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Letzte Aktualisierung: 26.04.2024

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Rolf Kissel - Der Raum ist der Ort der Zeit: Retrospektive zum 90. Geburtstag

von Ilse Romahn

(12.04.2019) Anlässlich seines 90. Geburtstages richtet die Stadt Frankfurt dem Künstler Rolf Kissel eine Retrospektive aus. Die Ausstellung würdigt wichtige Werkphasen des Frankfurter Künstlers, von seinen malerischen Anfängen im Informel bis hin zu den späten neo-konstruktivistischen Arbeiten. Gezeigt werden über 40 Objektbilder, Gemälde, Zeichnungen, Zeichnungscollagen und Skulpturen, die ein künstlerisches Lebenswerk von fast 50 Jahren umspannen.

Rolf Kissel
Foto: Frankfurt / Sabine Lippert
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Am Sonntag, 14. April, dem Vortag seines 90. Geburtstages, wird um 12 Uhr eine Ausstellung mit Werken Rolf Kissels in der AusstellungsHalle Schulstraße 1A in Sachsenhausen eröffnet, die alle wichtigen Schaffensperioden des Frankfurter Künstlers berücksichtigt. Titelgebend sind die ersten Worte eines mit „Position“ überschriebenen Prosagedichts Kissels: „Der Raum ist der Ort der Zeit der Beziehung der Dinge des veränderbaren Gleichgewichts“. Hierin umreißt der Künstler seine ästhetische Grundhaltung zum Raum, zum Ort und zur Zeit, was sich auch auf sein politisches Engagement anwenden lässt. Die Werkschau möchte ein künstlerisches Œuvre Kissels würdigen, das „von singulärer Kraft“ ist, so Hilmar Hoffmann 2009, und ist so angelegt, das Blickwechsel über die verschiedenen Werkphasen hinweg ermöglicht werden.

Beispiele aus dem Frühwerk von 1959/1960 weisen aufgebrochene Oberflächen auf und zeugen von Kissels frühen Bemühungen, die Farbe zu bändigen. Diese Werke sind noch während seines Studiums an der Städelschule entstanden, das er 1961 als Meisterschüler bei Albert Burkart abschloss. 1961 erhielt er seine erste Einzelausstellung in der legendären Zimmergalerie von Klaus Franck, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbunden hat. Die „Bildblöcke“, in denen die Farbe an Relief gewinnt, markieren den Weg hin zu den rein weißen Lichtreliefs, die parallel zur Zero-Bewegung entstanden, der sich Kissel jedoch nicht anschloss.

„Vor allem Kissels frühe, technisch durchnummerierten weißen Licht-Reliefs der 1960er Jahre faszinieren mich in ihrer Ästhetik bis heute“, sagt Kulturdezernentin Ina Hartwig. „Nichts lenkt hier vom Wesentlichen ab. Die bemalten Wandobjekte aus Holz mit verleimten, erhaben oder vertieft angesetzten Holzlamellen unterschiedlichster Profile bilden Raum- und Flächenformen. Man verspürt die Nähe zur statischen Op-Art, die sich aus den experimentellen Traditionen des Bauhauses und des russischen Konstruktivismus entwickelt hat und gerade im diesjährigen Bauhaus-Jahr eine Renaissance erfährt.“ In der Ausstellung ist ein Holzobjekt aus der Städtischen Kunstsammlung Frankfurts zu sehen, in das ein bewegliches weißes Lichtrelief integriert ist.

Stärker aktiviert wird das Thema Licht in Kissels Aluminium-Objekten aus den siebziger Jahren durch matte anpolierte und hochglänzende Reliefelemente, die sich horizontal oder vertikal durch die Bildoberfläche ziehen. Sie verweisen zugleich auf Kissels bedeutende Kunst-am-Bau-Projekte wie das 34 Meter lange Lichtrelief im Kongresszentrum Rosengarten in Mannheim (1974) und die „Blechharfe“ in der Alten Oper Frankfurt (1981).

Einen großen Teil seines Werkes beanspruchen die Arbeiten auf Papier. Gezeigt werden das noch in der Phase des Informels entstandene Quartett der Synkopen von 1960, ein Beispiel der zarten Papierprägedrucke als auch Zeichnungen aus dem Tektura-Serie der siebziger Jahre, die das Blatt einer geometrischen Ordnung unterlegen, doch zugleich die Auflösung der Form wie eine informelle Geste betreiben.

Im Sinne einer „Erschließung sozialer Räume mit den Mitteln der Montage“ begleitete Kissel sein aktives politisches Engagement in der Friedensbewegung und während des Börneplatz-Konflikts stets auch künstlerisch. Die Zeichnungscollagen, die politische Konflikte der achtziger Jahre ansprechen, wie Wackersdorf, Fulda-Gap, Börneplatzprotest, Tschernobyl-Katastrophe, sind bis heute von nicht nachlassender Aktualität. Diese sind entstanden – besonders auch der Zyklus „Briefe aus Weimar“ (1994/95), der sich als Dauerleihgabe in der Sammlung des Goethe-Nationalmuseum, Weimar befindet, „im Bewusstsein des Widerspruchs von Bilderversagen und Unmöglichkeit des Bilderverzichts“. (Kissel 1993)

In die letzte Phase seines Werkes hielt die Farbe verstärkt Einzug. Stellvertretend wurden die Aqua-Farbcollagen aus dem Jahr 2005 ausgewählt. Dort finden sich konstruktive Formen in Schwarz und Weiß auf grauem Papier mit zarten Schrifteinfügungen. Elemente in Blau, Weiß oder Rot scheinen sich daraus zu lösen und davon zu schweben. Plastiken aus derselben Zeit nutzen die Farbe als strukturierendes Moment, als habe Kissel Mondrians Neoplastizismus mit El Lissitzky Prounenraum mit seiner Praxis der Collage verschmelzen wollen.

Die Ausstellung ist von 14. April bis 12. Mai in der AusstellungsHalle, Schulstraße 1A, zu sehen.

Zur Eröffnung sprechen Susanne Kujer, Leiterin des Fachbereichs Bildende Kunst, Kulturamt Frankfurt,Sybille Linke, Leiterin des Kulturamts, Isa Bickmann, Kuratorin der Ausstellung. Musikalisch begleitet wird die Eröffnung von Zu Zweit – Frank Selten (Saxofone) und Roman Klöcker (Banjo), Musiker der Barrelhouse Jazzband.

Begleitend zur Ausstellung gibt es am Mittwoch, 24. April, um 19 Uhr, eine Kuratorenführung mit Isa Bickmann sowie ein Gespräch über Kunst und Kultur in Frankfurt ab 1955 mit Claudia Scholtz, am Samstag, 4. Mai, um 16 Uhr. Dazu liest Jochen Nix Gedichte aus der Zeit und Jo Flinner spielt am Klavier.

Öffnungszeiten sind Mittwoch, Donnerstag,18 bis 20 Uhr, Freitag, Samstag, Sonntag, 14 bis 18 Uhr. An Ostersonntag sowie an Ostermontag ist die Ausstellung von 14 bis 18 Uhr geöffnet.   http://www.ausstellungshalle.info   (ffm)