Letzte Aktualisierung: 21.03.2025
So fern und doch so nah
Vom Frankfurter Palmengarten in den Dschungel Costa Ricas
von Norbert Dörholt
(07.03.2025) Am Dienstag, den 11. März, um 19 Uhr entführt die Frankfurter Biologin, preisgekrönte Filmemacherin und Journalisten Dr. Ina Knobloch im Saalbau Dornbusch in Frankfurt, Eschersheimer Landstraße 248, U-Bahn-Haltestelle Dornbusch, 1. Etage im Anne-Frank-Saal, interessierte Gäste in eine ganz besondere Welt – in das faszinierende mittelamerikanische Land Costa Rica.
Unterstützt wird sie von der Naturschutzorganisation Tropica Verde, einem Verein, der sich seit 1989 für den Erhalt der tropischen Regenwälder in Costa Rica engagiert und einen unmittelbaren Beitrag zum Klimaschutz leistet. Regenwald schützen ist eine Gemeinschaftsaufgabe: Mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen unterstützt der Verein konkrete Natur- und Artenschutzprojekte in Costa Rica in enger Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort. Schaun Sie da mal vorbei, liebe Leser, Sie werden es nicht bereuen.
Zur Einstimmung hier ein Auszug aus dem Vorwort der Autorin zu ihrem Buch „Mein Costa Rica“:
„Dschungel – allein das Wort hat bei mir schon immer Glücksgefühle und Sehnsüchte ausgelöst. In Costa Rica ging mein Traum in Erfüllung, dort bin ich seit vierzig Jahren immer wieder im Einsatz für den Dschungel, für Forschung und Naturschutz, als Vermittlerin zwischen den Welten. Costa Rica heißt „Reiche Küste“. Der Reichtum des mittelamerikanischen Landes war schon immer die Natur, ein Dschungelparadies mit einer Artenvielfalt, die hierzulande kaum vorstellbar ist, in einem demokratischen Land ohne Militär. Ein Mekka für Naturliebhaber und Biologen, ein Paradies für Ornithologen und genau so, wie ich mir als Kind den Dschungel vorgestellt und ersehnt hatte. Ein exotisch, bedrohter Sehnsuchtsort, den ich während meines Studiums entdeckt hatte und der nicht nur mein Herz in Windeseile eroberte, sondern zu meiner Mission wurde, für Natur, Klima und Zukunft der Menschheit.
Meine Jugend war eine düstere Zeit voller Zukunftsängste, geprägt von dem Mantra meiner Generation: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ Diese Prophezeiung ging vor 40 Jahren als Weissagung der Cree in die Geschichte ein, während Bilder vom brennenden Amazonas-Dschungel die westliche Welt erschütterten. Es spielte keine Rolle, dass dieser Satz so von den indigenen Cree wohl nie gesagt wurde. Die Botschaft zählte. Eine Botschaft für die Indigenen heute wieder auf die Straße gehen. Ergänzt wurden die Impressionen des Urwald-Infernos von den heimischen sterbenden Wäldern, dem Krieg in Vietnam und katastrophalen Chemie-Unfällen zu einem apokalyptischen Gesamtbild im düsteren Schatten des kalten Kriegs. Die Bilder waren omnipräsent, auch wenn es damals weder Internet noch Smartphones gab.
In der dystopischen Stimmung der damaligen Zeit, hatten wir wahlweise die drastischen Folgen des Klimawandels, den Atom- oder Chemie-Supergau oder den 3. Weltkrieg vor Augen. Die Bilder von der Zerstörung der Erde hatten mich damals nicht nur erschüttert, sondern fast körperlich geschmerzt. Die düstere Prophezeiung wurde zu dem Mantra einer ganzen Generation und von der darauffolgenden Generation „ich geb‘ Gas, ich will Spaß“ belächelt und damit schließlich auch von den Medien beerdigt. Dabei hatten wir mit unseren konkreten Forderungen und Vorschlägen schon sehr viel erreicht und die Erde wäre heute eine andere, eine bessere, wenn Umwelt- und Klimaschutz damals konsequent weiterentwickelt worden wären. Der Fehler darf sich nicht wiederholen.
Die Rettung der Schatzkammer Regenwald habe ich zu meiner persönlichen Mission gemacht. Mit dem Schutz der tropischen Wälder, der grünen Lunge unserer Erde, schützen wir die Menschheit. Um den Dschungel zu retten, habe ich als Biologin geforscht, als Naturschützerin dutzende Bäume gepflanzt, Waldstücke unter Schutz stellen lassen und einen Verein zum Schutz der Wälder gegründet. Die Bedeutung der Regenwälder für die Menschheit spielen in meinen Filmen, Artikeln, Büchern und Vorträgen immer wieder die zentrale Rolle.
