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Letzte Aktualisierung: 23.04.2024

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Wiedersehen mit Walter Renneisen

„Die Sternstunden des Josef Bieder“ beim Rheingau Musikfestival

von Karl-Heinz Stier und Ingeborg Fischer

(16.08.2022) „Theater, Theater, der Vorhang geht auf …“ ist ein bekannter Schlager von Katja Ebstein. Was aber geschieht denn hinter der Bühne? Wer könnte davon besser ein „Lied singen“ als ein Theaterrequisiteur, der jahrzehntelang von dort aus so vieles beobachten kann?

Walter Renneisen in Aktion auf der Bühne im Baiken
Foto: Karl-Heinz Stier
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Walter Renneisen ist in die Rolle des für die Ausstattungen zuständigen Josef Bieder geschlüpft, der seine Sternstunde hat, als ein vorgesehenes Theaterstück ausfällt, aber das Publikum erwartungsvoll im Saal sitzt. Und er beginnt zu plaudern.

Oh ja, dieser Requisiteur hat schon Vieles erlebt und gesehen. Er kennt die Schauspieler, die Regisseure, die Musiker, Tänzer und die Intendanten (selbstverständlich auch die „innen“), schließlich ist er für die Dinge zuständig, die für den Bühnenauftritt benötigt werden und hält sie bereit. Wie etwa  den Dolch, selbstverständlich aus Gummi, mit dem sich Othello erstechen wird.

Fast bösartig kommentiert Bieder, dieser kleine Mann, das Geschehen auf der Bühne: „Während Othello dann stirbt, singt er immer weiter!“ oder „die Opernsänger müssen italienisch singen, dabei können sie nicht einmal eine Pizza auf italienisch bestellen!“ Er kennt Eigenheiten, absonderliche Charaktere, Entgleisungen und Fehler, er durchschaut sie alle. Dieses Theater hinter der Bühne offenbart er satirisch den Zuschauern und Zuschauerinnen im fiktiven Saal vor ihm, ja er kennt den irrsinnigen Betrieb.

Otto Schenk und Eberhard Streul sind die Autoren, aber Renneisen hat die Revue bearbeitet und umgeschrieben, aus Wiener Schmäh wurde Hessisches. Und weil für Walter Renneisen Musik sein Leben ist, hat er ein ganzes Orchester aufgebaut: Schlagzeug, Posaune, Kontrabass, Saxophon, Tuba, Flügel, Gitarre, Trompete und sogar einen Dudelsack, den er in Hamlet einbaut. Er spielt die Figur Bieder als Musiker und Renneisen ist wahrlich ein Musizierender, der all diese Instrumente hervorragend beherrscht.

Das Publikum folgte gerne der Musik und dem Geschehen, war aber  auch manchmal überfordert, was die Kenntnis über Opern oder klassische Dramen betraf. Und ein wenig überzogen hat der hessische Mime ab und zu auch sein Spiel mit Grimassen und Übertreibungen. Als er jedoch dann von der Liebe des Requisiteurs zu der 30 Jahre jüngeren ihm zugeteilten Hilfskraft erzählt, wird es still und ruhig und traurig.

Fast 82 Jahre ist Walter Renneisen, aber am Schlagzeug, Flügel, mit seiner Trompete, da wirkt er wie ein junger Wilder aus den 50er Jahren. 

Die Verantwortlichen des Rheingau Musikfestivals hatten ihn für 2 Abende wieder einmal in den Gutsausschank im Baiken geholt und lagen damit richtig. Renneisen hat ein treues Publikum, das weiß, was man an ihm hat. 2016 schon erhielt der Ausnahmekünstler den Rheingau Musik Preis für sein Lebenswerk.