Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

Werbung
Werbung

Algarve: Licht, Sonne und Meer

Drei komplett unterschiedliche Küstenabschnitte formieren Europas Südwesten

von Karin Willen

(28.06.2017) Europas wahre Terra incognita liegt an einer eigentlich gut bekannten Küste: an der Algarve in Portugal. Westlich der berühmten Fels-Algarve erstreckt sich die wilde Costa Vicentina, ein Geheimtipp für Wanderer, Radfahrer und Surfer. Aber auch die bekanntere Fels-Algarve und die ländlicher Familienküste Sand-Algarve warten noch auf ihre Entdeckung.

Bildergalerie
Europas Wanderparadies: Costa Vicentina, der westliche Algarve-Abschnitt
Foto: ATA
***
Ländlich und grün: Aljezur an der Costa Vicentina
Foto: ATA
***
Radfahren mit Weitblick: In der Algarve führen Radwege auch an die Küste
Foto: ATA
***
Mit dem Fernrohr auf der Pirsch: Tierbeobachtung in der Ria Formosa
Foto: ATA
***

„Go with the flow“, hat ein begeisterter Wanderer in großen Lettern auf einer Ruine am Anfang des Fischerpfades ganz im Westen hinterlassen. Ob einige das zu wörtlich genommen haben und so über den winzigen Trampelpfad zwischen Lackzistrosen und Wacholderbüschen direkt an den dramatisch abfallenden Klippenrand gelangt sind, statt weiter auf der Küstenroute der 350 Kilometer langen Rota Vicentina zu wandern? Vermutlich haben Perceveiros, Entenmuschelfischer, den Pfad an Europas eindrucksvollster Küste getrampelt. Befestigte derbe Seile, die tief unten in Klippenfalten verschwinden, verraten ihr Revier. Diese Fischer tragen den gleichen Dress wie die verwegenen Surfer, die vor der wilden Küste auf die perfekte Welle lauern: dickes Neopren. Nur – sie arbeiten unter Lebensgefahr direkt in der tosenden Brandung an den Klippen.

Lebenselixier Atlantik
Der Atlantik war schon immer das Lebenselixier der Algarvios. Fast die Hälfte der Nordatlantikfische laichen hier. Zu Zeiten der Römer und bis vor ein paar Jahren half der Portugiesische Wasserhund den Fischern, ihre Netze voll zu kriegen. Ein großer Teil des Fangs wurde zu Garum verarbeitet. Die Amphoren mit dieser Fisch-Würzpaste fürs römische Streetfood erreichten den Rest des großen Reiches über Lagos. Das Salz dafür lieferte die ruhige-flachen Sand-Algarve östlich der wilden Costa Vicentina und der kosmopolitischen Fels-Algarve. Heute wird im Naturpark Ria Formosa in einigen Becken auf der flachen, zerfließenden Linie von Marschen, Lagunen, Prielen, Dünen, langen Sandstränden und zauberhaft zeitentrückten Inselchen das kostbare Flor de Sal geharkt.

Sonnige Salzgärten und Seepferdchen
Ein weitläufiges maritimes Paradies in Europas südwestlichem und sonnenbeschienensten Zipfel: Neben den flirrend sonnigen Salzgärten staksen Wattvögel. Oben flattern Königsfischer, Purpurhuhn und Flamingo vorbei. Und unter Wasser hat in den Seegraswiesen die weltgrößte Population der seltenen Seepferdchen ihr Revier, während weiter seewärts Delfine um die Touristenboote springen und Taucher mit Thunfisch-Schwärmen schwimmen oder Wracks und Korallengärten erforschen.

Was die Fischer aus dem Meer geholt haben, finden Einheimische und Touristen täglich frisch in der großen Fischhalle in Olhão. Das Flor de Sal hilft neben Olivenöl und Kräutern aus dem Hinterland beim Regenerieren in den Spas zwischen Lagoa und Faro. Und nach Entenmuscheln halten gewiefte Touristen in Vila do Bispo vor einfachen Snackbars Ausschau. „Há perceves“-Schilder in den Fenstern sind das Zauberwort: „Wir haben Entenmuscheln“. Die Algarvios essen das Muskelfleisch der raren Krebsart mit Brot und Bier. Übrigens zu weitaus günstigeren Preisen als in Galicien, wo die Meeresfrüchte sonst noch von den Felsen gekratzt werden.

