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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Museale Betonmonster

Architekturmuseum zeigt erstmals „brutalistische“ Architektur weltweit

von Karl-Heinz Stier

(08.11.2017) In den 50iger bis 70iger Jahren waren sie die dominierenden Gebäude der Stadtbilder in der Welt. Danach befinden die Beton- Bauwerke, für die im Wesentlichen nur drei Zutaten benötigt wurden: Wasser, Zement sowie ein Gemisch aus Steinen und Sand, auf dem Rückzug. Seit einigen Jahren formieren sich weltweit immer häufiger Kampagnen, die sich für den Erhalt solcher Bauten einsetzen.

Bildergalerie
Begrüßung vor Rundgang der Ausstellung von r.n.l:DAM-Kurator Oliver Elser und Philipp von der Wüstenrot-Stiftung
Foto: Karl-Heinz Stier
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Abriss Historisches Museum in Frankfurt
Foto: DAM
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Wohnblock in Marseille von Le Corbusier
Foto: DAM
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Kirche Saint Nikolas
Foto: DAM - Alain Aubry
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Auch das Deutsche Architektenmuseum(DAM)  in Frankfurt hat sich in diese Kampagne eingeklinkt -  sogar federführend mit dem Slogan „SOS Brutalismus – Rettet die Betonmonster“  und zusammen mit der Wüstenrot Stiftung in einer gemeinsame Ausstellung einen weltweiten Überblick  dieser Architektur gewidmet. Sie geht bis zum 2. April 2018.

Doch- um es gleich vorweg zu sagen – der Begriff Brutalismus hat nichts mit dem Wort „brutal“ zu tun, sondern stammt vom französischen Wort „brut“ für direkt, roh, herb und ist der französische Ausdruck für Sichtbeton. „Brutalistische Architektur zelebriert das Rohe, die nackte Konstruktion – und ist enorm fotogen“, betont Kurator Oliver Elser vom DAM zu Beginn des Rundgangs.

Die expressiven Bauten entstanden in einer Zeit der Experimente, des gesellschaftlichen Aufbruchs. Heute droht etlichen der Abriss oder sie wurden schon abgerissen, wie etwa das Historische Museum, das Technische Rathaus oder der AFE-Turm in Frankfurt. „Wir müssen untersuchen, was steckt hinter diesen Bauten“, folgert Kurator Elser.  Die neue Ausstellung sei die Antwort darauf, dass brutalistische Bauten häufig als hässlich oder technisch veraltet gelten und schneller abgerissen werden als Gebäude aus allgemein akzeptierten Phasen der Architekturgeschichte. In ihrer internationalen Bestandaufnahme  hat das DAM über 1000 Bauten aufgelistet. Einen Ausschnitt davon liefert die Ausstellung  in 12 Regionen der Welt, ergänzt mit ungewöhnlich großen Modellen und Betongüssen, die an der Technischen Universität Kaiserslautern dafür gebaut wurden, und die den Brutalismus neu bewerten sollen.

 Die Ausstellung beginnt mit dem Vorreiter des Brutalismus -  dem Architekten Le Corbusier. Alle seine Bauelemente, bis hin zu den Waschbecken, wird von damaligen Zeitgenossen als „neue Ethik“  in der Architektur, eine Ästhetik, ein Stil, eine Modewelle bezeichnet. In den anschließenden Regionen-Abteilen  der Exposition sind Bauten aus Japan, Brasilien, dem ehemaligen Jugoslawien, Israel und Großbritannien zu sehen. Asien ist eines der wenigen Länder, in denen der Brutalismus nie angekommen ist. Die anti-individualistische Kulturrevolution gab der Bewegung keine Chance.

Im Gegensatz zu den negativen Reaktionen, die viele Bauten zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ausgelöst haben, stießen die Kirchenbauten jener Jahre häufig auf positive Resonanz. Ihre Kargheit ist oft als Kommentar zu den Konsumwellen der Wiederaufbaujahre zu verstehen. Bisweilen stehen sie auch in Kontrast zu den wenig anspruchsvollen Siedlungsbauen ihrer Nachbarschaft.

Die Öffnungszeiten im DAM-Museum am Schaumainkai 43 sind Di, Do – So von 11-18 Uhr; MI 11-20 Uhr, Mo geschlossen.
Weitere Infos unter www.dam-online.de

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Begrüßung vor Rundgang der Ausstellung von r.n.l.:  DAM-Kurator Oliver Elser und Philip Kurz von der Wüstenrot-Stiftung

  
Abriss Historisches Museum in Frankfurt  Foto: DAM
Wohnblock in Marseille von Le Corbusier  Foto: DAM
Kirche Saint Nikolas    Foto: DAM – Alan Aubry