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Letzte Aktualisierung: 21.03.2025

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Wacken – das perfekte Paralleluniversum

Interview mit der Frankfurter Autorin Dr. Lydia Polwin-Plass

von Norbert Dörholt

(05.03.2025) "Wacken - das perfekte Paralleluniversum - Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann" heißt das Werk der in Frankfurt lebenden Journalistin Dr. Lydia Polwin-Plass und Dr. Michael Gläser. Es ist im Verlag Hirnkost erschienen. Da bleibt zu hoffen, dass der Name Programm ist. In der Veröffentlichung geht es um die "Szene". Damit schreibt das Autorenduo natürlich über die Liebenswürdigkeit der Metalheads und den sozialen Aspekt der Metal-Szene. Frankfurt-Live hat mit der Autorin gesprochen.

Bildergalerie
Foto: Verlag Hirnkost
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Autorin Dr. Lydia Polwin-Plass
Foto: privat
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Die Verfasser haben - wenig überraschend - in Wacken recherchiert und zitieren Ikonen wie Doro Pesch. Im Info heißt es: "Viele Metalfans und Musiker engagieren sich in sozialen Projekten und versuchen auch durch ihr eigenes Verhalten dazu beizutragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen - allen voran die Veranstalter des Wacken Open Air, Thomas Jensen und Holger Hübner. Das Herz ist bei den Metalheads am rechten Fleck. Alles, was sie tun, ist mit viel Liebe, Seele und Herz verbunden.“  Das überrascht manche, aber man darf durchaus gespannt sein, wie die Schreiber diese Thesen belegen. Das Sachbuch ist ein Hardcover mit Lesebändchen und zahlreichen Illustrationen und hat 456 Seiten (ISBN-Nummer 978-3-949452-72-7,  29 Euro.

„Metalheads sind wild, chaotisch, dauerbetrunken, gewalttätig und dem Teufel verfallen.“ So dagegen das Image der Metaller in der Gesellschaft. Aber ist das wirklich so? „Nein“, sagen die eingefleischten Metalheads Polwin-Plass und Michael Gläser und zeigen in diesem Buch genau das Gegenteil auf. Sie beleuchten den sozialen Aspekt der Metalszene. Wie sehr Toleranz, Hilfsbereitschaft, Empathie und Inklusion in der Metalszene verankert sind, wird in Gesprächen mit Musikern, Veranstaltern, Einsatzkräften, Metalheads und Nicht-Metalheads ergründet. Viele Metalfans und Musiker engagieren sich in sozialen Projekten und versuchen auch durch ihr eigenes Verhalten dazu beizutragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und einmal jährlich treffen sie sich zu Zehntausenden am Rande eines kleinen norddeutschen Dorfs, wo seit 1990 das Mekka der weltweiten Metal-Kultur entstanden ist. Wo könnte man also besser herausfinden, wie die Metalheads ticken und was die Gesellschaft von ihnen lernen kann, als beim legendären Wacken Open Air. Hier unser Interview mit Dr. Lydia Polwin-Plass:

Erzählst Du mir ein bisschen über Deine bisherige berufliche Laufbahn?

Dr. Lydia Polwin-Plass: „Promoviert habe ich in Publizistik, Nebenfach Politikwissenschaft. Schon während meines Studiums habe ich eigentlich ständig gearbeitet. Dadurch konnte ich beruflich sehr viele Erfahrungen sammeln. Unter anderem war ich viel in der Marktforschung tätig, habe PR gemacht, zum Beispiel für das Fest der Europäer am Wiener Rathausplatz, habe gekellnert, auf Messen gearbeitet, für verschiedene Magazine geschrieben, sogar geputzt und vieles mehr. Fast alle Jobs bekam ich durch Weiterempfehlungen. Meine 800 Seiten starke Dissertation zum Thema „Kriminalberichterstattung und die Problematik der Fehlverdächtigungen“ hatte bereits mit Ethik und meinem ständigen Bedürfnis,  Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, zu tun. Immer schon regten mich Ungerechtigkeiten wahnsinnig auf, egal ob es um Menschen, Tiere, soziales Ungleichgewicht, Vorurteile, Justizirrtümer und den Umgang damit, etc. ging bzw. geht.

