Schriftstellerin Ursula Krechel erhält den Georg-Büchner Preis 2025
Am 1. November 2025 wird Ursula Krechel endlich mit dem Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt ausgezeichnet. Die Laudatio hält die Schriftstellerin und Journalistin Sabine Küchler. Im Rahmen der Verleihung werden auch der Johann-Heinrich-Merk-Preis für Literarische Kritik und Essay und der Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa vergeben.
Foto: Renate Feyerbacher
Begrüßt werden die Gäste vom Präsidenten der Akademie, dem Schriftsteller Ingo Schulze. Grußworte werden Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, und Timon Gremmels, Hessischer Minister für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur, sprechen.
In Erinnerung an den in Goddelau geborenen Georg Büchner (1813-1837), Arzt, Dichter und Rebell, stiftete der Volksstaat Hessen 1923 den Georg- Büchner-Preis für Künstler aus allen Bereichen, der 1951 in einen allgemeinen Literaturpreis umgewandelt wurde. 74mal wurde der Preis seitdem verliehen, davon nur 13mal an Schriftstellerinnen und Poetinnen. Dank an Ingo Schulze, seit Ende 2023 Präsident der Akademie, und der Jury für die Wahl. Der gebürtige Dresdner Ingo Schulze, selbst ein bedeutender Schriftsteller, sprach mit Ursula Krechel auf der Buchmesse über ihre literarischen Themen: Flucht, Exil, Gewalt, Feminismus.
Ihre Themen, ihre poetischen Formen sind sehr vielfältig, aber ein Herzstück ist die Lyrik. Mehrere Gedichtbände, deren Sprachbilder oft außergewöhnlich, experimentell sind, hat sie verfasst. Im Gedicht Umsturz von 1977, da ist sie 30 Jahre alt, betont sie ihre Freiheit und neue Selbstsicherheit: „Von heut an stell ich meine alten Schuhe - nicht mehr ordentlich neben die Fußnoten - häng den Kopf beim Denken - nicht mehr an den Haken - freß keine Kreide.“
Die in Trier geborene, heute 77jährige, studierte in Köln und promovierte über den Theaterregisseur und en Herbert Jehring. Eine Zeit lang lebte sie in Frankfurt, heute in Berlin. Über Jahre lehrte sie im In- und Ausland. Die Aufzählung der Auszeichnungen, die sie erhielt, sprengen den Rahmen.
Den Leserinnen und Lesern wurde sie bekannt durch ihren Roman Landgericht, für den sie 2012 den Deutschen Buchpreis erhielt und der verfilmt wurde. Der jüdische Richter Dr. Richard Kornitzer kehrt 1947 aus dem Exil in Havanna nach Deutschland zurück. Dort arbeitet er wieder als Richter und Präsident des Mainzer Landgerichts, stößt jedoch immer wieder auf Ablehnung und Widerstand. Er sieht Widersprüche, die seinen Glauben an Recht und Rechtsstaatlichkeit erschüttern. Er kämpft um seine Rechte als Vertriebener und versucht gleichzeitig, die durch die Gräuel der Nazizeit verstreute Familie wieder zu versammeln. Er ist „ein Charakter von Kohlhaas'schen Dimensionen. Die Nazizeit mit ihren absurden und tödlichen Regeln zieht sich als Riss durch sein Leben. Danach ist nichts mehr wie vorher, die kleine Familie zwischen dem Bodensee, Mainz und England versprengt, und die Heimat beinahe fremder als das in magisches Licht getauchte Exil in Havanna.“ (Klappentext-Auszug). Dokumentarisches und Fiktives vermischen sich.
Einen anderen bedeutenden Roman Shanghai fern von uns hatte Ursula Krechel 2008 veröffentlicht. Er erzählt von den Schicksalen der nach Shanghai geflohenen europäischen Juden. Fast dreißig Jahre hat sie in Archiven recherchiert, an Konferenzen teilgenommen, mit Überlebenden korrespondiert und sich getroffen. Diese Romane sind fundiert, gründlich recherchiert und haben den Anspruch von Dokumenten der Zeitgeschichtsforschung.
Sehr geehrte Frau Ministerin ist der Titel von Ursula Krechels letztem Werk. „Sie schreibt in ihrem hoch politischen und stilistisch herausragenden Roman eine Kulturgeschichte aller Frauen – von einer römischen Kaisermutter zu einer Studienrätin, von einer Verkäuferin in einem kleinen Kräuterimperium zu einer Ministerin. Es ist die Geschichte ihres Widerstands gegen die Gewalt, die ihnen physisch und psychisch zugemutet wird“ (Verlagsmitteilung).
„Niemand erzählt so formbewusst wie Ursula Krechel“, schrieb Andreas Platthaus, Literaturkritiker der FAZ über das 2025 erschienene Werk.
Die Verleihung des Georg-Büchner-Preises findet am 1. November 2025 um 16 Uhr im Staatstheater Darmstadt statt. Fraglich, ob es noch Eintrittskarten gibt (auch im Livestream).
www.staatstheater-darmstadt.de
Am Abend zuvor, 31.Oktober, liest Ursula Krechel in der Orangerie Darmstadt. Eintritt frei (auch im Livestream).