Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

Werbung
Werbung

Schloss Johannisberg - Wegweiser des Rieslings

900jähriges Monument der Weingeschichte

von Karl-Heinz Stier

(18.10.2021) Es sind noch immer die Burgen und Schlösser im Rheingau, die mit Innenleben durch die ehemaligen Besitzer - Fürsten, Prinzen, Grafen oder Äbte - interessierte Besucher anlocken. Ein Johannisberger Klosterbruder notierte vor 500 Jahren: „Der Rheingau ist das anmutigste Ländle, aufs reichste geschmückt mit Wein“. Und mit den Letzteren meinte er die Anpflanzungen rund um die historischen Gebäude, die die Landschaft bis heute prägen, seine Weinberge und Weingüter.

Bildergalerie
Schloss Johannisberg mit seinen rundum Weinbergen aus der Vogelperspektive.
Foto: Schloss Johannisberg
***
Im 260 Meter langen Gewölbekeller schlummern Johannisberger Wein-Schätze
Foto: Schloss Johannisberg
***
Weingutleiter Stefan Doktor plaudert im Weinkeller oft über seine Erlebnisse im Schloss.
Foto: Karl-Heinz Stier
***
Die Johannisberger Weinbezeichnungen
Foto: Schloss Johannisberg
***
Dem Spätlesereiter wurde im Schlosshof ein Denkmal gesetzt.
Foto: Schloss Johannisberg
***

Das wohl traditionsreichste Weingut ist das Schloss Johannisburg mit den dazugehörigen Weinlagen rund um das Schloss. Seine Geschichte reicht bis ins 8. Jahrhundert zurück. 1721 wurde der 260 Meter lange Gewölbekeller vollendet, in der berühmten Schatzkammer Bibliotheca Subterranea lagern mehr als 25 000 kostbare Weine - unter optimalen Bedingungen. Der älteste Riesling stammt aus dem Jahr 1748.

Seit dieser Zeit wird in Johannisberg nur Riesling angebaut. Es entstand der erste geschlossene Riesling-Weinberg der Welt, und die Spätlese wurde als neuer Weinstil auf dem Schloss entdeckt. Hintergrund war eine verspätete Rückkehr des Traubenkuriers, der nach Fulda ritt, um vom Fürstabt die Leseerlaubnis einzuholen. Die Trauben hatten bereits Vollreife erreicht. Ein beherzter Kellermeister kelterte sie, die Spätlese wurde geboren. Seitdem ist sie das Aushängeschild des dortigen Weinbauteams. Noch heute gilt der Anspruch der Weingutsleitung, „den besten Riesling zu erzeugen“. Seit 2008 ist Stefan Doktor Mitarbeiter im Verkauf und seit 2016  Leiter der Domäne.

Das Schloss beschäftigt 45 Mitarbeiter. Das Terroir ist die Grundlage der Spitzenqualität. 50 Hektar ist das Weingut groß, nach Süden hin ausgerichtet, ein dem Taunusmassiv vorgelagerter Quarzit-Hügel, der den Trauben eine gute Sonneneinstrahlung bietet. Unter der Regie von Stefan Doktor wurde viel umgebaut. So zum Beispiel die gesamte Front des Hauptgebäudes erneuert und die untere Hälfte farblich anders gestaltet. In den Weinkeller investierte man 2018 eine hochmoderne Technik zur Traubenverarbeitung, baute zwei neue kühlbare Pressen ein und setzte für die trockene Weinzubereitung weiter auf Holzfässer, wie es schon lange praktiziert wurde, aber auch auf Edelstahl-Tanks.

Unter dem aus der Slowakei stammenden neuen Leiter, der auch Englisch, Russisch und Italienisch spricht, wurde auch die Weinqualität „Goldlack“ wieder entdeckt, die neben Gelb-, Bronze- und Silberlack die trockenen Ausrichtungen pyramidenartig ergänzt. Die Preise reichen hier von 15 bis 150 Euro pro Flasche. Auch die feinherben und edelsüßen Weine unterliegen dem Farbenspiel: vom Rotlack (Kabinett feinherb) bis Blaulack (Trockenbeerenauslese). Die Einteilung gibt es schon ab 1820, früher mit einem Siegellack versehen, heute mit farbigen Kapseln. „Wir erzielen damit eine besondere Beziehung zum Kunden“.

Apropos Kunden. Was diese angeht, so bezeichnet Doktor sie als „anspruchsvolle Genussmenschen“. Die meisten Käufer wohnen in Deutschland. Ein Drittel seines Weines gehen ins Ausland, vor allem nach China und Japan, aber auch nach Großbritannien und in die skandinavischen Länder.

Was die Zukunft des Rieslings angeht, so schwört er auf diese Traubensorte und glaubt, dass die klimatischen Kapriolen der letzten Jahre der Rebsorte nicht schaden. „Der Riesling ist eine Rebsorte, die sich der Natur anpasst und sie kann sich unter der Anleitung von uns denkenden Menschen sehr verändern“.

Und dabei sind wir bei seinen Zielen. Sein Arbeitsmotto heißt „Ich will gestalten und nicht verwalten“. Daher reist er oft ins Ausland, um den weltweiten Weinmarkt zu verstehen. „Alles, was die Menschen bewegt, auch in der Natur, darauf achten wir besonders. Wir leugnen aber nicht das Terroir, schließlich bringt jedes Erntejahr eine neue Herausforderung - so wie das diesjährige. Sein Wunsch liegt zwar bei 300 000 Litern, doch bei den Wetterbedingungen heuer und den kühlen Temperaturen komme man wahrscheinlich nur auf 220 000 bis 280 000 Liter. „Unser größtes Anliegen ist dieses Jahr allerdings, dass die Trauben gesund bleiben“.

Heinrich Heine wäre das sicher egal. Er meint zu den Spitzenlagen um Schloss Johannesberg: „Mon Dieu! Wenn ich doch so viel Glauben in mir hätte, dass ich  Berge versetzen könnte – der Johannisberg wäre just derjenige Berg, den ich mir überall nachkommen ließe“.