Dieses Buch ist eine Hommage an Costa Rica, das Land, das mehr für den Erhalt der Regenwälder und anderer Urwälder getan hat, als jedes andere auf der Welt. Ein Land, dessen Einwohner für den Schutz von Natur und Klima brennen und das schon seit Jahrzehnten. Als Vermittlerin zwischen den Welten will ich für ein Paradies werben, das Menschheit schon so viel geschenkt hat: Den tropischen Regenwald. Nahrung, Medikamente, Tee, Kaffee, Blumen zauberhaft, mystisch, einzigartig und vieles mehr schenken uns diese Wälder, die wir weiterhin skrupellos vernichten und dem Technikwahn opfern.
Bereits 1972 hatte der „Club of Rome“ die wegweisende Studie „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht und vor ungebremster Nutzung fossiler Energien gewarnt. Ebenso vor dem unglaublichen Bevölkerungswachstum im Industriezeitalter und den damit verbundenen, unabsehbaren Folgen von Zerstörung und Verseuchung der Natur. Meine Kindheit und Jugend, war geprägt von apokalyptischen Umwelt- und Natur-Katastrophen. Es waren die 1970iger Jahre, zahlreiche Umweltorganisationen wurden gegründet, die Anti-Atomkraftbewegung aus der Taufe gehoben und die lachende rote Anti-Atomkraftsonne erfunden. Die Menschen gingen gegen das geplante atomare Lager Gorleben auf die Straße und ketteten sich an Bäume, um die Startbahnwest zu verhindern. Der Amazonasregenwald brannte weiter lichterloh. Die Chemie-Industrie stellte massenhaft das hochgiftige und cancerogene Herbizid „Agent Orange“ für den Einsatz im Vietnam-Krieg her.
An einen Abend in dieser Zeit erinnere ich mich, als wäre es gestern, aber es war der 8. Juni 1972. Ich hatte mich während der Hauptnachrichten ins Wohnzimmer geschlichen und erstarrte vor Schreck und Schock. In unserem flimmernden Schwarzweißfernseher sah ich ein nacktes, schreiendes Mädchen in meinem Alter panisch durch das Bild laufen. Haut und Haare waren verbrannt. Vielleicht war es auch nur ein Foto, das eingeblendet worden war. In meiner Erinnerung sehe ich sie rennen und höre ihre Schreie. Es war Phan Thi Kim Phuc. Das damals 9-jährige Kind ging als „Napalm-Mädchen“ in die Geschichte ein. Ihr Foto ging um die Welt und wurde zum Sinnbild für die Schrecken des Krieges und den verheerenden Folgen von Gift-Einsatz im Dschungel.
Doch auch ohne Krieg, zerstört der Mensch aus purer Gier unschuldige Paradiese. Lebensräume werden für Fleisch, Gold, Edelsteine, seltene Erden, Edelholz, Sojabohnen, Ölpflanzen, Tabak, Gummi, Fett/Palmöl oder Drogen vernichtet. Dafür wurden und werden die Regenwälder der Erde zerstört, in einem Tempo, das die Welt noch nicht gesehen hat. Heute scheint sich dafür kaum noch jemand zu interessieren. Damals, als die Zerstörung noch lange nicht so weit vorangeschritten war, wie heute, aber erstmals in das Bewusstsein der Menschen vordrang, sehnte ich mich danach diesen artenreichen Lebensraum zu sehen, riechen, fühlen, erforschen und schützen, bevor es zu spät war. Ich wollte Wege finden, den Urwald zu retten und meinen Teil zum Erhalt dieses einzigartigen Lebensraums beitragen.
Kartoffeln an der Leine
Aus dieser Sehnsucht heraus forschte ich am Botanischen Institut der Frankfurter Goethe-Universität bereits Anfang der 1980iger Jahre an einer bedeutenden Nutzpflanze, die überall in den Tropen verbreitet ist: Die Yamswurz, genauer an der Art Dioscorea bulbifera, einer tropischen Liane mit kartoffelähnlichen Knollen, die nicht unter der Erde gedeihen, sondern als dicke Bollen direkt aus den Blattachseln herauswachsen, quasi Kartoffeln an der Leine. Das stärkereiche Gemüse ist nicht nur ein wichtiges Grundnahrungsmittel, sondern auch eine bedeutende Heilpflanze, mit dem wertvollen Wirkstoff Diosgenin. In den 1950er Jahren kamen die ersten Anti-Baby-Pillen auf den Markt, basierend unter anderem auf Yams-Progesteron.
Es war die Zeit, als ich zum ersten Mal von einem paradiesischen Land, ohne Militär, voller Naturschätze und Regenwälder hörte, von: Costa Rica. Die Vision von dem Dschungelparadies schlich sich damals gleich doppelt in meine Gedankenwelt: Von der wissenschaftlichen Forschungs-Seite über die Yams-Wurz und privat von einem ausgewanderten Familienfreund, der die Natur von Costa Rica in so hellen Farben schillerte, dass ich gar nicht aufhören konnte daran zu denken. Ebenso enthusiastisch berichtete ein Studienkollege, der gerade von einem Forschungsaufenthalt in Costa Rica zurückgekehrt war.
