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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Stephan Heldmann geht in Ruhestand

Frankfurters oberster Stadtgärtner sagt ade

von Mirco Overländer

(21.11.2019) Zum Ende des Jahres geht Stephan Heldmann in den Ruhestand. Der studierte Landschaftsarchitekt leitet seit 2004 das Frankfurter Grünflächenamt, für das er inzwischen seit über 30 Jahren arbeitet. Unter seiner Ägide ist das Frankfurter Mainufer zum grünen Aushängeschild der Stadt geworden.

Stephan Heldmann
Foto: Stadt Frankfurt / Tim Ullmann
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Über die Entwicklung, die das Grünflächenamt unter seiner Leitung nahm, spricht Heldmann im Interview mit Mirco Overländer.

Herr Heldmann, hätten Sie es 1988 für möglich gehalten, dass Frankfurt heute vom Mainufer bis in den Stadtwald über so viele lebenswerte und großzügig bemessene Grünflächen verfügen würde?
HELDMANN: Als ich vor 30 Jahren nach Frankfurt gekommen bin, hat mich gleich fasziniert, dass man trotz des Verwaltungshandelns hier viel bewegen kann. Das liegt wahrscheinlich an der Mentalität und Tradition einer Handelsstadt. Ich habe mich nie eingeschränkt gefühlt und war immer erfreut, wenn das politisch Machbare mit dem fachlich Notwendigen zusammengeführt werden konnte. Der Erfolg unseres Tuns ist an den Nutzerzahlen ablesbar. Aber zurück zur Frage: Die Stadt hat in diesen 30 Jahren in ihrer gesamten Struktur einen unwahrscheinlichen Entwicklungsschub gemacht. Als Mitte des Jahres 1996 das Mainufer erstmals erweitert werden konnte, weil das Schlachthof-Areal dem Wohnungsbau gewidmet wurde, ist langsam aber stetig eine andere Wahrnehmung dafür entstanden, was wir an diesen Stellen beispielhaft geschaffen haben. Der damalige Umweltdezernent Tom Koenigs hatte uns kurz vor der Jahrtausendwende gefragt, was wir machen würden, wenn wir eine Million Mark mehr Gewerbesteuereinnahmen erhalten würden. Ich habe direkt geantwortet: Sofort ins Mainufer investieren, damit die Bürger sehen, wie man mit Aufwertung öffentlicher Flächen die Wertschätzung des städtischen Raumes erfahren kann. Ein Mainufer, das damals einen eher heruntergekommenen Eindruck hinterließ, wo es Angsträume gab und wo zuletzt in den achtziger Jahren mit kleinen Maßnahmen versucht wurde, gestalterisch etwas zu verbessern – vergeblich!

Das Mainufer war also die Keimzelle für die grüne Revitalisierung des Stadtraumes?
HELDMANN: Ja, denn scheinbar ist uns damit etwas Gutes gelungen. Damals haben wir relativ sparsam angefangen und waren bis dahin finanziell sicherlich nicht allzu verwöhnt. Trotzdem ist daraus ein Erfolgsmodell erwachsen. Mit circa 50 Prozent Beiträgen aus den Konversionsmitteln des Wohnungsbaus haben wir bis heute insgesamt zwölf Millionen Euro in das Mainufer investiert. Damit sind aus diesen 3,5 Kilometern 6,8 Kilometer begrünte Uferfläche geworden. Wir haben durch das Mainufer eine Zugänglichkeit zum Grün geschaffen, die als Alleinstellungsmerkmal diese Stadt wesentlich prägt. Durch die kontinuierliche Sanierung nahezu aller großen Grünanlagen, Volksparks und Patriziergärten haben wir inzwischen fast alle schlummernden Potenziale heben können. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre konnten wir soweit über 70 Millionen Euro in die Sanierung und Erweiterung unserer Wallanlagen investieren. Was derzeit aktuell ansteht, sind der Ostpark und die weitere Sanierung der Wallanlagen.

