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Letzte Aktualisierung: 26.04.2024

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Ortstermin des Oberbürgermeisters auf dem ‚Ginnheimer Spargel‘

Wie aus dem Fernmeldturm ein Spargel wurde

von Ilse Romahn

(12.08.2019) Noch immer gehört der Frankfurter Europaturm mit seinen 331 Metern zu den höchsten Fernmeldetürmen der Welt. Der „Ginnheimer Spargel“, wie ihn die Frankfurter kurz nach seiner Fertigstellung 1979 liebevoll nannten, war neben seiner technischen Nutzung viele Jahre lang ein Magnet für Millionen von Touristen, Gourmets und Partygängern.

Peter Feldmann, Johannes Kahrs und Peer Kollecker auf dem Fernmeldturm
Foto: Stadt Frankfurt
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Bis heute ist er als Funkstandort in Betrieb, jedoch für Besucher nicht mehr zugänglich.

Gemeinsam mit dem Hamburger Bundestagsabgeordneten und Obmann im Bundestags-Haushaltausschuss Johannes Kahrs besichtigte nun Oberbürgermeister Peter Feldmann das Bauwerk, um über neue Nutzungsmöglichkeiten und eine mögliche Öffnung für die Bürger nachzudenken.

Oberbürgermeister Feldmann sagte: „Viele Frankfurter sind damit groß geworden, dass sie mit ihren Familien oder mit Besuchern aus anderen Städten von der Aussichtsplattform auf unsere Skyline, auf den nahen Taunus geschaut haben. Auch ich kann mich noch gut daran erinnern, auch daran, dass der „Ginnheimer Spargel“ ein Erkennungszeichen ist, das uns bei der Heimreise immer ein Gefühl von Zuhause ankommen vermittelt. Es wäre großartig, wenn es uns gelänge, dieses Frankfurter Wahrzeichen wieder allen Frankfurtern zugänglich zu machen.“

Als Erfinder des ebenso liebevollen wie einprägsamen Namens „Spargel“ gilt einer der Autoren von „Frankfurt-Live“, der heute in Unterliederbach lebende Journalist Norbert Dörholt. Er arbeitete seinerzeit in der Lokalredaktion der Frankfurter Neuen Presse, deren Lokalchef er später wurde, und quälte sich beim Finden einer Überschrift mit dem langen Wort „Fernmeldeturm“ und dessen 13 Buchstaben herum, das partout nicht in die Zeile über eine einspaltige Meldung passte. In seiner Not kam ihm die Ähnlichkeit des Fernmeldeturms mit einem Spargel in den Sinn, der, in Anführungszeichen gesetzt, nur neun Anschläge hat – und damit längenmäßig in die Überschrift passte.

Das gefiel natürlich auch seinen Kollegen in allen anderen Frankfurter Zeitungsredaktionen, die ja mit dem gleichen Problem zu kämpfen hatten und deshalb sofort dankbar Dörholts Wortschöpfung aufgriffen. Und die Frankfurter selbst? Sie fanden den sympathischen Vergleich mit dem „König der Gemüse“ analog dem König der Frankfurter Hochbauten so originell, dass sie sich praktisch auf Anhieb mit diesem Synonym anfreundeten. Und so dauerte es gar nicht lange, dass sie statt des sperrigen „Fernmeldeturms“ den schlanken und auch ästhetisch schmackhaften Ginnheimer Spargel in den Mund nahmen. Wie aus dem im Stadtteil Bockenheim stehenden Turm ein "Ginnheimer" wurde, das ist nicht mehr überliefert.

Zurück zur Gegenwart. „Früher standen Fernsehtürme für Fortschritt, Technik und Zukunft - heute für Heimat, Freizeit und Geschichte. Fernsehtürme wirken erst, wenn sie für alle geöffnet sind. Nur Tun bewegt“, fügte Kahrs den Worten von Oberbürgermeister Feldmann hinzu. Der Geschäftsführer der Deutsche Funkturm, Bruno Jacobfeuerborn, sagte: „Der Europaturm ist in doppelter Hinsicht ein prägendes Bauwerk für Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet. Er versorgt die Region seit 40 Jahren mit wichtigen Funkdiensten und wird auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Medieninfrastruktur sein. Gleichzeitig ist er als Wahrzeichen nicht mehr aus der Frankfurter Skyline wegzudenken.“

Nachdem das innerstädtische Fernmeldehochhaus als Antennenträger für Richtfunkstrecken nicht mehr ausreichte, entschied sich die damals verantwortliche Deutsche Bundespost zum Bau des Fernmeldeturms. Nach fünfjähriger Bauzeit war der mit seiner Antenne 337,33 Meter hohe und 75 Millionen D-Mark teure Europaturm fertig. Mit einem Durchmesser von 59 Metern ist die sechs Stockwerke hohe Kanzel in 227 Metern Höhe die weltweit breiteste. Sie ermöglicht einen grandiosen Blick über das gesamte Rhein-Main-Gebiet.

Kein Wunder, dass dieser einzigartige Platz über viele Jahre hinweg als Diskothek, Restaurant und Aussichtsplattform genutzt wurde. Mehrere leistungsfähige Aufzüge brachten die Besucher mit einer Geschwindigkeit von vier Metern pro Sekunde nach oben. In den sechs Salons des Restaurants fanden bis zu 220 Gäste Platz und in der Diskothek traten damalige Schlagerstars wie Rex Gildo, Jürgen Drews und Bata Ilic auf.

Allerdings war es trotz des riesigen Zuspruchs und meist ausgebuchter Plätze schwierig, die Einrichtungen wirtschaftlich zu betreiben. So wurde der Europaturm 1999 für die Öffentlichkeit geschlossen. Dies hatte auch mit den Auflagen der Brandschutzordnung zu tun, die einen Millionenaufwand erfordert hätten. Die technischen Rahmenbedingungen hatten sich mit den Jahren ebenfalls geändert. Techniker mussten das Gebäude nur noch selten besuchen, weil die modernen Sendeanlagen längst aus der Ferne gesteuert werden können.

Als Nachfolgerin der Deutschen Bundespost bietet heute die DFMG Deutsche Funkturm den Turm verschiedenen Unternehmen als Standort für Funkdienste an. Dazu zählen unter anderem digitales Fernsehen, analoges und digitales Radio, Richtfunkverbindungen für besonders hohe Datenübertragungen, Mobilfunk sowie spezielle Datendienste zur Unterstützung von High Frequency Trading. (ffm/FLC)