Letzte Bratwurst vor Amerika
Andere Touristen trifft man dann am Imbissstand in Cabo de São Vicente, wo zwei Deutsche ihnen die „Letzte Bratwurst vor Amerika“ servieren. Der Trubel am Leuchtturm und am Fort lässt vergessen, dass die Römer hier einst die Götter wohnen sahen und das meerumtoste Kap als das Ende der erreichbaren Welt galt − bis die kühnen Entdecker unter Heinrichs Flagge hier in See stachen.

Dazwischen war das Kap für die Mauren, die das Land als Al Gharb 500 Jahre lang im Griff hielten, Ziel einer Pilgerfahrt durch die iberische Halbinsel. Heute weltlich wiederbelebt durch den zweiten großen Fernwanderweg, die Via Algarviana. Sie führt über das stille Hinterland mit seinen versprengten Dörfern in Richtung Alcoutim an der Grenze zu Spanien.

Stadtbilder wie im 18. Jahrhundert
Als die katholische Reconquista das Land im 13. Jahrhundert zurück eroberte, mochte das Volk von vielem Maurischen nicht lassen. Allerdings überdauerte die Architektur der arabischen Hochkultur das Erdbeben von 1755 nicht. So kommt es, dass sich heute die meisten Innenstädte wie im 18. Jahrhundert präsentieren. Im Hinterland blühen weiter die eingeführten Zitrusfrüchte, Mandel- und Johannisbrotbäume. An Fassaden und Wänden leuchten kunstvolle blaue Fliesen, die Azulejos. Und filigran anmutende, verzierte Kamine prangen auf den Hausdächern. Auch sieben Jahrhunderte nach den Mauren hat sich deren Minarett-Anmutung erhalten.

Fisch, Fisch, Fisch
Nur mit den hübschen Türmchen auf den Häusern in der idyllischen Altstadt von Faro hat es eine andere Bewandtnis. Das waren Ausgucke von Fischhändlern. Noch auf See zeigten die Fischer mit Flaggen Qualität und Quantität ihrer Beute an, damit der Handel zügig beginnen konnte. Entweder frisch auf den Tisch oder in die Konservenbüchse. So lernt man es jedenfalls in der Fischkonserven-Manufaktur Saboreal in Parchal bei Portimão. Die neue Manufaktur bedient mit alten Maschinen den wiederaufgelebten Trend nach Petiscadas, portugiesischen Häppchen, allerdings nicht mit nostalgisch verzierten Dosen, sondern in Gläsern.

Sterneköche und Traum-Spas
Portimão hatte es Ende des 19. Jahrhundert weit gebracht als „Sardinenhauptstadt", wie das örtliche Museum zeigt. Fast 60 Fischkonservenfabriken sorgten damals für Arbeit und Wohlstand. Lediglich eine überlebte die Öffnung der europäischen Märkte. Dagegen hält sich Bacalhau, getrockneter Kabeljau, prächtig und hat sogar Eingang in die Haute Cuisine gefunden. Dieter Koschina, der österreichische Zwei-Sterne Koch im Vila Joya in Albufeira, serviert den portugiesischen Stockfisch zum Beispiel mit roter Beete und Joghurt.

Portugals Genusszentrum
Wie sein Kollege Hans Neuner vom Ozean im Vila Vita Parc in Armação de Pêra, der ursprünglich aus Dresden kommt,  setzt Koschina voll auf lokale Produkte. Die beiden haben neben den vier Ein-Stern-Köchen im weiteren Umkreis des Goldenen Dreiecks der schicken Ferienresorts Quinta do Lago, Vale do Lobo und Vilamoura kräftig am Image der Algarve als Portugals Genusszentrum gewirkt. In Vilamoura trifft man sich zur blauen Stunde übrigens gern in der preisgekrönten Marina zum Cocktail. Dass rundherum das Wellness-Angebot wächst und man darunter einen „Most Life Changing Spa“ (Tatler Award über das Vilalara Longevity Spa) findet, wird nicht die einzige Entdeckung sein, die Touristen an der Algarve machen können.

Informationen:
Der Portugalspezialist Olimar hat das vielfältigste Angebot für die Algarve. Servicehotline: 0221 20590 490.

Seit 2015 ist der 350 km lange Fernwanderweg „Rota Vicentina“ komplett markiert. Er führt durch den Naturpark im äußersten Südwesten Kontinentaleuropas, dessen spektakuläre Küste zu den ursprünglichsten und schönsten Südeuropas zählt und besteht aus dem „Trilho dos Pescadores“ (Fischerpfad) entlang der Küste und dem „Caminho Histórico“ (Historischer Weg) durchs Hinterland.