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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Weinetiketten aus alten Zeiten

Reiner E. Philipp besitzt über 30.000 davon

von Karl-Heinz Stier

(05.07.2022) Man kann ihn einordnen als eine Art Unikum. In früher Jugendzeit fühlt er sich noch nicht zu Themen des Weines hingezogen, abgesehen mal davon, dass er in dieser Zeit an den Wochenenden bei Nachbarn des Onkels in Johannisberg beim Traubenlesen geholfen hat und sich so sein Taschengeld verdiente.

Bildergalerie
Reiner E. Philipp mit einer Sammlung, die ihm Schulkameraden schenkten
Foto: Karl-Heinz Stier
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Eine von den vielen überlassenen Etiketten-Sammlungen
Foto: Karl-Heinz Stier
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Zur seiner Sammlung gehört auch die Flasche „Chateau Petrus“ Pomerol von 1929
Foto: Karl-Heinz Stier
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Sein Lebensweg sah zunächst anders aus: Nach dem Abitur folgte u.a. eine kurze Studienzeit (Elektrotechnik), eine Ausbildung zum Industriekaufmann und schließlich eine Tätigkeit in der Verkaufsabteilung des Lehrbetriebes in Mainz. Später wurde er selbständiger Handelsvertreter.

Seine Rückkehr in den Weinbau kam dann aber mit der Heirat. Seine Ehefrau Marianne brachte vier Weinberge mit, die im Nebenerwerb bearbeitet  wurden. Zwischen 1970 und 1975 kamen die beiden Kinder Andrea und Ulrich (genannt Uli) zur Welt.

Sohn Ulrich sagte schon im Kindesalter: "Ich will mal Winzer werden", was damals niemand ernst nahm. Und doch: er begann nach der Schulzeit mit einer Winzerlehre im Schloss Johannisberg und studierte anschließend in Bad Kreuznach Weinbautechnik.

Sohn Uli hatte bereits in der Lehrzeit für seine Eltern im Schloss eine beeindruckende Weinprobe organisiert. Das hatte viele Jahre später "gravierende" Folgen. Es brachte seine Mutter nämlich auf die Idee, dass der Ehemann mit seinem Wissen über Wein, den Rheingau und brauchbaren Englisch-Kenntnissen solche Führungen mit Weinproben auch selbst machen könnte. Darauf angesprochen, war Domänenrat Schleicher vom Schloss durchaus froh, einen weiteren Mitarbeiter für diesen Zweck zu bekommen. 1999 begann Philipp seine neue Tätigkeit.

Doch wie kam unser Konventsmitglied Reiner Philipp zum Weinetiketten-Sammeln?
Hauptgrund war das generelle Interesse am Wein, den historischen Wappen, Weinbergs-Lagenamen und die  historischen Gebäude  - und Landschaftsdarstellungen. Hinzu kamen Kontakte zum ehemaligen Kellermeister des Weinguts Krone, wo zu dieser Zeit noch das jährliche Rheingau-Gourmet-Festival stattfand. Er legte das Leergut mit schönen Etiketten und/oder von renommierten Weingütern, vorwiegend aus Frankreich, für ihn zur Seite. Sie brauchten nur noch abgeholt und von den Flaschen abgelöst zu werden. Immer mehr Etiketten kamen aus dem Bekanntenkreis, u.a. bekam er ein ehemals benutztes Schulheft eines früheren Klassenkameraden mit  eingeklebten Etiketten. Ein anderer Klassenkamerad, Sohn eines früheren Rheingauer Landrats, übergab ihm Programmhefte mit eingeklebten Originaletiketten von festlichen Weinproben  im Wiesbadener Kurhaus.

Ein weiterer Schulkamerad und Weinkommissionär aus Rüdesheim spendierte eine stattliche Anzahl Duplikate aus seiner eigenen Sammlung, teilweise mehr als 50 Jahre alt. Unzählige weitere Etiketten kamen seitdem hinzu - inzwischen dürften es "bestimmt mehr als 30.000 sein".

Nebenbei hat er auch Flaschen mit Etiketten in seine Sammlung einverleibt. Sein Prunkstück ist ein 1929 „Chateau Petrus Pomerol“. Die mundgeblasene Magnum-Flasche  sollte beim Gourmet-Festival in der Krone in Aßmannshausen ausgeschenkt werden. Wert 12 000 DM. Die versicherte Flasche ist beim Transport im rückwärtigen Teil zerbrochen. Der Kork steckt noch immer im Flaschenhals. Sie bleibt aber ein seltenes Erinnerungsstück.

Für Reiner E. Philipp hält die  Sammelleidenschaft  bis heute an. Er wurde 1997 bei der Gründungsversammlung des "Deutscher Freundeskreis Weinetiketten-Sammler" in der Brömserburg in Rüdesheim Mitglied, jenem Verein, der kürzlich sein 25-jähriges Jubiläum feierte. 1. Vorsitzender ist der Frankfurter Klaus-Dieter Bühner.

Mittlerweile ist die Mitgliederzahl deutlich gesunken - von ursprünglich gut 100 Sammlern auf ca. 60. Reiner E.  Philipp ist inzwischen das letzte noch im Rheingau lebende Vereinsmitglied und besitzt inzwischen ca. 2000  Rheingauer  Etiketten.

Gefragt, was er noch am liebsten tun würde, sagt der inzwischen 78-jährige: "Ich möchte gern so lange mit Weinproben weitermachen, wie ich es kann, allerdings mit etwas mehr Zeit für die Etikettensammlung." Und er hofft, dass es beim Konvent vielleicht das ein oder andere Mitglied gibt, das schon Etiketten sammelt und gern mit ihm in Kontakt kommen würde.

Na, dann drückt der Riesling-Kurier ihm die Daumen.

Noch ein Hinweis: Unser Konventuale Bert Wentzel aus Apeldoorn/Niederlande stellt  z.Zt. (voraussichtlich bis 2023) 12 Tafeln mit seinen alten Etiketten aus allen deutschen Weinregionen und der DDR im Deutschen Weinbaumuseum in Oppenheim aus (Di-Fr 14-18 h und Sa/So 11-18 h). Das älteste Etikett ist ein 1816er Steinberger eines Weinhändlers aus Riga. Zahlreiche Etiketten von Schloss Johannisberg sind auch dabei.