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Letzte Aktualisierung: 20.03.2023

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Wie wir die Energiekrise bewältigen können

In seinem neuen Buch beschreibt Prof. Vahrenholt die Irrwege der deutschen Energiepolitik

von Norbert Dörholt

(10.03.2023) Vahrenholt? Vahrenholt? Den Namen kennt man doch. Richtig: Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist Autor des Bestsellers von 1978 „Seveso ist überall“, eine der einflussreichsten Buchveröffentlichungen in den Anfangsjahren der Umweltbewegungen. Sein neuestes Buch trägt den Titel „Die große Energiekrise – und wie wir sie bewältigen können“. Das hat es in sich!

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Das neue Buch von Prof. Vahrenholt hat das Zeug zu einem Bestseller.
Foto: LMG Verlag München
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Sein neues Buch ist spannend zu lesen wie ein Krimi, unterhaltsam wie ein Roman und lehrreich wie ein Semester an der Uni: Prof. Dr. Fritz Vahrenholt.
Foto: LMG Verlag München
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Da bekommen nämlich, ausgerechnet von ihm, die energiepolitischen Einbahnfahrer in unserer Regierung ebenso ihr Fett weg wie populistische Klimahysteriker und naive Umweltaktivisten bar jeglichen Sachverstands (davon aber jede Menge). Und man erfährt eine Menge Wissenswertes.

Eigentlich kann man dieses bemerkenswerte Werk über die Irrwege deutscher Energiepolitik und wie man aus diesem Labyrinth wieder herauskommen könnte gar nicht besprechen. Was um Himmels Willen soll, muss, kann, darf man da weglassen? Am besten wäre es, man würde einfach das ganze Buch hier abdrucken. Geht natürlich nicht der Länge wegen. Schade. Darum also, liebe Leser, müssen Sie es sich eben kaufen. Ich kann Ihnen aber guten Gewissens versichern: Die 22 Euro, die Sie dafür löhnen müssen, lohnen sich!

So, neugierig genug geworden. Also denn: Der erfahrene Energie- und Klimaexperte Prof. Dr. Fritz Vahrenholt analysiert ideologiefrei die aktuelle Energiepolitik und stellt erneut klar, dass ein deutscher Alleingang unsinnig, weltfremd und selbstzerstörerisch ist. Er zeigt nicht nur die Ursachen dieser Misere auf, sondern bietet auch Lösungen an – heutzutage ein Alleinstellungsmerkmal in dieser weltanschaulich geprägten Debatte.

Zunächst erstellt Fritz Vahrenholt eine Bestandsaufnahme (die bange machen kann). Die liest sich so: „Wir stehen weltweit am Anfang einer Energiekrise, die die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand der Nationen auf Jahrzehnte prägen wird. Die Krise wird die Wirtschaftsräume in unterschiedlicher Weise treffen. Knappe Angebote an Öl, Gas und Kohle unterstützen die fossilen Champions Russland, Australien, Kanada und den Nahen Osten. Bis erneuerbare Energien und ein Ausbau der Kernenergie einen entscheidenden Teil der Energieversorgung bewerkstelligen können, werden Jahrzehnte vergehen.

Diese Energiekrise ist nicht durch zur Neige gehende Reserven von Kohle, Öl und Gas bedingt, sondern durch politisches Handeln. Die energiepolitische Deindustrialisierung Deutschlands und Europas wird zu massiven Wohlstandsverlusten führen. Ein Land auf dem Niveau eines Schwellenlands – und auf das steuern wir zu – wird keinen Beitrag zur Weiterentwicklung der Energietechnologie bringen können.“

In der Tat: Noch nie in der Geschichte des Industriezeitalters war Energie in Europa so knapp und teuer wie heute. Der russische Einmarsch in die Ukraine wirkte dabei nur als Katalysator, denn schon davor ließen Preisexplosionen an den Gas- und Strommärkten das Scheitern der Energiewende und des europäischen „Green Deals“ erkennen. „Eine falsche Energiepolitik gefährdet die tägliche, sichere Energieversorgung, führt zu Wohlstandseinbußen privater Haushalte und vernichtet industrielle Arbeitsplätze, die im internationalen Wettbewerb stehen“, lautet die schonungslose Analyse des promovierten Chemikers und praxiserfahrenen Wissenschaftlers.

