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Letzte Aktualisierung: 18.04.2024

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Was machen kenianische Objekte in westlichen Museen?

Künstlergespräch, Führungen und Intervention in „Invisible Inventories“ im Weltkulturen Museum

von Ilse Romahn

(02.12.2021) Mit dem Künstlergespräch „SESSION #1“, welches das SHIFT Kollektiv mit Nora Al-Badri und Brian Njenga am Sonntag, 5. Dezember, von 14 bis 16 Uhr führt, zwei Highlight-Führungen mit Wissenschaftler Eric Otieno Sumba am gleichen Tag, 16 bis 17 Uhr und am Mittwoch, 8. Dezember, von 18 bis 19 Uhr sowie einer Intervention von SHIFT in der Ausstellung „Invisible Inventories“ ab Dienstag, 7. Dezember, lädt das Weltkulturen Museum ein zur Auseinandersetzung mit der Kritik an kenianischen Sammlungen in westlichen Museen.

„The Heritage Project. Beta version“
Foto: Brian Njenga
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Das Künstlergespräch „SESSION #1“
Im Künstlergespräch „Die Leere formen? Das Potenzial und die Herausforderungen digitaler 3D-Modelle für die Neugestaltung von Museumssammlungen“ laden SHIFT mit Nora Al-Badri und Brian Njenga zu einer öffentlichen Diskussion über die Schnittmenge von 3D-Modellierung, Aktivismus, digitaler Reproduktion, Zugang, Eigentum und Museen ein.

Njenga ist 3D-Künstler mit einem Werdegang in Grafikdesign und Spieleentwicklung und hat ein virtuelles Museum mit kenianischen Artefakten geschaffen, die sich nicht mehr in Kenia befinden. Dieses existiert derzeit in einer Beta-Version, „The Heritage Project“ (2021).

Al-Badri ist eine forschungsbasierte Konzeptkünstlerin, die in ihren Arbeiten das emanzipatorische Potenzial neuer Technologien im Hinblick auf öffentliche und politische Diskurse beleuchtet. Oft provozieren ihre Projekte Fragen über Extraktivismus, den Standort und das Eigentum von Objekten des kulturellen Erbes, wie etwa „The Other Nefertiti“ (2015) und „Fossil Futures“ (2017).

Beide Positionen unterscheiden sich in Bezug auf ihre Tätigkeitsfelder, die Art ihrer Expertise und den Ort, von dem aus sie tätig sind (Berlin, Nairobi).

SHIFT (Sam Hopkins, Marian Nur Goni, Simon Rittmeier, Deutschland / Frankreich) ist ein transnationales Kollektiv, das an der Schnittstelle von Kunst und Forschung arbeitet, insbesondere zu Fragen im Zusammenhang mit afrikanischen Objekten in der Diaspora nach dem Kolonialismus. Als Mitbegründer des International Inventories Programme (IIP)  – siehe auch inventoriesprogramme.org – bewegen sie sich an der Grenze zwischen Kunst und Aktivismus.
Nora Al-Badri und Brian Njenga werden der Veranstaltung live zugeschaltet.

Die Highlight-Führungen
Eric Otieno Sumba ist Soziologe, Politikwissenschaftler, freier Autor und Moderator. „In meiner Führung“, sagt Sumba, „werde ich die Bedeutung des notwendigerweise nuancierten IIP-Programms für das Verständnis der anhaltenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen hervorheben, die die Restitution darstellt, sowie die Umwälzungen, die den Enthüllungen von Projekten wie IIP folgen müssen."

Wie können kenianische Kulturgüter, die sich im Besitz von Institutionen im globalen Norden befinden, für die heutige kenianische Gesellschaft zugänglich gemacht werden? Mit diesem Anliegen beschäftigt sich seit 2018 IIP, das kenianische sowie europäische Künstlerinnen und Künstler sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenbringt und eine Datenbank entwickelt hat, die aktuell über 32.500 Objekte erfasst, die in 30 Institutionen weltweit aufbewahrt werde. Nach Stationen in Nairobi und Köln ist das Ausstellungsprojekt „Invisible Inventories“ noch bis Sonntag, 9. Januar, im Weltkulturen Museum zu sehen.

Sumba ist Doktorand am Lehrstuhl für Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien der Universität Kassel und schreibt für verschiedenen Online- und Printmedien.

Die Intervention
Nach der ersten Intervention durch The Nest Collectiv (Jim Chuchu, Njoki Ngumi/ Kenia), die noch bis Sonntag, 5. Dezember, zu sehen ist, greift nun das SHIFT Kollektiv in die Anfang Oktober eröffnete Ausstellung „Invisible Inventories. Zur Kritik kenianischer Sammlungen in westlichen Museen“ ein, gestaltet einen Raum um und lädt hier zum Betrachten und Nachdenken ein.

Können Objekte aus Kenia, die in ihrem Herkunftsland nicht sichtbar sind, im Weltkulturen Museum angemessen präsentiert werden? Über diese Frage haben alle Projektbeteiligten des „International Inventories Programme“ intensiv diskutiert. Den Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern war es wichtig, in der Ausstellung eine Auswahl von Sammlungsobjekten aus Kenia zusammen mit ihren Biografien zu präsentieren. Andere Beteiligte wollten die Objekte jedoch nicht zeigen, da sie auch in der Ausstellung in Nairobi nicht physisch präsent sein konnten und in westlichen Museen allzu oft als Repräsentanten von „Exotik“ wahrgenommen werden. Um also die Vielzahl der Stimmen des Teams sichtbar zu machen, ist der Raum, in dem die Sammlungsobjekte bisher zu sehen waren, ab sofort umgestaltet.

In ihrer Rauminstallation „A Topography of Loss/Eine Topographie des Verlustes“ thematisieren die Künstlerinnen und Künstler die Frage, welche Leerstellen die kenianischen Objekte hinterlassen haben, die sich jetzt in deutschen Museen befinden. Am Beispiel von drei Gürteln der Kamba Community, die sich seit 1906 im Rautenstrauch-Joest Museum in Köln befinden, thematisieren sie die moralische Verpflichtung der deutschen Institutionen, jetzt zu handeln. In einer Videoarbeit, einem Textildruck und Fotografien entwerfen die Künstler eine imaginäre Landkarte, die diese Leerstellen sichtbar machen soll. Sie experimentieren mit 3D-Drucktechniken und stellen Fragen zu digitaler Reproduktion.

Noch bis Sonntag, 9. Januar, können Interessierte zu den Öffnungszeiten Dienstag und Donnerstag bis Sonntag, von 11 bis 18 Uhr und Mittwoch, 11 bis 20 Uhr, die Intervention des Künstlerkollektivs SHIFT in der Ausstellung besuchen.

Künstlergespräch und Führungen finden im Weltkulturen Museum, Schaumainkai 37 statt. Es ist eine Anmeldung unter weltkulturenmuseum.de ist erforderlich. Es sind nur noch wenige Plätze frei! Die Teilnahme am Gespräch kostet den Eintrittspreis von 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro und berechtigt auch zum Besuch der Ausstellung. Die Führung ist kostenfrei und im Eintrittspreis enthalten. (ffm)