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Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

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Vorhersage schwerer COVID-19-Verläufe

Eine Kombination von Blut- und Urinwerten hilft dabei

von Dr. Bettina Albers

(22.07.2021) Eine deutsche Studie belegt den Nutzen eines diagnostischen Algorithmus, d. h. einer bestimmten, kombinierten Urin- und Blutanalyse, bei der stationären Aufnahme von COVID-19-Patienten. Anhand dieser „einfachen“ Laborparameter kann der Verlauf einer COVID-19-Erkrankung eingeschätzt und Risikopatienten können frühzeitig identifiziert werden.

SARS-CoV-2 kann Nierengewebe spezifisch befallen und eine Nierenbeteiligung bei COVID-19 ist mit einem signifikant schwereren Erkrankungsverlauf und einer zehnfach erhöhten Sterblichkeit assoziiert (11,2 Prozent versus 1,25 Prozent ohne Nierenbeteiligung; daher empfehlen die Leitlinien inzwischen eine Urinuntersuchung bei der stationären Aufnahme [4].

In einer Pilotstudie wurde vor einem Jahr von Prof. Dr. Oliver Gross und seinem Team der Klinik für Nephrologie und Rheumatologie der Universitätsmedizin Göttingen die Hypothese aufgestellt, dass bestimmte Urinwerte Hochrisikopatienten für schwere COVID-19-Verläufe erkennen können. In der nun publizierten Arbeit wurde in einem Kooperationsprojekt der Universitätsklinika Göttingen, Hamburg, Köln-Merheim und Aachen diese Hypothese erhärtet und ein diagnostischer Algorithmus bestätigt, der anhand dieser Urinwerte – kombiniert mit einer Blutuntersuchung – bereits bei der stationären Aufnahme vorhersagt, ob eine Intensivtherapie notwendig werden könnte.

Das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs wurde abhängig von den Urin- und Blutbefunden in drei Kategorien klassifiziert (niedrig, mittel oder hoch): normale Urin- und Blutbefunde, auffällige Urinanalyse mit normalen Blutwerten oder auffälliger Urin sowie pathologisches Serumalbumin <2 g/dl und/oder AT III <70 Prozent. Ein auffälliger Urinbefund war definiert als Anurie oder mindestens zwei pathologische Urinwerte (Osmolarität bzw. spezifisches Gewicht, Leukozyturie, Hämaturie, Albuminurie/Proteinurie).

Am Tag der stationären Einweisung erfolgte eine Urinanalyse sowie die Messung der Serumalbuminkonzentration und der Antithrombin-III-Aktivität. Primärer Studienendpunkt waren die Zeit bis zur Aufnahme auf die Intensivstation oder bis zum Tod. Von 223 gescreenten Patienten wurden 145 in die Studie eingeschlossen. 43 hatten bei der stationären Aufnahme ein niedriges, 84 ein mittleres und 18 ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf. Im Ergebnis war eine auffällige Urinanalyse signifikant mit einem höheren Risiko für eine Intensivbehandlung oder Tod assoziiert (63,7 Prozent versus 27,9 Prozent; HR 2,6; p=0,002); in der Hochrisikogruppe sogar zu 100 Prozent. Patienten mit pathologischem Urinstatus mussten häufiger mechanisch beatmet werden (44 Proszent versus 14 ÜProszent), benötigten häufiger eine vollständige Lungenersatztherapie (extrakorporale Membranoxygenierung/ECMO: 10,8 Prosszent versus 2,3 Prozent) oder eine Nierenersatztherapie (30,7 Prozent versus 11, Prozent).

„Zusammenfassend zeigen die Daten, dass SARS-CoV-2-assoziierte Urinauffälligkeiten, kombiniert mit zwei einfachen Blutwerten bei der stationären Aufnahme eine Abschätzung erlauben, ob sich die Erkrankung weiter verschlechtert, der Krankheitsverlauf also gefährlich wird oder sogar eine Intensivtherapie notwendig wird“, sagt Prof. Gross. „Die Daten bestätigen prinzipiell den Stellenwert von Nierenparametern als Seismograph für den COVID-19-Verlauf.“

„Kliniken können potentielle Risikopatienten früher identifizieren und damit den Bedarf ihrer verfügbaren intensivtherapeutischen Ressourcen nun etwas besser planen“, ergänzt Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke, Mainz, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN).