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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Zukunft für die Heilbäder und Kurorte in Hessen

von Ilse Romahn

(28.09.2020) Mit einem Appell richten sich die 30 Heilbäder und Kurorte in Hessen an die hessische Landesregierung. Die Krise trifft die prädikatisierten Orte hart, vielleicht härter als viele andere Kommunen. Gleichwohl sind die Heilbäder und Kurorte mit ihren Angeboten für Prävention und Rehabilitation unverzichtbarer und systemrelevanter Teil der Gesundheitswirtschaft.

„Die Existenz der 30 Heilbäder und Kurorte in Hessen muss sichergestellt werden“. Mit Blick auf die überaus angespannte Haushaltssituation der Kommunen macht der Vorsitzende des Hessischen Heilbäderverbandes, Michael Köhler, deutlich, dass die Pandemie für die prädikatisierten Orte zu einer Frage des Überlebens geworden ist. „Wir brauchen deshalb dringend Hilfsprogramme, um die Auswirkungen der Pandemie abzumildern. Gleichzeitig müssen die Gesundheitszentren die Chance haben, sich mit der Situation weiterzuentwickeln und Programme zur Vorsorge und Behandlung von neuartigen Erkrankungen zu erstellen. 

Zu den Forderungen der Heilbäder und Kurorte gehören deshalb der volle Ausgleich in Höhe der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Mindereinnahmen im Bereich der Kurabgabe oder Tourismusabgabe ebenso wie eine Anpassung der „Zuweisungen zu den Belastungen der Heilkurorte“, des so genannten Bäderpfennigs. Dieser Ausgleich ist von hoher Bedeutung, weil die vielfach monostrukturierten Kurorte meist auf eine gewerbliche Ausrichtung verzichten müssen und darüber hinaus Kliniken kaum Grund- oder Gewerbesteuer zahlen.“ 

„Wir wollen auch weiterhin einen hohen Beitrag zur Gesundheit - gerade in diesen schwierigen Zeiten - leisten“, mahnt Köhler die Dringlichkeit für die Heilbäder und Kurorte in Hessen aktiv zu werden an. „Das können wir aber nur, wenn gesichert ist, dass die Infrastruktur auch weiterbetrieben werden kann. Kur und Tourismus müssen daher auf der kommunalen Ebene für die prädikatisierten Orte als Pflichtaufgabe etabliert werden.“ Diese Forderung mag zwar „klein“ erscheinen, sie könnte aber eine katastrophale Situation verhindern. Denn würden beispielsweise Thermen dauerhaft schließen oder Heilquellen „vom Netz genommen“ werden, müssten die Heilbäder und Kurorte ihr Prädikat abgeben. Damit stünde eine tiefgreifende Veränderung der kurspezifischen und touristischen Landschaft in Hessen bevor, die besonders den ländlichen Raum trifft. Hier sind 20 der 30 hessischen Heilbäder verortet und sorgen mit ihren Angeboten unter anderem für eine hochwertige medizinische Versorgung. Die positiven wirtschaftlichen Effekte daraus sind branchenübergreifend zu spüren. 

90 Prozent der stationären Vorsorge- und Rehabilitationskliniken liegen in den Heilbädern und Kurorte, die in einem enormen Maße von den kurspezifischen Einrichtungen profitieren. Ein Wegzug der Kliniken bedeutet den Verlust von Arbeitsplätzen. 40.000 stellt dieser Teil der Gesundheitswirtschaft aktuell zur Verfügung und hilft wiederum gerade in den ländlichen Regionen einem Fachkräftemangel vorzubeugen.  

Die Situation spitzt sich für die Heilbäder und Kurorte in der Zwischenzeit zu. Denn allein aus dem Bereich der Thermen und Bäder werden nach den ersten Hochrechnungen bis Ende des Jahres den prädikatisierten Orten über 13 Millionen Euro fehlen. Dazu fallen in diesem Jahr mindestens weitere 4 Millionen Euro aus der Kurtaxe weg. Diese Einnahmen tragen jedoch in einem erheblichen Maß dazu bei, die kurspezifischen Einrichtungen wie Kurparke, Wanderwege oder auch den Heilquellenausschank zu finanzieren. Einen weiteren schweren Einbruch verzeichnen die Heilbäder und Kurorte im Bereich ihres Geschäftsbereiches „Tagungs- und Veranstaltungswirtschaft“. Über das Jahr hinweg brechen auch hier 10 Millionen Euro Einnahmen weg. 

