, dass der Ökumenische Kirchentag stattfindet – gerade in dieser schwierigen Zeit ist das ein wichtiges Signal. Frankfurt ist eine Stadt der Zukunft, in der - wie in wenigen anderen Städten Deutschlands - religiöse Vielfalt gelebt wird. Die hessische Metropole am Main ist der richtige Ort, um diesen Kirchentag auch digital zum Erfolg zu führen. Denn er ist mehr als eine Großveranstaltung. Er ist eine Bewegung, die Menschen vereint, die sich gesellschaftlich engagieren und Verantwortung übernehmen. Das Land Hessen unterstützt die Ausrichtung deshalb sehr gerne.“

Auch von Oberbürgermeister Peter Feldmann kommt eine herzliche Botschaft zum Auftakt des ÖKT: „Schaut hin – das Motto des Dritten Ökumenischen Kirchentags passt zu Frankfurt. Und es passt in die Zeit. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie sehr wir einander brauchen. Die Menschen haben sich wunderbar umeinander gekümmert. Sie haben Hilfsprojekte gestartet, Nachbarschaftshilfen organisiert, denen unter die Arme gegriffen, die ihren Alltag nicht auf die Schnelle digital umorganisieren konnten. Ich finde: Achtsamkeit und Aufmerksamkeit müssen Richtschnur für unseren menschlichen Umgang miteinander bleiben, auch in der Zeit nach Corona.“ (ffm)