Letzte Aktualisierung: 04.10.2024
Vitamin D könnte Krebssterblichkeit senken
Es besteht kein höheres Risiko für Nierensteine oder Arterienverkalkung
von Dr. Sibylle Kohlstädt
(26.09.2024) Tägliche Vitamin D-Einnahme könnte die Krebssterblichkeit um zwölf Prozent senken. Doch Kritiker befürchten gesundheitliche Nebenwirkungen durch die mit der Vitaminsupplementierung verbundenen erhöhten Kalziumwerte im Blut. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) zeigte kürzlich: Die Einnahme von Vitamin D oder von Multivitamin-Präparaten ist zwar mit erhöhten Kalziumspiegeln verbunden. Doch Personen mit höheren Kalziumwerten erkrankten nicht häufiger an Atherosklerose oder Nierensteinen, den charakteristischen Folgen langfristig erhöhter Serum-Kalziumspiegel.
Vitamin-D-Mangel ist weltweit verbreitet und kommt besonders häufig bei Krebspatienten vor. Über das Jahr gemittelt, liegen die Vitamin D-Blutwerte bei rund 15 Prozent der deutschen Erwachsenen unter dem Schwellenwert für einen ausgeprägten Vitamin D-Mangel. Nach derzeitiger Studienlage schützt eine Vitamin D-Einnahme nicht davor, an Krebs zu erkranken, könnte aber die Wahrscheinlichkeit senken, an einer Krebserkrankung zu versterben. Die Voraussetzung dafür ist, dass das Vitamin täglich in niedriger Dosierung eingenommen wird.
Kritiker einer Vitamin D-Supplementierung betonen potentielle Risiken einer Überdosierung mit dem Vitamin, besonders bei unkontrollierter Einnahme ohne ärztliche Verordnung. Im Mittelpunkt ihrer Befürchtungen steht die bekannteste Funktion des Vitamins, die Steigerung der Aufnahme von Kalzium aus dem Darm. Stark erhöhte Kalzium-Spiegel („Hyperkalzämie“) könnten Nierensteine sowie auch Atherosklerose, umgangssprachlich auch als Arterienverkalkung bezeichnet, zur Folge haben.
Die DKFZ-Wissenschaftler Sha Sha, Ben Schöttker und Hermann Brenner untersuchten nun erstmals systematisch die Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen Vitamin D-Serumspiegeln und gesundheitlich relevanten Aspekten des Kalziumstoffwechsels. Sie konnten dazu auf die UK Biobank zugreifen, die Gesundheitsdaten von etwa einer halben Million Briten im Alter von 40 bis 69 Jahren enthält. Etwa vier von einhundert Biobank-Teilnehmer berichteten, dass sie regelmäßig Vitamin D-Präparate einnehmen und ca. 20 von 100 gaben an, täglich Multivitaminpräparate einzunehmen, die niedrig dosiertes Vitamin D enthalten.
Ein hoher Vitamin-D-Serumstatus an sich war nicht mit erhöhten Blut-Kalziumwerten verbunden. Doch bei Einnahme von Vitamin-D- oder Multivitaminpräparaten beobachteten die Forscher eine signifikant gesteigerte Wahrscheinlichkeit für eine Hyperkalzämie (46 bzw. 11 Prozent). Aber: Die Personen mit erhöhten Kalziumspiegeln erkrankten nicht häufiger an Atherosklerose oder an Nierensteinen.
Um herauszufinden, ob die Hyperkalzämie durch eine Überdosierung von Vitamin D verursacht worden sein könnte, verglichen die Forscher die Verteilung der Vitamin D-Spiegel unter den Nutzern von Vitamin D-Präparaten mit und ohne Vorliegen einer Hyperkalzämie. Dabei kam kein statistisch signifikanter Zusammenhang mit den Blutkalziumspiegeln zutage. Das bedeutet, dass die Hyperkalzämie wahrscheinlich nicht durch die Einnahme der Vitaminpräparate ausgelöst wurde, sondern andere Ursachen, evtl. erbliche Faktoren, eine Rolle spielen.
„Aus den Studienergebnissen geht hervor, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten in der britischen Bevölkerung als sicher angesehen werden kann. Diese Ergebnisse sind auf Deutschland übertragbar. Das ist für uns nicht überraschend, zu einer Überdosierung von Vitamin D kommt es erst bei Einnahme von extrem hohen Dosen über eine längere Zeit. Die übliche Vitamin D-Dosierung liegt in der EU zwischen 400 und 4.000 internationalen Einheiten (I.E.) pro Tag. Unerwünschte Wirkungen einer Überdosierung wurden dagegen in klinischen Studien erst ab einer Tagesdosis von 10.000 I.E. beobachtet“, sagt Sha Sha.
„Dies ist die weltweit bislang größte Studie, in der Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen Vitamin D-Konzentrationen im Blut, Vitamin D Supplementierung und Sicherheitsaspekten des Kalziumstoffwechsels untersucht wurden. Erfreulicherweise konnten wir dabei keinen Zusammenhang mit Erkrankungen feststellen, die auf eine erhöhte Kalziumkonzentration im Blut zurückzuführen sind“, fasst Ben Schöttker zusammen. „Diese Ergebnisse sind für die Abwägung von Nutzen und Risiken einer Vitamin D-Supplementierung hoch relevant, denn eine dem Bedarf angepasste Vitamin D Supplementierung in maßvoller Dosierung könnte einen wichtigen und sehr kostengünstigen Beitrag zur Prävention von Krebstodesfällen und verschiedenen Erkrankungen leisten", ergänzt Hermann Brenner.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs. (idw)