Letzte Aktualisierung: 07.02.2025
Zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz
von Ilse Romahn
(27.01.2025) Jüdisches Museum Frankfurt tritt dem Verblassen der Erinnerung an das Menschheitsverbrechen sowie den das Museum erreichenden Feindseligkeiten entschieden entgegen.
80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz sind Überlebende, deren Nachkommen, sowie jüdische Personen, Institutionen und Restaurants einem massiven Anstieg von Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt. In Gedenk- und Erinnerungsstätten mehren sich Vandalismus und Verunglimpfung.
Auch das Jüdische Museum Frankfurt, mit seinem Komplex am Bertha-Pappenheim-Platz, dem Museum Judengasse an der Battonnstraße, der Gedenkstätte Börneplatz und der Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle, hatte im vergangenen Jahr eine deutliche Zunahme an Vorfällen zu verzeichnen. Die Museumsdirektorin, Prof. Mirjam Wenzel, wurde im Frühjahr bei einer Lesung im Hamburger Bahnhof in Berlin als „Zionistin“ und „Rassistin“ beschimpft und mit „Shame on you“-Rufen niedergebrüllt; ein Koch des Life Deli im Herbst beim Verlassen des Museums von einer Gruppe junger Männer beschimpft, dass er „mit Juden zusammenarbeitet“. Die Stellvertretende Direktorin, Eva Atlan, war zweimal Zeugin des Gebrülls „Scheiß Juden“ aus einem vorbeifahrenden Auto am Jüdischen Museum.
Des Weiteren erhält das Museum antisemitische Beschimpfungen per Mail, Post und via Social-Media-Posts und -Nachrichten. Im Museum selbst mussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hakenkreuze und Free-Palestine-Sticker von Feedback-Möglichkeiten in den Ausstellungsräumen sowie diverse Schmierereien im Außenbereich des Museums Judengasse entfernen. An der Erinnerungsstätte Großmarkthalle findet das Museumsteam häufig Graffitis und andere Verschmutzungen vor, die dann von der Stadt Frankfurt umgehend entfernt werden. Im Verlauf des Jahres 2024 hat das Jüdische Museums insgesamt zwölf Strafanzeigen gestellt; 2025 sind es bis dato vier.
Mehr denn je zeigt sich, dass die Erinnerung an das Menschheitsverbrechen der Schoa nicht selbstverständlich ist, ja sogar, dass die Notwendigkeit des Erinnerns zunehmend in Frage gestellt wird. Dem tritt das Jüdische Museum mit seiner Gedenk- und Erinnerungsarbeit entschieden entgegen – offline und online, mit folgenden Projekten, Führungen, Ausstellungsinhalten und Bildungsangeboten:
Vermittlung der Geschichte vor Ort
Das Jüdische Museum bietet Führungen über die Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle, für Schulklassen werden diese um Workshops ergänzt. Zudem bietet das Jüdische Museum Touren durch das jüdische Ostend und die Ostend-Ausstellung im Bunker an und betreuen die Gedenkstätte Börneplatz.
Geschichte in persönlichen Geschichten
Das Shoah Memorial Frankfurt unter shoah-memorial-frankfurt.de ist die digitale Erweiterung der Gedenkstätte Börneplatz und stellt die Biografien der mehr als 12.000 Menschen dar, die aus Frankfurt deportiert und ermordet wurden. Im Raum „Zerstörte Leben“ in der Dauerausstellung im Rothschild-Palais erzählt das Museum wie das Leben von Frankfurterinnen und Frankfurtern oder solchen Personen, die für eine Weile in Frankfurt gelebt haben, durch die Schoa zerstört wurde. Prominentestes Beispiel ehemaliger Frankfurter ist die Familie von Anne Frank, der sich das Familie Frank Zentrum im ersten Stock der Dauerausstellung widmet. Aktuell findet sich auf der Website des Museums ein Blog zur Befreiung von Otto Frank unter juedischesmuseum.de/blog.
Veranstaltungen und Kooperationen zur Stärkung der Erinnerungsarbeit
Von Montag, 27. Januar, an sind in der Bibliothek des Jüdischen Museums eine Woche lang von der Claims Conference produzierte Videos zu sehen. Mehr als 80 Überlebende erzählen darin über ihre Zeit der Verfolgung, über ihre Freunde und Familien.
Ferner widmet das Museum sein Veranstaltungsprogramm im Januar dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Unter dem Titel „Wehrhafte Erinnerungsarbeit“ diskutierten Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, und Nikolas Lelle von der Amadeu Antonio Stiftung über Strategien im Umgang mit Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus. Ein Gesprächskonzert „Verfemte Musik“ mit der Pianistin Çağla Gürsoy und dem renommierten Trio Delyria brachte Werke von Komponisten, Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu Gehör, die von den Nationalsozialisten verfolgt und geächtet wurden.
Für Schulklassen bietet das Jüdische Museum Frankfurt in den Wochen um den 27. Januar eine vertiefende Beschäftigung mit der Schoa sowie speziell dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz an. Details sind unter dem Blogbeitrag 80 Jahre Befreiung von Auschwitz zu finden.
Digital erinnert das Jüdische Museum auch mit dem Format #onthisday auf Facebook, Instagram und Bluesky regelmäßig an Personen oder Familiengeschichten. Mit großer Resonanz – auf Facebook beispielsweise mit mehr als 13.000 Views pro Beitrag.
Jüdische Erinnerungspraktiken vermittelt die aktuelle Wechselausstellung „Im Angesicht des Todes“. Besucherinnen und Besuchern, die sich vertiefend damit auseinandersetzen wollen, ist der Katalog zur Ausstellung zu empfehlen. Dieser liegt zur Ansicht aus; unter anderem auch in der öffentlichen Bibliothek.
Mit all diesen Angeboten kommt das Jüdische Museum dem erfreulicherweise anhaltenden Bedürfnis von Besucherinnen und Besuchern nach, sich explizit mit Gedenken und Erinnern zu beschäftigen: An den Führungen über die Erinnerungsstätte Großmarkthalle haben im vergangen Jahr mit rund 2200 Besuchenden mehr Menschen teilgenommen als in 2023. Auf dem Jüdischen Friedhof an der Gedenkstätte Börneplatz hat das Museumsteam im vergangenen Jahr rund 3700 Besucherinnen und Besucher gezählt.
Angesichts des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz und dem bevorstehenden Ende der Zeitzeugenschaft setzt das Jüdische Museum zu Beginn des Jahres 2025, wie Museumsdirektorin Wenzel erklärt, „alles daran, dem zunehmend zu Tage tretenden Antisemitismus und Rassismus mit aktiver Erinnerungsarbeit entschieden entgegen zu wirken“. (ffm)