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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Bilanz des Beethovenfestes Bonn 2015

von Ilse Romahn

(06.10.2015)  Das Beethovenfest 2015 fand seinen umjubelten Abschluss: Unter der Leitung von Juraj Valèuha spielten die Bamberger Symphoniker in der ausverkauften Beethovenhalle Mauricio Kagels „Variationen ohne Fuge“ über „Variationen und Fuge über ein Thema von Händel“ von Johannes Brahms und das hochvirtuose Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold mit der wunderbaren Arabella Steinbacher. Der Abend endete mit Beethovens „Eroica“. Die Variationen im Finale dieser Sinfonie erinnerten ein letztes Mal an das Motto dieser Saison: „Veränderungen“:

Motto
Die erste Beethovenfest-Saison, die Intendantin Nike Wagner künstlerisch zu verantworten hatte, stand unter dem Motto „Veränderungen“ – das heißt auf musikalisch: „Variationen“. Ausgehend von Beethovens „33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli“ zogen sich Variationen durch das gesamte, sorgfältig komponierte Programm. Variationen erschienen in großen Orchesterwerken und in der Kammermusik, in Besetzungswechseln, inhaltlichen Varianten, Cover-Versions oder dem verschmitzten Variieren von Variationen.
Nike Wagner: „Veränderungen sind das Reizvollste von der Welt“

Großer Auftakt
Prominente Namen der Musikwelt kennzeichneten den Beginn des Festes. Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin gaben ihr Debut in Bonn. Im Rahmen einer Matinee gab es programmatische Perlen. Das Beethoven-Orchester unter der Leitung von Christof Prick mit verschiedenen Varianten des ersten Satzes von Beethovens „Erster“. Nike Wagner erläuterte in einem Festvortrag die Programm-Dramaturgie 2015 und spürte den „Veränderungen“ in der Bonner Kulturszene nach. Mit enormem Beifall bedacht wurde das Eröffnungswochenende von Zubin Mehta mit dem Israel Philharmonic Orchestra sowie von Philippe Jordan mit den Wiener Symphoniker und dem Geiger Nicolaj Znaider abgerundet.

„Diabelli“-Projekte
Zu den Ambitionen des neuen Beethovenfestes gehört es auch, „in die Tiefe“ eines Beethoven-Werkes zu gehen. Beethovens grandioses Spätwerk, die „33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli“ standen diesmal im Focus der Auseinandersetzungen, die „Diabelli-Variationen“. Auf modernem Flügel präsentierte sie der Pianist András Schiff, auf dem Hammerklavier Ronald Brautigam und Studenten der Universität Mozarteum Salzburg stellten die 50 anderen Variationen vor, die Beethovens Zeitgenossen auf Diabellis Walzerthema komponierten. „Diabelli ´81“ hieß eine Veranstaltung, in der Pianist Siegfried Mauser eine Neu-Auflage der „Diabelli-Variationen“ aus dem Jahr 1981 zu Gehör brachte. Abschließend bot der Pianist Jean-François Heisser ein zeitgenössisches Werk aus französischer Feder: „Veränderungen“ von Philippe Manoury.

Orchester-Variationen
In Daniel Barenboims Auftakt-Konzert erklangen Schönbergs Orchester-„Variationen“ und die Wiener Symphoniker hatten Anton Weberns „Variationen“ im Programm. Der rote Faden „Variation“ zog sich auch weiterhin durch die Abende in der Beethovenhalle: Musikalische Zitate, Variationen und Bearbeitungen brachte das Budapest Festival Orchestra unter Iván Fischer mit nach Bonn, Auftritte, die mit einer „Chor-Zugabe“ des Orchesters veredelt und mit Standing ovations gefeiert wurden. Im Rahmen eines aufregenden Gastspiels des Ensembles Anima Eterna Brugge erschienen Beethovens Werke und die seiner Zeitgenossen in einer Klang-Variante – dem „alten“ Klang der historischen Aufführungspraxis. Vertrautes in neuem Licht. Großer Beifall für den Leiter Jos van Immerseel.
Jubel gab es auch für das einmalige Konzert des WDR Sinfonieorchesters, das unter der Leitung seines Chefdirigenten Jukka-Pekka Saraste und in Begleitung des brahmsgeschulten Pianisten Gerhard Oppitz ein intensives „all-Brahms-Programm“ präsentierte.

