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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Grüße und Küsse an alle

Frankfurt liest ein Buch widmet sich der Familiengeschichte Anne Franks

von Ilse Romahn

(31.03.2015)  Frankfurt - Sie kam aus Frankfurt, ihre Familie versteckte sich in einem Amsterdamer Hinterhaus vor den Nazis, vor 70 Jahren kam sie im Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben. Jeder kennt Anne Franks Namen, die meisten ihr Tagebuch. Die Geschichte ihrer großen Familie erzählt vom 13. bis 26. April das Lesefest Frankfurt liest ein Buch.

Es ist ja nicht so, dass der Name Anne Frank, dass die Geschichte des 1929 in Frankfurt geborenen jüdischen Mädchens, das 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen starb, unbekannt wäre. Generationen von Schülern haben im Deutschunterricht als Pflichtlektüre „Das Tagebuch der Anne Frank“ gelesen. Und sie tun es bis heute. Das Tagebuch des 14-jährigen Mädchens Anne, das 1934 mit den Eltern vor den Nationalsaozialisten in die Niederlande floh, sich seit Sommer 1942 in einem Hinterhaus in Amsterdam verstecken musste, ist bis heute ein historisches Dokument aus der Zeit der Judenverfolgung. Anne Frank ist eine Symbolfigur für alle diejenigen, die Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes wurden.


Großeltern Anne Frank
Foto: Familienarchiv Elias/Anne Frank-Fonds.Basel
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Schatz auf dem Dachboden
Nun gibt es weitere Hinterlassenschaften, die Auskunft geben über das Leben der Frankfurter Familie Frank. Bernhard „Buddy“ Elias, der am 16. März in Basel im Alter von 89 Jahren verstarb, war Cousin von Anne Frank und der letzte direkte Verwandte, der noch über sie Auskunft geben konnte. Er hütete über Jahrzehnte auf dem Dachboden seines Hauses in der Baseler Herbstgasse zahllose Briefe, Dokumente und Fotos der Familie Frank. Die Sammlung gilt als Sensationsfund, weil sie einen tiefen Einblick in das Alltagsleben einer Frankfurter Familie des jüdischen Bürgertums erlaubt.

Anne Frank aus der Außensicht
„Grüße und Küsse an alle“ ist ein Buch, das einen engen Bezug zu Frankfurt hat. Manchen Schauplatz werden diejenigen, die es lesen oder sich daraus vorlesen lassen, sofort erkennen. Wenn etwa erwähnt wird, das Anne Franks Ururgroßvater als kleiner Junge in der Judengasse lebte. Die Großmutter Alice, eine Bankiersgattin, führte ein weltoffenes Haus in Frankfurt, bis die Familie unter dem Druck der politischen Verhältnisse in Deutschland auswanderte und in London, Basel, Amsterdam eine neue Heimat suchte – die indessen nicht alle Franks fanden.

Dank der einzigartigen Dokumente und des Buches von Mirjam Pressler wissen wir, dass sich alljährlich die Familienmitglieder, ansonsten über ganz Europa verstreut lebend, am Silser See in den Schweizer Bergen trafen, um den Sommer gemeinsam zu verbringen. Wir erfahren weitaus mehr über den Teenager Anne Frank, als ihre Tagebücher es uns offenbaren. Im Licht ihrer Familiengeschichte erklären sich ihre Neugier, ihr Wissensdurst, ihre Empathie und, ja, auch ihre Keckheit. Mirjam Pressler ist eine einzigartige wie exemplarische Geschichte der jüdischen Frankfurter Familie Frank gelungen, die sich liest wie ein großer schicksalhafter Familienroman.

Briefe und Fotos aus der Vergangenheit
In einem Nachwort beschreibt Gerti Elias, die Witwe von „Buddy“ Elias, wie das, was das Buch „Grüße und Küsse an alle“ erst möglich machte, nämlich das Konvolut von Briefen, Dokumenten und Fotos der Familien Frank und Elias aufgefunden wurden. Sie schildert die Zusammenarbeit mit Mirjam Pressler, die alle Familienmitglieder eingehend und ausführlich befragt hatte.

Dass dieses Buch möglich wurde, dürfte der Initiative von Gerti und „Buddy“ Elias zu verdanken sein. Gerti Elias berichtete 2011 dem Anne-Frank-Fond von ihrem Dachboden-Fund. Sogleich wurde ein erfahrener Historiker damit betraut, die Dokumente zu archivieren. Fast zwei Jahre habe das gedauert, berichtet Gerti Elias. Anschließend wurde alles dem Archiv des Anne Frank Museums in Amsterdam geschickt, um dort jedes einzelne Dokument digitalisieren zu lassen. Die Sammlung befindet sich aktuell dort als zeitlich begrenzte Leihgabe.

Erinnerung für Generationen
Die Entscheidung, aus dem Material ein Buch zu machen, sei geradezu zwangsläufig gewesen, erzählt Gerti Elias. Bei der Autorenauswahl sei man rasch auf Mirjam Pressler gekommen, schließlich hatte sie bereits die Kritische Ausgabe der Tagebücher der Anne Frank übersetzt und die neue Leseausgabe zusammengestellt.

Das jährliche städtische Lesefest Frankfurt liest ein Buch geht in diesem Jahr in die sechste Runde. Der gleichnamige Literaturverein widmet sich mit seinem einzigartigen Projekt in diesem Jahr der Geschichte einer der berühmtesten Frankfurter Familien.

Sylvia A. Menzdorf
Presse und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, PIA