Schon bald nach meinem Studium bekam ich durch ein wichtiges Projekt, das ich durch mein Engagement retten konnte, meine fixe Anstellung im Wiener Verlag, der die österreichischen Bildungsführer produziert und herausgibt: Fachhochschulführer, Karriereführer, dualer Studienführer, Frauenratgeber, Arbeitsmarktbroschüren und ein Seminarhotelführer. Dort war ich zuständig für die PR, die Einschulung der neuen Mitarbeiter in Redaktion und Akquise, ich habe selbst die Hauptsponsoren akquiriert, die Pressekonferenzen, Messeauftritte und Firmenevents, organisiert, Fachartikel und Pressemitteilungen geschrieben und sämtliche Bücher lektoriert. Vor meinem Umzug nach Frankfurt habe ich auch noch den neuen Verlagsleiter eingeschult. Diese Vielfältigkeit an Tätigkeiten hat mir sehr viel Spaß gemacht. Seit ich in Frankfurt lebe, arbeite ich als selbständige Journalistin, Lektorin von Nachhaltigkeitsberichten, Broschüren und Büchern, Autorin zahlreicher Gesundheitsbroschüren, Texterin von Webseiten, etc. Meine gesamte Freizeit widme ich ehrenamtlich meinem Metal-Magazin METALOGY, mit dem ich zum Fortbestand des Metal und zur Förderung der Szene beitragen möchte, und meinem Gesundheitsmagazin: „gesund heute und morgen“.

Was hat Dich nach Frankfurt verschlagen? Und vermisst Du nicht Wien, diese absolute Traumstadt, ganz schrecklich?

Ja, eigentlich wollte ich niemals weg von Wien, da ich Wien sehr liebe und mich dort immer sehr wohl gefühlt habe. Auch meine Wohnung liebte ich sehr. Ich hatte eine über 80 m² große Neubau-Wohnung, ebenerdig mit 75 m² Garten, mit einer Miete von 560 Euro. Sowas gibt man nicht gerne her. Aber da für meinen Lebensgefährten ein Umzug nach Wien damals nicht infrage kam, musste schweren Herzens ich alles aufgeben. Das fiel mir eine Zeit lang wahnsinnig schwer. Mein kleinerer Sohn war damals gerade mit der Grundschule fertig, für ihn war es nicht so schwierig, nach Frankfurt zu ziehen. Aber mein größerer war schon 15 und hätte die Schule wechseln müssen. Zwei Wochen vor dem Umzug, sein Zimmer war schon eingerichtet, beschloss er,zu seinem Vater zu ziehen, da ihm ein Umzug sehr schwergefallen wäre. Das war ein großer Schock für mich damals. Dem Verhältnis zwischen meinen beiden Söhnen tat es allerdings sehr gut und beide konnten sich durch die Distanz sehr gut entwickeln. Heute sind sie beste Freunde und wohnen im selben Grätzel. Meine Liebe zu Wien habe ich allerdings nie verloren und mein großes Ziel ist es, wenigstens zur Hälfte in Wien wohnen zu können. Das Leben in Wien ist sehr viel günstiger als in Frankfurt. Ich liebe die Kultur, die Freundlichkeit der Wiener, die Wiener Lieder und die Entspanntheit dieser wunderschönen Stadt. All das weiß ich aber auch erst zu schätzen, seit ich es nicht mehr habe. Ja, ich hoffe irgendwann wird mein großer Wunsch in Erfüllung gehen. Ich arbeite daran.

Das Buch „Wacken  – das perfekte Paralleluniversum: Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann“ war ja Deine Idee, wie kam es dazu?

Da ich mich schon lange in der Metalszene bewege, konnte ich im Laufe der Zeit beobachten, wie sehr Inklusion, Zusammenhalt, Friedfertigkeit, Toleranz und absolute Entspanntheit in dieser Szene manifestiert sind. Eigentlich dachte ich mir schon seit Jahren, dass ich darüber gerne mal ein Buch schreiben würde. Die Pandemie bot sich an, diese Buchidee umzusetzen, und so fragte ich meinen langjährigen Wacken-Kumpel Michael Gläser, ob er mitmachen möchte. So entstand unser Buch über die Liebenswürdigkeit der Metalheads und den sozialen Aspekt der Metalszene während der Jahre 2020 und 2021. Das erste Jahr führten wir unzählige Interviews mit Veranstaltern, Einsatzkräften, Superstars der Szene, etc. Das zweite Pandemie-Jahr schrieben wir das Buch dann. Alle Verlage, die wir angeschrieben hatten, wollten unser Buch haben. Auch Penguin Randomhouse. Letztlich haben wir uns aber für einen kleinen Independent Verlag entschieden.