(Kammer-)musikalische Variationenwerke und Preisträgerkonzerte
Musikalische „Veränderungen“ erschienen auch in den Programmen zahlreicher Kammermusik-Konzerte. Einen der Höhepunkte bildete hier das Konzert der Cellistin Sol Gabetta mit Variationen von Beethoven und Chopin und der variationsreiche Abend des Klavierduos Tal/Groethuysen. Unvergeßlich auch die einzigartige Interpretation von Bachs „Goldberg-Variationen“ durch Sir András Schiff, der seinem Publikum zudem eine persönliche Werkeinführung am Klavier gab.
Zahlreiche Jazz und Cover Versions huldigten Ludwig van Beethoven als genialem Improvisator; sie boten ein facettenreiches musikalisches Crossover.
Begeistert wurden auch die vier Preisträgerkonzerte aufgenommen, bei denen ausgezeichnete junge Musiker ihr Talent einer aufgeschlossenen und kundigen Öffentlichkeit präsentierten.

Neu beim Beethovenfest – Tanz / Performance / Diskussionen
Das Motto „Veränderungen“ fand in verschiedensten Ausprägungen auch in den neuen Formaten großen Anklang: Die Öffnung hin zu zeitgenössischen „jungen“ Kunst-Sparten und spartenübergreifenden Projekten wurde bereitwillig angenommen.

Tanz
Außerordentliche Zustimmung erzielte die neue Sparte zeitgenössischer Tanz: Zwei Weltstars der Choreographie, der flämisch-marokkanische Choreograph Sidi Larbi Cherkaoui und der Japaner Saburo Teshigawara, entwickelten zusammen mit der GöteborgOperans Danskompani den Tanzabend „Spirit“. Einen eigenen Abend - „Landscape“ - gestaltete Saburo Teshigawara mit dem rising star Francesco Tristano, Pianist und Komponist, und der Tänzerin Rihoko Sato. Bachs „Goldberg-Variationen“ in anderer Gestalt! Zudem wagte die vielfach ausgezeichnete Choreographin Stephanie Thiersch mit „Bronze by Gold“ eine Performance mit sieben Tänzern und klassischem Streichquartett – hier dem Asasello-Quartett. Gewagt - gewonnen!

Performance
Stimmkünstler, Alleinunterhalter, Schauspieler und Wissenschaftler zeigten „Veränderungen“ auf ihre Weise: Der niederländische Lautpoet Jaap Blonk variierte ebenso musikalisch-theatralisch wie die „Alleinunterhalter“ Jürg Kienberger und Clemens Sienknecht. Wissenschaftler, Künstler und Experten gestalteten auf Initiative des Theaters Bonn und des Beethovenfestes einen theatralen Kongress mit dem Titel „Save the world II“, der den universellen Klima-Wandel zum Thema hatte.

Diskussionen
Eine diskursive Annäherung an das Thema „Veränderungen“ hatten sich drei Veranstaltungen zum Ziel gesetzt. In Zusammenarbeit mit dem Forum Internationale Wissenschaft der Universität Bonn fand ein Symposion über das „Hören“ statt – von der Beethovenzeit bis heute. Im Rahmen des „Diabelli“-Schwerpunktes beschäftigte sich eine Gesprächsrunde unter der Leitung des Musikwissenschaftlers Jürg Stenzl mit den „Diabelli-Variationen“ in Geschichte und Gegenwart.

Unter dem Titel „Epochenzäsur 1989? Veränderungen in den Künsten“ wurde bei einer prominent besetzten Podiumsdiskussion die Frage erörtert, was sich in der Kunst nach dem gesellschaftlich hochdramatischen Datum – 1989 – in der Kunst verändert hat.