Die Geschäftsführerin des Hessischen Heilbäderverbandes Almut Boller ist davon überzeugt, dass die prädikatisierten Orte Garanten für eine gesunde Zukunft sind. „Nie zuvor waren die Heilbäder und Kurorte in Hessen so wertvoll wie heute. Nie zuvor wurde so deutlich, wie wichtig die natürlichen Heilmittel und die kurspezifischen Einrichtungen sind … gerade für die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb müssen wir alles dafür tun, um die Heilbäder und Kurorte in Hessen erfolgreich in die Zukunft zu führen.“ 

Neuer Vorstand des Hessischen Heilbäderverbandes: Zukunft wird aus Mut gemacht
Der Hessische Heilbäderverband hat einen neuen Vorstand. Einstimmig votierten die Heilbäder und Kurorte in Hessen in ihrer Mitgliederversammlung für Bad Zwestens Bürgermeister Michael Köhler und sein neues Team, das sich um ihn gruppiert. Ihm zur Seite stehen als stellvertretende Vorsitzende Günter Göpfert, Wiesbaden, und Kurdirektor Holger Reuter, Bad Homburg v.d. Höhe, der diese Position erstmals inne hat.

Weiterhin sind im Vorstand vertreten Bürgermeister Ralf Gutheil, Bad Wildungen, Geschäftsführer Steffen Schneider, Bad Nauheim,Bürgermeister Thomas Trachte, Willingen, und Kurdirektor Stefan Ziegler, Bad Soden-Salmünster.

Europa-Angelegenheiten sind das Thema von Dr. Dirk Thom, Bad Orb. Den Ausschuss für „Marke und Identität“ führt Bürgermeister Julian Schweitzer, Bad Endbach, den Ausschuss für Betriebswirtschaft soll zukünftig Markus Oberndörfer, Bad Schwalbach, verantworten. Die Geschäftsführung hat Almut Boller, Wiesbaden, inne.

„Die Heilbäder und Kurorte in Hessen stehen gerade in diesen Zeiten vor enormen Herausforderungen,“ erklärt der Vorsitzende Michael Köhler. „Die Auswirkungen der Pandemie auf die prädikatisierten Orte werden zu deutlichen Einschnitten in der Angebotsstruktur führen. Wir tun alles dafür, dass die Heilbäder und Kurorte mit ihrer medizinisch-therapeutischen Kompetenz und mit ihrer kurspezifischen Infrastruktur erhalten bleiben.“ Auch deshalb setzt der Vorstand um Michael Köhler auf die inhaltliche und strategische Neuausrichtung des Verbandes und seiner 30 Mitglieder. Kern des Richtungswechsels ist die Marke DIE KUR, die der Hessische Heilbäderverband neu begründet hat und die zukünftig noch stärker im Markt platziert werden soll. Der tradierte Begriff „Kur“ wird inhaltlich modern ausgestaltet, in den Kurorten authentisch erlebbar und zeitgemäß beworben. Köhler ist überzeugt, dass der Heilbäderverband dabei den Zeitgeist trifft. 

Darüber hinaus gelte es, die Interessen des Kur- und Bäderwesens deutlich nach außen zu vertreten. „Ich danke für das Vertrauen und freue mich auf meine neuen Aufgaben als Vorsitzender“, betont Michael Köhler mit Blick auf die gemeinsame Arbeit mit dem Vorstand des Hessischen Heilbäderverbandes, und den Kurs in Richtung Zukunft. „Das gestiegene Bewusstsein der Menschen für sich und ihre Abwehrkräfte erhöht auch die Bedeutung der Bäderzentren und ihrer hochqualifizierten Angebote und Kompetenzen. Das trägt bereits jetzt dazu bei, dass die Heilbäder und Kurorte rund 40.000 Menschen Arbeit in der Gesundheitswirtschaft geben können.“ 

Gleichwohl verzeichnen auch die Heilbäder und Kurorte in diesen Zeiten einen Rückgang der Übernachtungen von rund 45 Prozent (Vergleich Januar bis Juni 2019 / 2020). Die Einnahmeverluste aus den Tätigkeiten für Kur und Tourismus liegen aktuell bei rund 27 Millionen Euro. Deshalb appellieren die Heilbäder und Kurorte an die hessische Landesregierung, die Heilbäder und Kurorte als systemrelevanten Teil der Gesundheitswirtschaft anzuerkennen. Gefragt ist ein Sonderprogramm in Höhe von mindestens 20 Millionen Euro über drei Jahre, um die Heilbäder und Kurorte zielgerichtet weiterentwickeln zu können.

Weitere Informationen sind unter www.hessische-heilbaeder.de erhältlich.