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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Sind Elektroautos nachhaltig?

VHB experts-Statement von Prof. Karsten Kieckhäfer

von Bianca Volk

(27.09.2022) Elektroautos sind eine Möglichkeit, CO₂-Emissionen im Personenverkehr zu reduzieren. Aber sind batteriebetriebene Fahrzeuge auch nachhaltig? VHB expert (VHB=Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V.) Karsten Kieckhäfer, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik, an der FernUniversität in Hagen stellt drei Thesen zu den Herausforderungen in der Elektromobilität auf.

Elektroautos spielen eine Hauptrolle für den Klimaschutz im PKW-Verkehr

Zehn Jahre – so alt waren laut Kraftfahrtbundesamt im Durchschnitt die zum Stichtag 1. Januar 2022 in Deutschland zugelassenen Pkw. Viele der heute verkauften Neuwagen mit Verbrennungsmotor stoßen somit sehr wahrscheinlich auch noch im Jahr 2035 Treibhausgase aus – deutlich zu lang, um dem Klimawandel entschieden entgegenzuwirken. Dass Elektroautos tatsächlich besser abschneiden, wurde in der Vergangenheit immer wieder angezweifelt. Doch die Studienlage ist eindeutig: Verglichen mit anderen Antriebstechnologien besitzen Elektroautos bereits heute über den gesamten Lebenszyklus die beste Klimabilanz.

Herausforderungen: nachhaltige und resiliente Lieferketten für Rohstoffe und Batteriezellen

Aus Nachhaltigkeitsperspektive liegen die Herausforderungen von Elektroautos in der Produktionsphase. Gründe hierfür sind der erhöhte Bedarf an Metallen und Energie bei der Herstellung der Batteriezellen sowie die globalen Lieferketten der Batteriesysteme. Sie führen gegenüber konventionellen Fahrzeugen zu einem größeren ökologischen Fußabdruck in der Herstellung und zu sozialen Problemen, wie z. B. einem erhöhten Risiko für Kinderarbeit. Aus ökonomischer Perspektive ist eine starke Abhängigkeit von wenigen Ländern festzustellen, in denen wichtige Rohstoffe (z. B. Kobalt und Lithium) gewonnen und weiterverarbeitet werden.

Gleiches gilt für die Produktion der Batteriezellen. Verbunden mit einer zunehmenden Verknappung des Angebots führt diese Länderkonzentration derzeit zu starken Preissteigerungen. Um die Lieferketten gleichermaßen nachhaltig und resilient zu gestalten, kommt der Identifikation, Auswahl und Entwicklung geeigneter Bezugsquellen und – wo immer möglich – dem Aufbau eigener Produktionskapazitäten eine herausragende Bedeutung zu.      

… sowie Materialsubstitution und Recycling

Lithium-Ionen-Batterien unterscheiden sich je nach Materialzusammensetzung. Schon aus ökonomischen Gründen werden Metalle wie Kobalt von den Automobil- und Zellherstellern häufiger durch andere Materialien ersetzt. Dies hat in der Regel auch positive ökologische und soziale Effekte. Weitere Vorteile können durch ein Recycling der Altbatterien erzielt werden. Hier werden die regulatorischen Anforderungen in der EU in Zukunft deutlich steigen: u. a. sollen spezifische Verwertungsquoten für Kobalt, Nickel, Lithium und Kupfer sowie Mindesteinsatzmengen von Kobalt-, Nickel- und Lithium-Rezyklaten vorgegeben werden.

Klar ist aber auch: Im Markthochlauf der Elektrofahrzeuge können Rezyklate nur in sehr begrenztem Maße Primärrohstoffe ersetzen. Erst einmal muss eine ausreichende Menge an Altbatterien zum Recyclen zur Verfügung stehen. Hiervon hängt im Wesentlichen auch die Wirtschaftlichkeit des Recyclings ab.

Am 27. September spricht Prof. Dr. Karsten Kieckhäfer zu diesem Thema auf der Tagung „Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Automobilindustrie“ an der FernUniversität Hagen. Professor Kieckhäfer ist einer von mehr als 200 VHB experts.