Vahrenholt jammert und klagt aber nicht nur, er zeigt auch Wege aus dieser wahrlich prekären Situation auf. „Die Antwort auf die drängenden Energiefragen unserer Zeit“, so schreibt er, „muss eine Technologie-Offensive in Deutschland sein, die neben den Erneuerbaren Energien alle Alternativen einbezieht, von der Schiefergasförderung auch in Deutschland über die CO 2-freie Nutzung heimischer Braunkohle bis hin zur Entwicklung einer neuen Generation sichererer Kernkraftwerke.“

Wir sollten also alle verfügbaren und verantwortbaren Energiequellen nutzen, um Wohlstand zu sichern bis hin zu Blauem Wasserstoff aus Kohle, Öl und Gas. Und er appelliert, dass wir den ideologischen Feldzug gegen Kernenergie und fossile Energien, einschließlich dem umweltschonenden heimischen Fracking, beenden und diese Quellen verantwortbar nutzen. Und: „Wir sollten offen sein für neue Technologien wie etwa Fusionstechnologie. Und noch einmal: „Wir müssen Energiepolitik aus der Eindimensionalität des Klimaschutzes befreien!“

Waoo! Das sitzt. Und da er selber am besten weiß, dass grau die Mutter aller Theorien ist, nennt er in seinem Buch auch schwarz auf weiß seiner erfahrenen Meinung nach „notwendigen Schritte auf dem Weg aus der Großen Energiekrise“, 20 an der Zahl, das Wort „Groß“ bewusst groß geschrieben. Sie lauten:

Entwicklung von CO2-freier Kohletechnologie und Umbau von bestehenden zu grünen Kohlekraftwerken

Aufhebung des Verbots der Sequestrierung von CO2

Gas und Kraftstoff aus Braunkohle bei gleichzeitiger Sequestrierung des CO2

Aufhebung des Kohleausstiegsgesetzes

Verstärkung des Energieforschungsprogramms und Erweiterung um inhärent sichere Kernkraftwerke der vierten Generation

Statt Endlagerung abgebrannter Brennelemente Initiierung eines Kreislaufs zur Wiederverwertung

Weiterbetrieb der sechs abgestellten Kernkraftwerke und Aufhebung des Kernenergieausstiegs

Aufhebung des Fracking-Verbots in Deutschland und Förderung des eigenen Schiefergases

Förderung wettbewerbsfähiger Stromspeichertechnologien

Aufhebung des europäischen Verbots von Verbrennungsmotoren und Förderung der Entwicklung synthetischer Kraftstoffe

Einstellung der Subventionierung der E-Mobilität

Weitere Wind- und Solarkraftwerke nur unter der Voraussetzung, dass der entsprechende Strom gespeichert oder ein Backup nachgewiesen werden kann

Aufhebung der Begrenzung der Wasserstoffforschung auf alleinig grünen Wasserstoff

Wasserstofferzeugung durch Kernenergie

Beteiligung Deutschlands an einem weltweiten Aufforstungsprogramm

Verstärkung der Fusionsforschung

Wiederaufnahme der Forschung über Gashydratförderung

Aufhebung des Verbots der Gasheizungen

Beendigung der Belastung der Haushalte durch das deutsche Brennstoffhandelsgesetz

Zeitliche Begrenzung der Belastung des europäischen CO2-Zertifikatehandels auf 50 Euro pro Tonne CO2.

Zur Person:

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt, promovierter Chemiker, war von 1991 bis 1997 Hamburger Umweltsenator. Anschließend ging er als Vorstand für Erneuerbare Energien zur Deutschen Shell AG. 2001 wurde er Vorstandsvorsitzender des Windenergie-Anlagenbauer REpower Systems. Danach leitet er die neu gegründete Konzern-Gesellschaft für Erneuerbare Energien der RWE AG, die Innogy GmbH bis 2012.

Seit 1999 ist Vahrenholt Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Er ist des weiteren Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech.

Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eine der wirkmächtigsten Buchveröffentlichungen in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2012 erschien gemeinsam mit Sebastian Lüning der Erfolgstitel „Die kalte Sonne“, 2020 sein Bestseller ebenfalls mit Lüning „Unerwünschte Wahrheiten“ und im Februar 2022 sein hier besprochenes Buch „Die große Energiekrise – und wie wir sie bewältigen können“, das wohl ebenfalls ein Bestseller werden wird.

Vahrenholt ist Aufsichtsratsvorsitzender der Aurubis AG, des größten europäischen Kupferherstellers, sowie Aufsichtsrat der Encavis AG, eines der größten Investoren in Erneuerbare Energien.

(„Die große Energiekrise und wie wir sie bewältigen können“, erschienen im Langen Müller Verlag GmbH München, ISBN 978-3-7844-3658-6, 22 Euro.)