Archiv-Nachrichten

Werden Immobilienmakler obsolet? So reagieren Branchen-Insider auf die Zeichen der Marktumkehr

Der Wandel vom Verkäufer- zum Käufer-Markt im Immobilienbereich verlängert momentan die Zeit vom ersten Inserat bis zum Notartermin enorm und drückt auch erheblich auf den final erzielbaren Preis. Wie sollten einerseits Makler auf diese Situation reagieren, um sich weiter im Geschäft halten zu können? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich andererseits für Eigentümer, die ihre Objekte in Eigenregie veräußern wollen? Branchen-Insider leiten klare Empfehlungen ab und sind sich einig in Bezug auf wahrscheinliche Konsequenzen für den Makler-Beruf.
2023-08-27_Werden_Immobili_1_(c)Freepik__rawpixel.com.jpg
Dynamische Veränderungen auf dem Immobilienmarkt stellen Makler und Eigentümer vor neue Herausforderungen.
Foto: Freepik / rawpixel.com

Konnten sich vor ein paar Jahren viele Makler noch darauf verlassen, dass Objekte im guten Zustand innerhalb von wenigen Tagen fast automatisch den Besitzer wechselten und kaum Informations- und Überzeugungsarbeit geleistet werden musste, sieht die aktuelle Situation vergleichsweise anders aus: Bis zur tatsächlichen Vermarktung vergehen oft drei bis vier Monate. Verkaufswilligen Immobilienbesitzern schweben weiterhin ehemalige Preiskonstellationen vor. Hier muss die Verkaufs-Partei erst einmal auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass angesichts der Diskussion um das sogenannte "Heizungsgesetz" und der resultierenden Unsicherheit viel mehr Hintergrundinformationen zum Objekt eingeholt und aufbereitet werden müssen.

Umfrage untermauert die Marktumkehr

Dementsprechend stellen viele Eigentümer das bisherige Courtage-Modell (7,14% vom endgültigen Verkaufspreis) infrage und können sich mittlerweile gut vorstellen, die eigene Immobilie direkt und ohne Makler zu verkaufen. Immerhin kennen sie alle Eckdaten genau und können auch über Nachbarschaft, Zustand, Sanierungsbedarf und andere sozioökonomische Faktoren fachkundig Auskunft geben. Diesen Trend bestätigt auch eine Umfrage von YouGov und ohne-makler.net aus dem Juni 2023. Fast die Hälfte der Befragten (47%) traut sich zu, ein Objekt selbst zu verkaufen, 67% der Probanden bevorzugen Angebote ohne Makler und sprechen lieber direkt mit dem Eigentümer.

Andererseits sehen aber immer noch fast drei Viertel der Umfrageteilnehmer den Wert eines fachkundigen Ansprechpartners, der oder die professionell beim Verkauf beraten kann. Welche Empfehlungen lassen sich aus dieser Situation für Makler auf der einen und für Verkäufer/Käufer auf der anderen Seite ableiten?

Verkauf in Eigenregie sollte gut vorbereitet und durchgeführt werden

Hendrik Richter, Geschäftsführer von ohne-makler.net, sieht eine deutliche Zunahme an Selbstbewusstsein sowohl auf Verkäufer- als auch auf Käuferseite: „61 Prozent, die die Provision für Makler-Leistungen unangemessen finden, sprechen genauso eine klare Sprache wie die 67 Prozent, die Angebote ohne Makler bevorzugen und lieber direkt mit dem Eigentümer sprechen wollen.“

Gleichzeitig steigt heute die Bedeutung eines angemessenen Preises. Meint auch Samina Julevic, CEO von Remax Germany: „Insgesamt wird gerade vielen Eigentümern klar, dass sie nicht mehr auf eigene Faust verkaufen können, indem sie einfach den höchsten Preis aufrufen“. Zudem sollte die Verkaufsofferte nicht nur auf einer, sondern auf vielen Plattformen eingestellt werden, idealerweise auch auf Spezial- oder Nischenseiten. Überzeugende Bilder der Räumlichkeiten können von persönlichen Gegenständen befreit, aber gerne auch mit neutralem Mobiliar versehen werden, um das Potential zu unterstreichen. Weiterhin müssen alle relevanten Daten und Informationen vorgehalten und präsentiert werden, um Unsicherheiten bzgl. Sanierungsbedarf und Energieverbrauch sofort zu beantworten. Ein gutes Netzwerk sorgt außerdem dafür, dass unmittelbar vertrauensvolle Spezialisten empfohlen werden können.

Makler müssen sich wieder als Partner positionieren

Für den Maklerstand sieht Richter Professionalisierungsbedarf: „Makler müssen sich ein Stück weit neu erfinden. Zumal schon heute innovative und schlanke Lösungen dem klassischen Maklerkonzept den Rang ablaufen und bessere Leistungen anbieten“. Peter Schürrer, Geschäftsführer des Maklernetzwerks Dave, sieht eine Renaissance der eigentlichen Kernaufgaben gut ausgebildeter Makler: „Die Ermittlung eines marktgerechten Preises sowie die Zusammenführung von Käufer- und Verkäuferseite, um Transaktionen zum Abschluss zu bekommen.“  Diese Grundtugenden müssten neu entdeckt werden.

Ende der „guten alten Zeiten“?

Die Zeit der Selbstläufer ist demnach vorbei. Käufer sind sich ihrer neuen Markmacht bewusst, Verkäufer können auf zahlreiche Alternativen zum klassischen Makler-Modell zugreifen. Der resultierenden Marktbereinigung widerstehen aber Immobilien-Vermittler, die sich auf ihre eigentlichen Stärken besinnen, sich hervorragend vorbereiten – aber auch über den Tellerrand schauen, neue Wege suchen und gehen.