Werden der GrünGürtel sowie die vom Grünflächenamt betreute Fläche auch weiter wachsen?
HELDMANN: In den letzten Jahren verzeichnen wir im Durchschnitt pro Jahr einen Zuwachs an öffentlichen Grünflächen zwischen 15 und 20 Hektar. Dazu gehören neben den neuen Parks auf dem Riedberg auch Ausgleichsflächen für den Naturschutz und das wichtige Straßenbegleitgrün. Wenn man bedenkt, dass allein der Hafenpark eine Fläche von vier Hektar umfasst, hat man eine räumliche Vorstellung, was das für uns bedeutet – ohne dass wir im selben Umfang von Personalzuwächsen profitieren. Bis zu 20 Hektar pro Jahr ist eine äußerst sportliche Zuwachsrate. In den nächsten Jahren werden es eher sieben bis zehn Hektar pro Jahr werden: Teile in kleineren Neubaugebieten, bei der Grundsanierung von Straßenzügen und tendenziell, wenn graue zu grüner Infrastruktur wird. Aufgrund der relativen Kleinräumigkeit der Stadt werden wir nicht nur in die Höhe, sondern auch zusätzlich in die Fläche bauen müssen. Auch hier werden wir beim öffentlichen Grün begleitend tätig. Bestes Beispiel hierfür ist der Riedberg, wo wir durch die Umwandlung von Ackerflächen in ein Siedlungsgebiet auch im Straßenbegleitgrün und den Parkanlagen gefordert waren. Allein dort konnten wir über 3500 Bäume neu pflanzen. Das ist im Hinblick auf den Umgang mit den Klimafolgen und der zu erhaltenden Lebensqualität dieser Stadt eine sehr wichtige, weil nachhaltige Investition.

Welche Herausforderungen bei Finanzierung und Unterhalt ergeben sich aus der bereits üppigen Frankfurter Grünlandschaft?
HELDMANN: Grundsätzlich benötigen wir für das, was wir leisten, zunehmend auch mehr Ressourcen. Dazu gehört natürlich auch Personal. Nach 20 Jahren des Personalabbaus und der Aufgabenzuwächse konnten wir allein durch unsere umgesetzten Organisationsentwicklungen in allen drei Geschäftsbereichen Grünflächenunterhaltung, Friedhofsbetrieb und Forst noch keine zufriedenstellende Arbeitsbewältigung garantieren. Seit 2018 verzeichnen wir zum Glück wieder Personalzuwächse. Die allerdings dem Wachstum der Stadt und dem Klimawandel einer zu heißen Stadt geschuldet sind. Beides sind Faktoren einer Aufgabenmehrung.

Welche zusätzlichen Aufgaben erwachsen für Sie aus einer weiter wachsenden Stadt?
HELDMANN: Wachstum der Stadt heißt für uns zuvorderst, dass auf 24.000 Hektar Stadtfläche und mit bis zu 10.000 zusätzlichen Einwohnern jährlich weitere Verdichtung stattfindet. Es werden noch mehr Menschen unsere Grünflächen benutzen – auch, weil dort gute Aufenthaltsqualitäten zur Naherholung geschaffen werden. Aus dieser sozialen Infrastruktur resultiert ein großer Beitrag zur Lebensqualität. Aus finanzpolitischer Sicht kostet deren Unterhalt zunächst nur Geld. Der Wert und Nutzen dieser Flächen im Sozialgefüge der Stadt beläuft sich aber auf ein Mehrfaches der tatsächlichen Kosten. Das ist meine ganz klare Überzeugung. Gute Angebote generieren eben eine hohe Nachfrage. Das ist in der freien Wirtschaft durchweg mit Zahlen belegbar und ökonomisch nachvollziehbar. Und das gilt auch für das öffentliche Grün in großen Städten, wenn sie, wie in Frankfurt geschehen, durch Investitionen in Sanierung und Neubau für gute Naherholungsangebote ihrer Stadtbewohner sorgen. Leider lassen sich Wert und Nutzen grüner Freiräume in Städten (noch) nicht in konkreten Zahlen messen. Umso wichtiger ist es deshalb, diese kulturellen, ökologischen, ökonomischen und vor allem sozialen Aspekte des Grüns zu vermitteln, zum Beispiel durch dieses Interview.

Welches Budget schwebt Ihnen vor, um adäquat arbeiten zu können?
HELDMANN: Im Moment beträgt unser Budget rund 15 Millionen Euro pro Jahr. Mehr als ein Fünftel davon wird allein in die Reinigung unserer Flächen investiert. Egal, ob der Bürger sein Papier in den Abfalleimer fallen lässt oder daneben. Allein die Kampagne „cleanffm“ des Umweltdezernates zielt nur darauf ab, das Wegwerfverhalten unserer Besucher und das Erscheinungsbild unserer Grünanlagen ins Positive zu ändern. Frankfurt ist aufgrund der eingangs angesprochenen Kleinräumigkeit eine sehr stark frequentierte Stadt, die in ihren Grünanlagen zudem hohe Aufenthaltsqualitäten bietet. Trotz zusätzlicher Mittelzuweisungen in den letzten Jahren für die Bewirtschaftung, also die laufende Unterhaltung unserer Grünflächen, sind Flächenzuwächse und zunehmende Besucherzahlen die Hauptgründe für die Kostenzuwächse. Und auch der Umgang mit den Folgen des Klimawandels ist mittlerweile zu einem erheblichen Kostenfaktor geworden. Aus allen Einzelpositionen errechnet sich dann der aktuelle Bedarf für die nächste Haushaltsanmeldung. Der Stadt tut es gut, wenn die angemeldeten Mittel mit den zugewiesenen eine Deckungsgleichheit aufweisen.

