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Letzte Aktualisierung: 07.02.2025

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Verordnungspraxis auf dem Prüfstand

Thyroxin kann zu Knochenschwund/Osteoporose führen

von Dr. Andreas Mehdorn

(03.02.2025) Produziert die Schilddrüse das Hormon Thyroxin nicht in ausreichendem Maße, kann es durch L-Thyroxin medikamentös hinzugegeben werden. In nicht adäquater beziehungsweise zu hoher Dosierung steht das Medikament jedoch im Zusammenhang mit Risiken wie Herzproblemen, erhöhtem Blutdruck oder gastrointestinalen Nebenwirkungen. Eine aktuelle US-amerikanische Studie hat nun untersucht, ob die Einnahme von L-Thyroxin das Osteoporose-Risiko beeinflusst.

Dazu schreibt Prof. Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz, Bochum, von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e. V. im Medizinische Kurznachrichten aus der Endokrinologie – Hormone und Stoffwechsel: „Das Schilddrüsenhormon Thyroxin gehört in den USA und auch in Deutschland zu den am häufigsten eingenommenen Medikamenten. Nach einer Erhebung unter den mehr als neun Millionen Versicherten bei der BARMER Krankenkasse nehmen etwa elf Prozent  Thyroxin ein. Seit Jahren wird diskutiert, ob man es bei Euthyreose, beurteilt am TSH-Wert im Referenzbereich ´sicherheitshalber´ weitergeben, reduzieren oder einen Absetzversuch unternehmen solle.

Nur als eines von vielen Literaturzitaten sei aus jüngster Zeit das auf der Jahrestagung 2024 der Sächsischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin vorgetragene und in der Zeitschrift für Allgemeinmedizin publizierte Ergebnis einer Befragung von 33 hausärztlich tätigen Ärzten gebracht, welche zu diesem Thema anhand von drei konstruierten Fällen gefragt wurden, ob sie eine Änderung der Thyroxin-Therapie vornehmen würden. Am häufigsten wurde eine Beibehaltung oder sogar eine Erhöhung der Dosis befürwortet. Eine Reduktion oder Beendigung wurde nur selten vorgeschlagen, und wenn, dann mit der Begründung des Fehlens einer vorangegangenen  exakten medizinischen Indikation. Dieses Ergebnis entspricht weitgehend der Literatur.

Jetzt wurden auf der Jahrestagung der Nordamerikanischen Radiologen-Gesellschaft  vom  1.-5. Dezember 2024 die Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie im Rahmen der Baltimore Longitudinal Study of Aging (BSLA) von Radiologen, Endokrinologen und Epidemiologen der John Hopkin´s  Medical Institutions  in Baltimore, Maryland, USA  vorgetragen. Es wurden die Daten von 81 Personen (49 Frauen, 32 Männer über 65 Jahre) L-Thyroxin einnahmen und bei denen die Schilddrüsenfunktion bei regelmäßiger Testung im Referenzbereich lag  (TSH 0.4 – 5.0 ME /ml ), mit 364 gematchten  Patienten, die kein Thyroxin einnahmen verglichen.

Die Knochenmasse und Knochendichte aller Personen wurde regelmäßig überprüft. Die mittlere Beobachtungszeit betrug 6.3 Jahre. Dabei zeigte sich, dass sich unter Levothyroxin ein stärkerer Verlust an Knochenmasse und Knochendichte messen ließ als bei euthyreoten Menschen ohne Thyroxineinnahme.

Der Radiologe Dr. Shadpour Demehri,  Co-Autor der Studie, betonte, dass die Thyroxingabe – auch bei Einhaltung der aktuellen Leitlinien – mit einem erhöhten Knochenverlust assoziiert war. Die Endokrinologin Dr. Jennifer Mamman, ebenfalls Co-Autorin, empfahl, dass ältere Patienten ihre Schilddrüsenfunktion regelmäßig überprüfen lassen müssten und der Arzt immer eine Nutzen-Risiko-Bewertung vornehmen sollte, bevor er die Therapie fortsetzt.

Schließlich, und das erscheint dem Referenten (H.S.) besonders wichtig, deutete die Erstautorin, Frau Dr. Elena Ghotibi die Studie  so, dass ein erheblicher Anteil der Levothyroxin-Verordnungen an ältere Erwachsene ohne vorherige Schilddrüsenfunktionstestung erfolgt sei und dass oft Schilddrüsenhormon an Ältere  offenbar ohne exakte Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion verschrieben würde. Und auch, wenn Thyroxin unter gegebener Indikation angesetzt wurde, habe man die Schilddrüsenfunktion nicht überprüft und gegebenenfalls eine Reduktion oder ein Absetzen nicht erwogen.“