`Woche gegen das Vergessen` im Holzhausenschlösschen

Foto: Sven Fleischmann
Als einen „gefährlichen Löffel“ hat die Dichterin Hilde Domin das Vergessen bezeichnet: Wer mit ihm Geschichte zu sich nimmt, verwandelt sich in einen Schatten. Je länger das NS-Regime zurückliegt und je weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen noch leben, desto wichtiger wird es, Erinnerungen wach zu halten und zu erneuern.
Der Frankfurter Bürgerstiftung ist dies seit über 25 Jahren ein Anliegen, und so findet auch diesen November in zeitlicher Nähe zur Reichspogromnacht am 9.11. wieder eine „Woche gegen das Vergessen“ im Holzhausenschlösschen statt. Dieses Jahr sind die Veranstaltungen besonders vielseitig und schaffen Verbindungslinien zwischen Klassik, Musical, Kabarett, Literatur und Schauspiel. Gefördert werden die Aufführungen von der Adolf Christ Stiftung.
Zuerst erhält die Musik das Wort, wenn das Mandelring Quartett in einer Streichquartett-Matinee am 3.11. (11:00 Uhr) an drei jüdische Komponisten erinnert. Erwin Schulhoff starb nach seiner Deportation auf die Wülzburg, Berthold Goldschmidt und Erich Wolfgang Korngold gelang die Flucht ins Exil. Mit einführenden Worten werden die Musiker dem Publikum Einblicke in ihre besondere Beziehung zum selten aufgeführten Werk von Berthold Goldschmidt geben. Das Mandelring Quartett zählt zu den profiliertesten Streichquartett-Ensembles von heute mit weltweiter Tourneetätigkeit, preisgekrönten Aufnahmen und Auftritten bei namhaften Festivals.
Weiter geht es am Montag, den 4.11. (19:30 Uhr), mit einem Stück, das im Holzhausenschlösschen stets großen Anklang gefunden hat: Georg Kreislers „Heute Abend: Lola Blau“. Das Musical ist eine „one woman show“ für eine Künstlerin, die wirklich alles können muss: Sprechen, Deklamieren, Singen, Schauspielern – und in einem Augenblick glaubhaft von Komik zu Tragik wechseln. Sabine Fischmann beherrscht all dies, und die Frankfurter Bürgerstiftung freut sich auf ein Wiedersehen mit ihr und Markus Neumeyer, der den (nicht weniger vielseitigen) Klavierpart übernimmt. Die Inszenierung wird durch Tonaufnahmen der Zeitzeuginnen Aviva Goldschmidt und Eva Szepesi bereichert, die aus ihren Biografien erzählen. Zwei weitere Vorstellungen von „Heute Abend: Lola Blau“ folgen am Dienstag, den 5.11. und Donnerstag, den 7.11. (jeweils 19:30 Uhr).
Am Mittwoch, den 6.11. (19:30 Uhr), schlägt der Frankfurter Musikkabarettist und Kabaretthistoriker Jo van Nelsen ein weitgehend tabuisiertes Kapitel der deutschen Kabarett- und Zeitgeschichte auf. In seiner Grammophon-Lesung „Kabarett im KZ“ erzählt er von den Schicksalen jüdischer Unterhaltungsstars der Weimarer Republik (Isa Vermehren, Willy Rosen, Paul O‘Montis, Kurt Gerron u.a.), die auch während ihrer Inhaftierung durch die Nationalsozialisten auftraten – mal heimlich, mal auf Befehl. Jo van Nelsen liest ihre Texte, singt ihre Lieder und spielt natürlich ihre Musik von Schellackplatten. Seltenes Bild- und Filmmaterial machen diese Grammophonlesung zu einer spannenden Zeitreise und einem multimedialen Erlebnis.
Nicht nur der Humor, sondern auch die Poesie gibt Kraft und trägt die Erinnerung weiter. Nach ihrem großen Erfolg im vergangenen Jahr kehren die Schauspielerin Judith Jakob und der Pianist Joachim Jezewski am Freitag, den 8.11. (19:30 Uhr) mit ihrer musikalischen Lesung über Mascha Kaléko ins Holzhausenschlösschen zurück. „Die Nachtigall in meinem Garten schweigt“ ist eine sensible Hommage an die jüdische Dichterin, zusammengestellt aus ihren Versen und Tagebuchaufzeichnungen.
Den Abschluss der „Woche gegen das Vergessen“ bildet der 1938 publizierte Briefroman „Empfänger unbekannt“ von Kathrine Kressmann Taylor in einer szenischen Einrichtung von Hannelore Bähr. Der Text erzählt von der sich entzweienden Freundschaft zwischen dem Deutschen Martin Schulse und dem amerikanischen Juden Max Eisenstein. Gemeinsam führen sie eine Kunstgalerie in den USA, bis Schulse sich 1932 entschließt, nach Deutschland zurückzukehren. Eisenstein muss miterleben, wie sein Freund den gefährlichen Versprechungen des Nationalsozialismus erliegt – bis sich die Situation über den Atlantik hinweg auf Leben und Tod zuspitzt. Das intensive Kammerspiel mit Manuel Klein und Michael Klein hinterlässt jene starken Eindrücke, die gegen das Vergessen unerlässlich sind. Nach einer Aufführung für Klassen des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums am 8.11. findet am Samstag, den 9.11. (19:30 Uhr) eine öffentliche Aufführung im Holzhausenschlösschen statt.
Vorverkauf: ADticket GmbH. Online: https://frankfurter-buergerstiftung.reservix.de/events
Tickethotline: (069)902839 86
Die Abendkasse öffnet eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn.
Veranstaltungsort: Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen, Justinianstraße 5, 60322 Frankfurt am Main
Ausführlichere Informationen und aktuelle Hinweise unter www.frankfurter-buergerstiftung.de