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Letzte Aktualisierung: 26.04.2024

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IG BCE Bezirk Rhein-Main zeigt Geschichte der Berufstätigkeit von Frauen in der chemischen Industrie am Beispiel Evonik

von Ilse Romahn

(20.08.2018) Am 1. August 1907 wurde mit Fräulein Mathilde Schlichting bei der Degussa AG in Frankfurt, einer der Vorgängergesellschaften von Evonik, erstmals eine Frau angestellt. Sie gehörte damit zu den Pionierinnen der Frauenbeschäftigung in der deutschen chemischen Industrie – und blieb lange eine Ausnahme.

Eröffnung der Ausstellung „VerSIErt“ in den Römerhallen(v.l.): Oberbürgermeister Peter Feldmann, Marianne Maehl (Mitglied im Landesbezirksvorstand und Vorsitzende des Bezirksfrauenausschusses IG BCE) und Ralf Erkens (Bezirksleiter IG BCE Rhein-Main).
Foto: Rainer Rüffer
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Wie Frauen bei Evonik und den Vorgängergesellschaften Karriere gemacht haben, welche Hürden sie dazu überwinden mussten, das zeigt die Ausstellung „VerSIErt“, die vom 20. bis 30. August (jeweils Montag bis Samstag) zwischen 12 und 20 Uhr kostenlos in den Römerhallen zu sehen ist. Oberbürgermeister Peter Feldmann hat die Ausstellung am Samstag, 18. August, gemeinsam mit Ralf Erkens, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Bezirk Rhein-Main, Marianne Maehl, Mitglied im Landesbezirksvorstand der IG BCE Frankfurt, Thomas Wessel, Personalvorstand der Evonik Industries AG, Essen sowie der Kuratorin Andrea Hohmeyer, Leiterin des Konzernarchivs, eröffnet.

„Das Unternehmen Evonik hat sich auf den Weg gemacht, die Geschichte von Frauen im Unternehmen historisch aufzuarbeiten. Die Ausstellung ‚VerSIErt – Frauen machen Geschichte bei Evonik‘ zeigt an lebhaften Beispielen den Weg der Frau durch das Unternehmen. 1906 wurde erstmals eine Frau angestellt und 107 Jahre später hat es die erste Frau in den Vorstand geschafft. Sie sehen: Der Weg ist lang und mühsam, aber erfolgreich. Ich freue mich sehr über die Initiative von Ralf Erkens und der IB BCE, die diese Ausstellung erst möglich machte“, sagte Feldmann bei der Eröffnung.

Der Oberbürgermeister betonte zudem, dass Frauen in der Arbeitswelt zum einen Engagement und Durchhaltevermögen brauchen – aber auch Förderung. „Denn es sind immer noch Frauen, die sich hauptsächlich um die Betreuung von Kindern und älteren Angehörigen kümmern. Auch in Frankfurt, wo viele Paare Vollzeitjobs haben, lastet gerade auf Frauen ein hoher Druck, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Hier ist die Politik gefragt, Abhilfe zu schaffen und flexible Betreuungsangebote vorzuhalten“, sagte Feldmann. Doch auch Arbeitgeber seien in der Pflicht, Frauen zu fördern und somit einen wichtigen Beitrag zur Gleichstellung zu leisten.

Das Stadtoberhaupt freut sich, dass die Ausstellung zu Gast in Frankfurt ist. „In diesem Jahr feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht. Das Historische Museum zeigt ab Ende August hierzu eine Ausstellung. Denn die Frauenbewegung hat eine lange Tradition in unserer Stadt. Zum Frauentag im März waren die 52 Kaiser im Kaisersaal mit Frauenporträts verhüllt.“ Frankfurter Frauen seien stark am Erwerbsleben beteiligt und für Frankfurt wichtig: „Sie sind selbstständig, sehr gut ausgebildet und möchten am Arbeits- und Wirtschaftsleben teilhaben.“

Die Ausstellung der IG BCE Bezirk Rhein-Main passe auch deshalb gut zu Frankfurt, weil die chemische Industrie in der Stadt eine bedeutende Rolle spiele. „Frankfurt ist ein starker Standort der chemischen Industrie mit dem Chemiepark im Westen Frankfurts und ein wichtiger Teil des wirtschaftlichen Erfolgs unserer Stadt. Mit der Öffnung des Rathauses für die Ausstellung bekennen wir uns zum Chemiestandort.“

Ermöglicht wird die Schau durch die IG BCE Bezirk Rhein-Main. Bezirksleiter Ralf Erkens betont: „Als Mathilde Schlichting vor 111 Jahren in das Unternehmen eintrat, war dies keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, sondern der erfreuliche Start weiblicher Karrieren in der Arbeitswelt der chemischen Industrie. Heute sind Frauen dort auf allen Ebenen beschäftigt. Auch in Berufen, die noch vor wenigen Jahrzehnten reine ‚Männersache‘ waren, wie der Chemikant oder der Anlagenmechaniker.“

Eine erste regelrechte Beschäftigungswelle von Frauen erlebte die Degussa nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als viele an der Front stehenden Männer hauptsächlich durch ihre Ehefrauen, Schwestern oder Töchter ersetzt werden mussten. Den hohen Anforderungen des Unternehmens entsprach auch Irene Görtz, die im April 1916 ihre Arbeit als Direktionssekretärin aufnahm. Sie gehörte zu den wenigen Frauen, die nach Kriegsende nicht entlassen wurden und trug entscheidend zum Aufbau der Patentabteilung der Degussa bei, in der sie mehr als 40 Jahre tätig war.

Evonik ist das erste Chemieunternehmen im deutschsprachigen Raum, das sich in einer Ausstellung intensiv mit der Entwicklung der Beschäftigung von Frauen im eigenen Unternehmen beschäftigt und die historischen Hintergründe aufzeigt. Die Ausstellung gastierte bereits in zahlreichen deutschen Städten und im Europäischen Parlament in Brüssel.

„Die Berufstätigkeit von Frauen ist immer auch ein Abbild der jeweils gültigen gesellschaftlichen Konventionen. Sie ist geprägt von Brüchen und Kämpfen“, sagt Kuratorin Andrea Hohmeyer, die Leiterin des Konzernarchivs von Evonik. „Unsere Ausstellung macht dies deutlich. Sie zeigt, welche Tätigkeiten Frauen ausübten, welche Karrieren ihnen möglich waren und welche Schwierigkeiten sie meistern mussten.“

Zahlreiche Fotos, Dokumente und Ausstellungsstücke belegen dies. So lernen die Besucher unter anderem Thekla Gross kennen, die Anfang der 1940er Jahre die einzige Betriebssanitäterin für über 1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Röhm & Haas in Darmstadt war. Oder Helene Dittmer, die zahlreiche Generationen von Laborantinnen und Laboranten am Degussa-Standort Hanau-Wolfgang ausgebildet hat. Vorgestellt wird schließlich auch Ute Wolf, die 2013 als erste Frau in den Konzernvorstand einzog.

Die Ausstellung ist vom 20. bis 30. August, jeweils Montag bis Samstag, zwischen 12 und 20 Uhr in der Römerhalle in Frankfurt zu sehen. Der Eintritt ist frei. Kostenlose Führungen können gebucht werden unter: http://www.eventbrite.de und dem Suchwort „VerSIErt“.