Was möchtest Du mit diesem Buch bewirken?

Mit diesem Buch wollte ich vor allem Vorurteilen gegen Metalfans und Anhänger der Szene entgegenwirken und zeigen, wie wir wirklich ticken. Die meisten Metalheads sind extrem liebe, warmherzige, friedfertige, empathische und hilfsbereite Menschen. Auf unseren Lesungen erzählen wir immer Anekdoten – manche sind auch im Buch abgedruckt – die zum Schreiben dieses Buchs animiert haben. Wir alle haben bereits ganz wunderbare Erlebnisse mit anderen Metalheads gehabt, von denen man in blöden Situationen sofort Hilfe bekommen hat. Natürlich gibt es auch hier schwarze Schafe, die man manchmal in den sozialen Medien erleben muss. Aber die kann unsere starke Community mit ihren hohen ethischen Wertmaßstäben gut mittragen.

Inwiefern schwarze Schafe?

Zum Beispiel gibt es auf Facebook zwei Typen, die anderen immer ihre eigene Meinung aufzwingen wollen. Sie hinterlassen auf all unsere Posts und Ankündigungen zu Lesungen echt fiese Kommentare, nur weil wir in diesem Buch (zum Teil) gegendert haben und ihnen das nicht passt. Zum teilweisen Gendern haben wir uns nur aus einem Grund entschlossen: Die Metalszene ist immer noch eine sehr männerdominierte Szene. Der Inhalt und die Message unseres Buchs interessiert diese beiden Typen nicht, sie wollen nur anderen ihre Meinung aufzwingen. Gott sei Dank werden ihre fiesen Posts auf den Socials von allen ignoriert.

Wo hattet ihr bereits Lesungen und wo würdest du noch gerne lesen?

Eine große Ehre war es uns, auf dem Wacken Open Air und in Holger Hübners Landgasthof, dem LGH Wacken, zu lesen. Ich durfte letztes Jahr auch auf der Full Metal Cruise und Full Metal Holiday mehrfach lesen. Das war großartig und machte ungeheuren Spaß. Dazu könnt ihr meine lustigen persönlichen Erlebnisberichte auf METALOGY lesen. An der Full Metal Cruise teilnehmen zu können, hatte ich mir immer schon gewünscht. Damit ist ein großer Wunsch für mich in Erfüllung gegangen. Dafür bin ich dem ICS-Team auf ewig dankbar.

Auch auf kleineren Festivals wie dem Mahlström Open Air, dem Bongert Open Air, Bang4Pets, zwei Mal am Free & Easy Festival im Münchner Backstage, dem Würgendorfer Metal-Stammtisch etc., in mehreren Metal-Kneipen, im LGH Wacken und sogar an einer Fachhochschule durften wir lesen. Auch dieses Jahr sind schon einige Lesungen geplant.

Welche Erfahrungen hast du auf Lesungen gemacht?

Auf Lesungen durften wir immer wahnsinnig liebe Menschen kennen lernen. Auch das Feedback der Metalheads war durchweg gut und das Interesse an unserem Buch groß. Da wir auch immer über die neuesten Projekte des gemeinnützigen Vereins Metality sprechen, lernen wir auch immer nette Mitglieder aus anderen Gegenden kennen. Wir haben schon viele tiefgründige Gespräche nach unseren Lesungen geführt und viele nette Anekdoten anderer gehört.

Was, außer Musik, sind Deine Hobbies?

Ich spiele leidenschaftlich gern Tischfußball, gehe unglaublich gern auf Metalkonzerte und schaue sehr gern fern. Vor allem Serien und einige Reality Soaps wie das Dschungelcamp. Ich liebe den Wiener und den Münster Tatort und Serien wie Breaking Bad, Shameless, Desperate Housewifes, Sneaky Pete, Lucifer, Silo, Better Call Saul, Hand of God, etc. Und natürlich fotografiere ich sehr gerne, wie man an meinen umfangreichen Fotostrecken auf Metalogy unschwer erkennen kann.

