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Letzte Aktualisierung: 05.12.2024

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Wer hilft Kindern mit Migrationshintergrund

von Adolf Albus

(29.11.2024) Schulischer Bildungserfolg hängt in Deutschland stark von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler ab. Viele Kinder erreichen noch nicht einmal einen Hauptschulabschluss. In Kriftel gibt es daher schon seit vielen Jahren eine Initiative, die etwas dagegen tun möchte:

In der „Lernstube“: Klaus Heitland (hinten rechts) mit einem Teil des Teams und einigen Kindern.
Foto: Gemeinde Kriftel
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„In der Lernstube können Kinder aus Kriftel und Umgebung Hausaufgaben- und Lernhilfe erhalten. Alle Kinder mit Migrationshintergrund ab dem Grundschulalter können kommen“, heißt es auf der Internetseite des Familienzentrums Kriftel. Die Hausaufgabenhilfe findet während der Schulzeit an jedem Dienstag, Mittwoch und Donnerstag von 14 bis 16 Uhr in den Räumen der Weingartenschule statt.

„Engagierte Ehrenamtler helfen hier den Kindern, als wären es ihre eigenen Kinder oder Enkel“, betont Klaus Heitland, der seit einigen Jahren gemeinsam mit seiner Frau die Lernstube „koordiniert“. Vor 17 Jahren war er selbst zunächst als Betreuender ins Team gekommen, da er – in Altersteilzeit und dann in Rente – seine neugewonnene Freizeit mit „etwas Gemeinnützigem“ füllen wollte. Als Mathematiker konnte er vor allem bei Mathehausaufgaben weiterhelfen und sogar Abiturienten auf die Prüfungen vorbereiten.

40 Kinder der zweiten bis sechsten Klasse

„Zurzeit sind etwa 40 Kinder angemeldet, von der zweiten bis zur sechsten Klasse. Sie kommen aus syrischen, afghanischen, afrikanischen, italienischen und türkischen Familien“, berichtet er. „Und werden von ihren Lehrerinnen und Lehrern zum Angebot geschickt oder durch Freundinnen und Freunde auf die Lernstube aufmerksam.“ Alle Kinder sprechen Deutsch, aber ihre Eltern können sie, zum Teil aufgrund mangelnder Schulbildung, zu Hause kaum bei den Hausaufgaben unterstützen. Manche Familien wohnen auch sehr beengt, die Kinder haben keinen eigenen Platz, um die Schularbeiten in Ruhe zu erledigen“, erzählt Lydia Rauh vom Familienzentrum.

Das Projekt "Lernstube" wurde 1967 vom damaligen evangelischen Pfarrer Müller aus Kriftel initiiert. Es entwickelte sich eine Zusammenarbeit der katholischen und evangelischen Kirchengemeinden in Kriftel. Die Gemeinde Kriftel unterstützt dabei organisatorisch und finanziell. Träger ist die Jugendhilfe und Jugendberatung e.V./Familienzentrum Kriftel, die wiederum Fördergelder von der Diakonie Hessen erhält. Dadurch ist es möglich, den Ehrenamtlichen eine kleine Aufwandsentschädigung zukommen zu lassen.

Keine Kinder wegschicken

„Die Corona-Pandemie hat auch die Lernstube hart getroffen“, weiß Bürgermeister Christian Seitz. „Viele der Ehrenamtlichen sind schon älter und mussten nun Kontakte vermeiden. Die Kinder konnten nur noch in Einzelbetreuung und mit Maske unterrichtet werden.“ Längst läuft alles wieder normal. „Es kommen wieder viele Kinder, aber manche müssen leider weggeschickt werden, weil es nicht genügend Betreuerinnen und Betreuer gibt“, so Seitz. Er bittet Interessierte, sich zu melden, um mehr Kindern ein Angebot machen zu können. „Am Ende profitieren wir alle als Gesellschaft“, betont er. „Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen“, habe Konfuzius einmal gesagt.

Pädagogische Ausbildung nicht notwendig

Zurzeit gibt es 12 Betreuende ab 60 Jahren. „Eine Dame ist sogar über 80 Jahre alt“, berichtet Klaus Heitland. Er freut sich sehr, dass gerade vergangene Woche eine junge Lehramtsstudentin zum Team dazugestoßen ist. „Wir würden uns sehr über weitere Unterstützung freuen. Dabei muss man nicht jeden Termin oder jede Woche Zeit haben. Aber je mehr Menschen im Pool sind, desto entspannter ist die Situation.“

Eine pädagogische Ausbildung sei nicht vonnöten. „Man sollte Interesse am Umgang mit Kindern haben“, sagt er und lacht. „Wir haben alle Erfahrungen mit unseren eigenen Kindern und Enkeln gemacht.“ Die Arbeit in der Lernstube sei sehr erfüllend, die Kinder freuen sich, kommen zu dürfen. „Im Idealfall sollen nicht mehr als zwei Kinder von einer Person bei den Hausaufgaben betreut werden“, so Klaus Heitland zum Unterrichtsanspruch. 15 bis 20 Kinder kommen regelmäßig zu den Lernstube-Öffnungszeiten.

Einer muss den Hut aufhaben

Natürlich sei auch einiges an Verwaltungs- und Organisationsarbeit im Hintergrund zu tun, wie die Betreuenden einzuteilen oder einen Jahresbericht für die Sponsoren zu schreiben. Klaus Heitland kann aus privaten Gründen künftig leider nicht mehr so viel Zeit investieren, auch seine Frau hat aufgrund ihrer Berufstätigkeit keine Zeit mehr, den 76-jährigen Ehemann zu unterstützen. „Wir suchen daher eine neue Koordinatorin oder einen Koordinator und werden natürlich jeden einarbeiten, der sich in der Lernstube für die Gemeinschaft engagiert“, verspricht er. Eine Aufwandsentschädigung werde für das Engagement gezahlt und ein schönes Gemeinschaftsevent sei jedes Jahr die gemeinsame Weihnachtsfeier, zu der auch alle ehemaligen Betreuenden immer herzlich eingeladen sind.

Weitere Infos geben Klaus und Munge Heitland unter (06192)43269 oder lernstube.kriftel@gmail.com. Melden können sich Interessierte auch bei Lydia Rauh unter info@familienzentrum-kriftel.de oder (06192)910187.