Letzte Aktualisierung: 11.10.2024
Zeitzeugenschaft? Ein Erinnerungslabor bis 4. Mai 2025 in „Frankfurt Jetzt!“
von Ilse Romahn
(23.09.2024) Am 18. September hat das Historische Museum Frankfurt (HMF) die Stadtlabor-Ausstellung „Zeitzeugenschaft? Ein Erinnerungslabor“ sowie die Wanderausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft?“ eröffnet. Letztere wurde vom Jüdischen Museum Hohenems und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg erarbeitet und für Frankfurt modifiziert; beide zusammen sind seit Donnerstag, 19. September, zu sehen.
Was geschieht, wenn die letzten Überlebenden der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht mehr selbst über ihre Erfahrungen berichten können? Über diese Frage wird schon lange diskutiert. Das Ende der Ära der Zeuginnen und Zeugen von Verfolgung, Drangsalierung und Massenvernichtung im Nationalsozialismus ist seit 1945 absehbar – seit jenem Moment, als diejenigen, die dem zur Regel gewordenen gewaltsamen Tod entgangen waren, sich Worte abgerungen haben. Die Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft?“ zeigt Interviews von Überlebenden und macht gleichzeitig die „Gemachtheit“ dieser Interviews sichtbar. Sie lenkt den Blick darauf, wie und warum damals etwas erzählt wurde. Ein historischer Abriss zeichnet nach, wie sich die gesellschaftliche Rolle von Zeitzeuginnen und -zeugen seit 1945 entwickelt und verändert hat. In Frankfurt gibt es viele Institutionen und Initiativen, die sich dafür engagieren, Lebensgeschichten von Zeitzeuginnen und -zeugen des Nationalsozialismus zu bewahren. Beispiele ihrer Arbeit sind auf einer Medienstation zu sehen. Für die Ausstellung wurde lokales Videomaterial aus dem Archiv des Fritz Bauer Instituts und des HMF herangezogen.
Der Begriff „Zeitzeugenschaft“ geht hier über den der Zeitzeuginnen und -zeugen weit hinaus, steht doch im Zentrum nicht die Frage: Wer erzählt was? Sondern die Überlegung, wie die biografischen Dokumente in eine Sammlung gelangt sind, und welchen Umgang sie heute erfordern. Auch die Umstände ihrer Entstehung sind zu berücksichtigen, etwa: Wie verlief das Interview? Wie wurde es damals rezipiert? Wie wurde es in späteren Jahren unter veränderten zeithistorischen Bedingungen wahrgenommen? Denn Zeitzeugenschaft existiert nicht von sich aus, sondern wird im Kommunikationsprozess hergestellt.
Mit der Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft?“ geht eine zweite Ausstellung in den Dialog: Was macht Erzählungen über die Vergangenheit für die Gegenwart relevant? Was könnten Zeitzeugnisse heute bedeuten? 25 Frankfurterinnen und Frankfurter haben sich im partizipativen Prozess des „Erinnerungslabors“ mit diesen Fragen auseinandergesetzt. In den elf höchst unterschiedlichen Beiträgen liefern sie Antworten. Dabei geht es unter anderem um Migration und Aktivismus, um Kindererziehung, die Universität, Queerness, Krieg und Künstliche Intelligenz.
Beide Ausstellungen sind bis Sonntag, 4. Mai, im Ausstellungsbereich „Frankfurt Jetzt!“, Ebene 3, des HMF, Saalhof 1, zu sehen. Dazu wurde ein vielseitiges Rahmenprogramm in Zusammenarbeit mit dem Fritz Bauer Institut, dem Deutschen Exilarchiv, dem Deutschen Filminstitut & Filmmuseum, dem Jüdischen Museum Frankfurt und dem Jungen Schauspiel Frankfurt entwickelt. Weitere Infos zur Ausstellung gibt es unter historisches-museum-frankfurt.de/stadtlabor/zeitzeugenschaft. (ffm)