Hast Du auch einen musikalischen Background?

Ja, ich lernte als Kind Cello und später ein bisschen Klavier. Damals gab es nur einen Lehrplatz in der Musikschule, aber 80 Bewerber. Meine Mama studierte mit mir und meinem Bruder ein dreistimmiges Lied ein, das ich bei der Aufnahmeprüfung mit ihnen singen sollte. Als ich dann drankam, beschloss ich kurzerhand, ein Piratenlied zu singen. Meine Mutter und mein Bruder konnten Gott sei Dank auch dazu spontan die zweite und dritte Stimme singen. Und ich bekam diesen einzigen Platz.

Nach drei Jahren merkte ich aber, dass Cello nicht das richtige Instrument für mich war. Ich war sehr klein, dünn und zierlich, hatte viele Schmerzen in der HWS und empfand es als sehr belastend, das riesige Ding immer mitschleppen zu müssen. Und so hängte ich das Cellospielen zum Leidwesen meiner Lehrerin, die sehr viel Hoffnung in mich gesetzt hatte, an den Nagel. Mein Bruder wurde später Cellist. Klavier lernte ich dann am musisch pädagogischen Realgymnasium. Und ein bisschen klassischen Gesang und Chorgesang bis zu meiner ersten Schwangerschaft. Leider habe ich bereits alles vergessen, was ich gelernt habe.

Mein Vater, der leider an Lungenentzündung starb, als ich fünf Jahre alt und er 29 war, konnte sieben Instrumente, meine Mutter zwei. Bei uns wurde auch in der Familie immer sehr viel gesungen. Zu Weihnachten sangen immer 22 bis 24 Leute und ein paar Hunde gemeinsam Weihnachtslieder.

Wie kamst Du zu Heavy Metal und warum ist es gerade diese Musik, die Dir so viel Freude macht?

Heavy Metal ist meist hochkomplex und unsere Community etwas ganz Besonderes. Aufgewachsen bin ich zwar mit Klassik und ich kannte mich damit auch lange Zeit ganz gut aus, aber Klassik macht mich ein bisschen traurig, wohingegen Heavy Metal – ich sage immer: meinem Organismus entspricht. Wenn es mir nicht gut geht, hilft oft ein bisschen Metal und schon schaut die Welt wieder etwas besser aus. Dazu gibt es inzwischen auch einige Studien, die belegen, dass diese Musik in vielerlei Hinsicht eine positive Wirkung auf uns hat. Objektiv gefällt mir Klassik natürlich immer noch, auch Jazz und so mancher Pop, aber Metal ist die Musik, die mich glücklich macht und mir gut tut.

Was bedeutet Dir am meisten?

Meine Familie und meine Freunde. Und natürlich die Musik.

Welche Zukunftswünsche hast Du, beruflich und privat?

Gesundheit. Ich möchte noch ein paar Bücher veröffentlichen – eines ist schon wieder fast fertig – eine englische Version von Wacken das perfekte Paralleluniversum verbreiten, ein Hörbuch davon machen, als Speaker meine Erfahrungen und Lebensweisheiten zum Besten geben und wahnsinnig gerne regelmäßig für einen Verlag lektorieren und redigieren. Privat würde ich gerne noch ein bisschen etwas von der Welt sehen, zur Hälfte in Wien wohnen und mehr Zeit mit meinen Söhnen verbringen. Und ich wünsche mir Enkelkinder, um die ich mich ausgiebig kümmern darf.

Für die Welt wünsche ich mir, dass die Menschen wieder toleranter und ehrlicher miteinander umgehen, Religionen nicht mehr entzweien, Gewaltverbrechen härter als Delikte gegen Materie bestraft werden und Strafen sich für alle Menschen gleich anfühlen, Medizinisches wieder verstaatlicht wird, Zweiklassenmedizin abgeschafft, alle Menschen der Welt genug zum Essen, Trinken und ein Dach über dem Kopf haben und wir Metalheads überall respektiert werden.