Bei meinen Führungen durch die Tropenhäuser des Frankfurter Palmengarten, mit denen ich mir unter anderem mein Studium finanzierte, hatte ich fortwährend den Dschungel von Costa Rica vor Augen. Es war eine Zeit, in der es noch keinen einzigen deutschsprachigen Reiseführer über Costa Rica gab, kein Reisebüro Costa Rica im Programm hatte, geschweige denn Informationen zu dem kleinen Land zwischen Nicaragua und Panama. Ein Land, wenig größer als die Schweiz, aber so vielfältig wie kaum ein anderes auf der Erde. Ein paradiesischer weißer Fleck auf der Landkarte. So faszinierend, dass ich beschloss das erste deutschsprachige Reise-Buch über das Tropenparadies zu schreiben, sowie weitere Reportagen über herausragende Projekte in Costa Rica. Mit ein paar enthusiastischen Zeilen konnte ich damals auch schnell einen Verlag begeistern.
Eine Zeit ohne Handy und Internet, geschweige denn Smartphones. Die ersten PCs hatten gerade die Büros erobert und wurden mit wabbeligen Floppy-Disks gefüttert, auf denen ich später meine Doktorarbeit speichern sollte. Die Diplomarbeit hatte ich noch per Hand in die Schreibmaschinen-Tastatur gehackt. All meine Kenntnisse über Costa Rica stammten von den Erzählungen der Forschungskollegen, dem Familienfreund Roland Lelin und einem Stapel von Büchern aus Costa Rica über die dortigen Nationalparke, die mir die Kollegen überlassen hatten. Die Informationen über die unglaublich artenreiche Natur in den verschiedenen Schutzgebieten des tropischen Landes, saugte ich auf wie ein ausgedörrter Schwamm Wasser.
Das „Dschungelfieber“ hatte mich allerdings schon viel früher gepackt. Die Sehnsucht nach exotischen, tropischen Wäldern hatte mich schon als Kind heimgesucht. Vielleicht war es der Duft der feuchten Erde, durchdrungen von exotischen Düften, den ich schon als Kind liebte und von den Gewächshäusern im Frankfurter Palmengarten kannte. Dort studierte ich die tropische Pflanzenwelt, inhalierte die exotischen Düfte und verinnerlichte die vielfältigen Formen und Farben der exotischen Vegetation. Ich lernte die Tricks der tropischen Tier- und Pflanzenwelt kennen und gab mein Wissen an interessierte Gruppen aller Altersklassen weiter - von Schulklassen bis zu Kegelclubs.
Die Gewächshäuser konnten zwar nur ein armseliges Abbild der Dschungelvielfalt darstellen, aber dennoch eine faszinierende Essenz der Regenwaldpflanzen abbilden. Inmitten des „Großstadtdschungels Frankfurt“, beherbergen die sogenannten Tropicarien des Palmengartens zahlreiche verschiedene tropische Lebensräume mit ihren charakteristischsten Pflanzen, vom Nebelwald bis zum Mangrovensumpf. Bei jeder Führung lernte ich auch selbst immer noch etwas dazu: Von wandernden Palmen, bis zu gebärenden Mangroven, von insektenfressenden Kannenpflanzen bis zu Schlingpflanzen mit Ameisen-Armeen. Andere Pflanzen halten ein „Drogen-Cocktail“ bereit, um Tiere zu locken oder zu töten – je nach Bedarf.
Aspirin, Chinin, Diosgenin, Serotonin und dutzende andere Wirkstoffe gehen auf Pflanzen zurück, selbst Antibiotika haben ihren Ursprung in Pflanzen und Pilzen. Die Bandbreite der der medizinisch wirksamen Inhaltsstoffe in der Natur ist unfassbar groß und noch lange nicht erforscht. Seit Beginn der Menschheit spielen diese Naturstoffe eine überlebenswichtige Rolle.
Besonders „reich“ an Wirk- und Genuss-Stoffen sind die tropischen Wälder: Kaffee, Kakao, Tee, Bananen, Mango, Ananas, Avocado und selbst Kartoffeln, Paprika und Tomaten kommen ursprünglich aus den Tropen oder Subtropen, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Pflanzliche Abwehrstoffe gegen Schädlinge sind oft Heilmittel für Tier und Mensch.
Die Überlebenstricks vor allem der Dschungelpflanzen, sind so phantasievoll, dass man sie sich kaum ausdenken könnte. Diese wahren Geschichten von Mutter Natur hatten mich gepackt, wie ein spannender Krimi, dessen abenteuerlichste Kapitel ich noch erleben wollte und sollte. Für meine Feldforschungen an der Yamswurz schickte mir das Costaricanische Forschungsinstitut C.A.T.I.E. (Centro Agronómico Tropical de Investigación y Enseñanza) im Frühjahr 1987 eine Einladung und wenig später der Deutsch Akademische Austauschdienst (DAAD) Flugticket und Stipendium – mein Ticket ins Paradies.“