Spener und Frankfurt
Vor 350 Jahren erschienen: die "Pia desideria" von Philipp Jacob Spener. Eine Gedenktafel an der Frankfurter Paulskirche erinnert an den einflussreichen Pfarrer und sein größtes Werk.

Foto: Stich von Bartholomäus Killian (1683)
Der Kirchen- und Sozialreformer Philipp Jacob Spener (* 13.1.1635, † 5.2.1705), der sogenannte „Vater des Pietismus“, wirkte von 1666 bis 1686 in Frankfurt am Main. Spener war Senior des Predigerministeriums, d.h. der leitende Geistliche der evangelischen Kirche in Frankfurt. Seine Wirkungsstätte war die Barfüßerkirche, die damalige ev. Hauptkirche der Stadt (heute: Paulskirche).
In Frankfurt setzte sich Spener dafür ein, dass sich Menschen aus allen Gesellschaftskreisen verstärkt am kirchlichen Leben wie am theologischen Diskurs beteiligen können. Dazu begründete er die „Collegia pietatis“ und bemühte sich um Bildung für Menschen aus allen Ständen. Er befürwortete eine Predigtpraxis, die verständlich war und dem Alltag der Menschen nahestand. Ferner forderte Spener die soziale Verantwortung für die wirtschaftlich Schwachen, dazu gründete er ein Waisen- und Armenhaus auf dem Klapperfeld (Im 17. Jahrhundert gab es noch keine organsierte Diakonie).
„Pia desideria“
Am 24. März 1675 – vor 350 Jahren – veröffentlichte Philipp Jacob Spener seine Reformschrift „Pia desideria“ (Fromme Wünsche) und rief damit eine neue Frömmigkeitsbewegung – den Pietismus – ins Leben, die die Bildungsgeschichte Deutschlands mitprägen sollte. In jener wegweisenden Schrift unter-breitete der Autor positive Reformschläge zur Erneuerung des lutherischen Kirchenwesens, einschließlich einer Vertiefung der Bibelkenntnis, Wahrnehmung des allgemeinen Priestertums, Betonung eines tatkräftigen Christentums und Reform des Theologiestudiums. Bei der Predigt steht nicht die rhetorische Kunst im Vordergrund, so Spener, sondern vielmehr der persönliche Glaube und das Ziel, den inneren Menschen zu formen und zu stärken.
Während die Obrigkeit mit einer Einhaltung der kirchlichen Ordnung und einer formalen Teilnahme am kirchlichen Leben zufrieden schien, nahm sich der reformfreudige Spener vor, den Menschen zu einer Umsetzung des Glaubens im Alltag und zu einer lebendigen Frömmigkeit zu verhelfen. Der Begründer des Pietismus sprach immer wieder vom wahren Glauben als einem „lebendig,, mächtig, geschäftig Ding“. Vor diesem Hintergrund stellte sich der Reformer ein tätiges Christentum vor. Nicht weniger wichtig als die rechte Lehre sei das entsprechende Handeln, welches sich in der Nächstenliebe zeige: Dazu gehört auch, dass man den Leuten wohl einpräge und sie dahin gewöhne, dass es mit dem Wissen in dem Christentume nicht genug sei, sondern es vielmehr in der praxi bestehe. Sonderlich aber unser lieber Heiland zum öfteren uns die Liebe als das rechte Kennzeichen seiner Jünger anbefohlen hat.
„Pia desideria“, die einerseits scharfe Kritik an der erstarrten lutherischen Orthodoxie übte und anderer-seits konkrete Wege der Reform aufzeigte, fand im evangelischen Deutschland großen Anklang und machte Frankfurt vorübergehend zum Zentrum der pietistischen Bewegung. Viele der Ideen, die in der Reformschrift angeregt wurden, sind noch heute in Hauskreisen oder der persönlichen Bibellese zu finden.
Spuren des Kirchenreformers in Frankfurt
Viele Spuren in Frankfurt am Main erinnern noch heute an den Kirchenreformer Spener, u. a. das Spenerhaus, ein Konferenzhotel der ev. Kirche am Dominikanerkloster, der berühmte Bilderzyklus in der St. Katharinenkirche (das Bild „Predigt des Propheten Hosea“ zeigt Spener als Hosea), die Spenerstraße in Ffm-Dornbusch und eine Gedenktafel an der Paulskirche.
Die Gedenktafel des Bildhauers Hans-Bernt Gebhardt wurde anlässlich des 275. Todestags von Spener (1980) angebracht. Die Inschrift auf dem linken Teil der Tafel erinnert an die „Pia desideria“; die Inschrift auf dem mittleren Teil lautet: PHILIPP JACOB SPENER 1635–1705 KIRCHEN- UND SOZIALREFORMER
SENIOR DER LUTHERISCHEN PFARRER FRANKFURTS 1666–1686, GRÜNDER DES ERSTEN FRANKFURTER ARMEN-WAISEN- UND ARBEITSHAUSES
VERFASSER DER PIA DESIDERIA
Er wirkte an der Barfüßerkirche, die bis zum Jahr 1786 an dieser Stelle stand.
Die Gedenktafel erinnert nicht zuletzt daran, dass dieser Ort über 700 Jahr lang (bis 1944) eine Stätte gelebten Glaubens war (Barfüßerkloster und -kirche / ab 1833 Paulskirche).
Pfarrer i.R. Dr. Jeffrey Myers, Saalgasse 17, 60311 Frankfurt am Main