Ist der Klimawandel die zentrale Zukunftsfrage für das Grünflächenamt?
HELDMANN: Ja, aber für alle planenden Ämter, die sich mit dem öffentlichen Raum beschäftigen und sich über integrierte Planungsprozesse für eine effizientere Stadtplanung einsetzen. In den nächsten Jahren werden wir uns vor allem mit dem Thema Multicodierung von Grünflächen beschäftigen müssen, also mit multifunktionalen Grünflächen, die neben der Erholung auch dem Regenwasserrückhalt und der Frischluftversorgung dienen, gleichzeitig aber auch einen hohen Freizeit- und Erholungswert aufweisen. Handlungsbedarf besteht auch bei der Pflege unserer Bäume. Allein mit dem Pflanzen neuer Bäume ist es nicht getan. Wir müssen die Standorte verbessern, um ein höheres Lebensalter unserer Bäume zu erreichen.

Der Hafenpark erfreut sich großer Beliebtheit. Sind Sie hier wegen des hohen Besucherandrangs, etwa an der Skatebowl oder den Sportplätzen, und des daraus resultierenden Müll-Problems, Leidtragender des eigenen Erfolgs?
HELDMANN: Wir sind dort tatsächlich in gewisser Weise Opfer unseres eigenen Erfolgs. Aber ich möchte das positiv betrachten: Die Skaterszene hat jahrelang auf eine geeignete Anlage gewartet, die sie nun auch nutzen möchte. Vor allem an Wochenenden sind Familien mit Kindern unterwegs, die auf diese Anlage drängen, deren fehlendes Können zudem die Profis gefährdet. Unsere Verantwortung ist es, hier regulierend einzugreifen, wenn dort falsche Nutzergruppen wie Kinder auf dieser Anlage für Profis unterwegs sind. Daher haben wir an Wochenenden Parkwächter engagiert, die Eltern darauf hinweisen, dass ihr Kind dort nicht mit seinem Skateroller fahren darf. Bisher gab es drei schwere Unfälle mit Beteiligung von Kindern, bei denen ausschließlich erwachsene Skater die Leidtragenden waren. Auch eine entsprechende Beschilderung wurde installiert. Obwohl das einige nicht hindert, die Anlage zu nutzen, ist wenigstens der juristische Aspekt der Verkehrssicherungspflicht geregelt. Jetzt, da sich die Probleme wieder zu verstärken scheinen, werden wir wieder mit Parkwächtern vor Ort sein. Zeitnah planen wir, den kleineren Besuchern in direkter Nähe etwas Attraktives als Ausweichmöglichkeit anzubieten. Nur so können wir die Anlage langfristig den erfahrenen Skatern widmen, für die sie ja auch gebaut wurde.

Zur Person:
Stephan Heldmann (63) ist gelernter Landschaftsgärtner. An der Hochschule Geisenheim hat er anschließend Landespflege studiert. Nach fünfjähriger Berufstätigkeit in seinem Ausbildungsbetriebund zwei Jahren bei der Stadt Wiesbaden fing Heldmann 1988 als Leiter der Abteilung für Sportplatzausbau, Kindergarten- und Schulanlagen im Frankfurter Grünflächenamt an. Acht Jahre später übernahm er eine zweite Neubauabteilung. Als Landschaftsarchitekt ist er seit 2004 Amtsleiter des Frankfurter Grünflächenamts mit seinen drei Geschäftsbereichen Grünflächenbewirtschaftung, Friedhofsbetrieb und Forst.

Heldmann ist Vizepräsident der Gartenamtsleiterkonferenz GALK, die auch den Deutschen Städtetag berät und sich deutschlandweit als Interessenverband für die Förderung und Entwicklung des städtischen Grüns versteht. Zum Ende des Jahres geht der Amtsleiter in den Ruhestand. (ffm)