Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 26.04.2024

Werbung
Werbung

Von der Hexenverfolgung und dem Kampf um Frauenrechte

14 Frankfurter Frauengeschichte(n)

von Karl-Heinz Stier

(13.12.2017) Wenige andere Städte können wohl auf Anhieb mit so viel bekannten Frauen aufwarten wie Frankfurt. Der Band „Frankfurter Frauengeschichte(n)“ herausgegeben von Dr. Evelyn Brockhoff, Leitende Direktorin des Instituts für Stadtgeschichte, und Ursula Kern, Kuratorin des Historischen Museums im Ruhestand - erzählt in fünf thematisch gegliederte Kapiteln über ungewöhnliches Handeln und Erlebnissen von 14 Frankfurter Frauen im 17. bis 20. Jahrhundert.

Die Herausgeber: Dr. Evelyn Brockhoff (li) und Ursula Kern (re) mit ihrem neuen Werk
Foto: Karl-Heinz Stier
***

Die Protagonisten waren Ehefrauen, Mütter, Künstlerinnen, Mäzeninnen, Schriftstellerinnen, Reisende, Frauenrechtlerinnen, Sozialreformerinnen und solche Frauen, die unter dem Gesellschaftssystem sehr gelitten haben.

Zu dem Letzteren gehört auch die dunkle Zeit der Hexenverfolgung, Gegenstand des größten Kapitels zu Beginn des 222seitigen Bandes, das den Obertitel „Frankfurter Sonderweg“ trägt. Die Soziologin Prof. Dr. Marianne Rodenstein beschreibt in ihrem Beitrag die Verfolgung von Frauen im Umgang mit dem Hexenwahn und wie sie mutig und entschieden auf ihrer Unschuld beharrten. Heute schätzt man, dass die Hexenprozesse vor weltlichen Gerichten in Deutschland zwischen 1430 und 1780 mit Höhepunkten im 16.Jahrhundert 20000 bis 30000 mit dem Tode zu bestrafen. Was die Verfolgung in Frankfurt angeht, so bezog sich die Autorin auf eine Dissertation der Goethe-Universität von Walter Eschenröder aus dem Jahre 1932, der einzigen Quelle, die noch in Frankfurt aufzufinden war. Aus früheren Unterlagen der Frankfurter Stadtgeschichte geht hervor, dass es vom 16. bis 18. Jahrhundert 22 Prozesse gab, von denen siebzehnmal Frauen, fünfmal Männer sowie ein Ehepaar betroffen waren. Nur in vier Fällen – hier aber mehrmals wurde gefoltert. Keiner diese Prozesse führte zum Todesurteil. „Das wird ein Ruhmesblatt in der Frankfurt Geschichte bleiben“, meinte damals der Doktorand.

Anders die Situation in den übrigen deutschen Städten wie in Nürnberg, Hamburg oder Köln, wo viele Frauen verbrannt wurden. Auch das Frankfurter Umland stand da nicht zurück, wie u.a. in Oberursel, Bieber, Bürgel, Hochheim, Gelnhausen oder Hanau, wo die geistlichen Fürstentümer von Mainz und Fulda sowie die weltlichen in Hessen-Darmstadt und in Nassau herrschten. In Frankfurt gab es während des 16. Jahrhunderts - so die Autorin Rodenstein weiter - eine geradezu konträre Grundstimmung gegenüber den Hexenprozessen, die eindeutig auf Vorsicht gegenüber diesem unklaren Phänomen, das den Stadtfrieden und die Geschäfte beeinträchtigen könnte, gerichtet war. Das Kapitel, das die Hexenverbrennung ausführlich darstellt, gibt wertvolle Hinweise über die Hintergründe dieser grausamen Zeit.

Im Kapitel „Grenzüberschreitungen“ liest sich wie ein Krimi die Geschichte der Frankfurterin Maria Kunkel, deren  Ehekonflikt lange Zeit im 18.Jahrhundert Thema juristischer und geistlicher Debatten wurde. Um ihre Ehescheidung durchzusetzen, hatte es die Frau mit den wichtigsten Instanzen des Heiligen Römischen Reiches aufgenommen – mit den Reichsgerichten, dem Reichstag, den Kurfürsten und sogar dem Kaiser.

Ähnliche Wagnisse, die ihre jeweiligen Lebensumstände entscheidend veränderten, unternahmen Clotilde Koch und Marias Belli, zwei risikobereite und tatkräftige Frankfurterinnen. Während die eine den berühmtesten politischen Salon der 1848er Zeit in Frankfurt führte und als „Frankfurter Patriotin“ in die Geschichte einging, machte sich die andere auf, alleine den Orient zu bereisen. Als anerkannte Schriftstellerin erlangte sie wegen ihrer kulturhistorischen Verdienste als erste Frau die Meisterwürde des Deutschen Hochstiftes.

Die Sozialistin, Publizistin und aktive Kriegsgegnerin Toni Sender ging im Kampf für die politische Gleichberechtigung, die sozialen Rechte sowie die berufliche Anerkennung der Frauen den mühsamen Weg durch die politischen Instanzen. Bereits 1919 war die engagierte Aktivistin Abgeordnete für die USPD in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, von 1920 bis 1933 im Reichstag, 1935 musste sie in die USA emigrieren, wo sie ihre politische Aktivität unentwegt bis in die 1950er Jahre aufrechterhielt.

Das waren sechs von 14 Geschichten Frankfurter Frauen, das Leben der übrigen ist nicht weniger aufschlussreich.

Die Gesellschaft für Frankfurter Geschichte veröffentlichte die Aufsatzsammlung in Verbindung mit dem Institut für Stadtgeschichte als Band 77 der Reihe „Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst“. Die Publikation ist im Societäts-Verlagf (ISBN 978-3-95542-275-2) erschienen und beim Institut für Stadtgeschichte und im Buchhandel zum Preis von 29.80 Euro erhältlich.