Beethovenfest 2020 / Uraufführungen
Mit Blick auf den 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens initiiert das Beethovenfest eine Reihe von Uraufführungen und vergibt alljährlich Aufträge an große europäische Komponisten. Den Auftakt für 2015 machte der italienische Komponist Salvatore Sciarrino. Sein eigenwillig-poetisches Werk “Wenn wir erwachen“ wurde vom exzellenten SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter der Leitung von Lothar Zagrosek sowie dem Pianisten Alexander Lonquich aus der Taufe gehoben.

Eine weitere originelle Uraufführung bot der Vox Bona Kammerchor unter der Leitung von Karin Freist-Wissing. Der große Chor-Komponist Clytus Gottwald hat Beethovens Goethe-Lieder für Chor a cappella gesetzt!

Campus / Education
Die aus der Inneren Mongolei stammende chinesische Komponistin Zulan war mit ihrem Ensemble „Mongolism“ zu Gast beim neu konzipierten „Campus“-Konzert. Im Auftrag der Deutschen Welle hatte sie ein neues Werk geschrieben, das vom Bundesjugendorchester unter der Leitung von Patrick Lange uraufgeführt wurde. Das Verschmelzen von Klängen aus zwei Welten löste Faszination beim Publikum aus.

Großen Anklang fand auch das Schülermanager-Projekt des Jungen Beethovenfestes Bonn im Auftrag der Telecom: In nunmehr siebter Generation organisierten Schülerinnen das Konzert des Schlagzeug-Virtuosen Martin Grubinger & Ensemble.

Social Media
Das Beethovenfest Bonn ist im Web 2.0. auf Facebook, Google+, Twitter, Vimeo und YouTube präsent: Über die Facebook-Seite werden über 7.100 Fans erreicht, dem Twitter-Account folgen ebenfalls mehr als 7.100 Nutzer. Zudem informiert Google+, die Video-Plattformen YouTube und Vimeo als auch der eigene Blog über das Beethovenfest. Bei zwei Tweetups zu Veranstaltungen des Beethovenfestes wurden insgesamt knapp 350.000 Twitter-Accounts erreicht.

Medienpartnerschaften
Das Beethovenfest Bonn pflegt Medienpartnerschaften mit dem Bonner General-Anzeiger, dem Westdeutschen Rundfunk, Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur und der Deutschen Welle. Das Beethovenfest Bonn ist Kulturpartner von WDR 3. Insgesamt wurden 28 der 54 wurden von den Medienpartnern Westdeutscher Rundfunk, Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur und Deutsche Welle aufgezeichnet oder live übertragen. Über die Deutsche Welle sind Konzerte weltweit im Radio und als Podcast zu hören.

Gesamtetat des Beethovenfestes
4,9 Millionen Euro; 36% davon sind Erträge aus öffentlichen Zuwendungen (Stadt Bonn, Rhein-Sieg-Kreis); Projektförderungen durch Land Nordrhein-Westfalen. Die restlichen Mittel werden durch die Gesellschaft eingeworben (Sponsoren, Stiftungen, Spenden, Verkauf von Eintrittskarten, Medienverwertung).

Sozialverträgliche Eintrittspreise
Dank der Hauptsponsoren und Förderer kann das Beethovenfest sozialverträgliche Eintrittspreise zwischen 8 und 121 Euro anbieten. Unter dem Titel „Für 8 um 8“ bietet das Beethovenfest Bonn Schülern und Studenten (bis 30 Jahre) bei ausgewählten Konzerten garantierte Kartenkontingente an, die an der Abendkasse gegen Vorlage eines gültigen Schüler- und Studentenausweises für jeweils 8 Euro erworben werden können.

Das Beethovenfest Bonn 2016 findet vom 9. September bis 9. Oktober 2016 statt. Das Programm wird im Frühjahr 2016 bekannt gegeben.