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Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

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Schimpfen und Fluchen im Alltag und früher

Neue Ausstellung im Museum für Kommunikation

von Karl-Heinz Stier

(12.08.2022) „Lass mal Dein Dampf ab, dann geht es Dir besser, Du Standochs!“, „An Dir ist ein Würstchenvisionär verloren gegangen!“, „Guck Dir Mal die farbenblinde Sonntagsfahrerin mit Hut an!“ oder „Gottes Blitz soll Dich treffen!“ Alles Beispiele für Schmähungen, Schimpfwörter und Kraftausdrücke, die uns allen eigen sind.

Bildergalerie
Plakat der Ausstellung
Foto: Karl-Heinz Stier
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Erläuterungen zur Ausstellung gaben ( v.l.n.r.): Museumsdirektor Dr. Helmut Gold, die Nürnberger Direktorin Dr. Annabelle Hornung und Kurator Dr. Rolf-Bernhard Essig
Foto: Karl-Heinz Stier
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Der Fluch der pinkelnden Katze
Foto: Karl-Heinz Stier
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Tierembryos sollen Foetus schützen
Foto: Karl-Heinz Stier
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Schmähungen und Flüche im Verkehr
Foto: Karl-Heinz Stier
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Schimpfen und fluchen, solange es die Welt und Menschheit gibt. Die Ausstellung „POTZ!BLITZ! Vom Fluch des Pharao bis zur Hate Speech“ im Museum für Kommunikation in Frankfurt geht diesem Sprachphänomen auf unterhaltsame Weise nach. Kurator Dr. Rolf-Bernhard Essig schlägt einen Bogen von saftigen Verfluchungen in Keilschrift über internationale Beschimpfungen mit Tiernamen bis zu Internet-Formulierungen. Da geht es auch um die Lust am Tabubruch, um Männer- und Frauenschmähungen, um das Phänomen der Fluchabwehr durch das Tragen von Amuletten, um Ausraster im Fußball und Verkehr oder um vergebliche Verbote von Kraftausdrücken. Historische Objekte sowie Mitmach-Angebote zeigen, dass Fluchen und Schimpfen ständige und lebendige Elemente jeder menschlichen Kommunikation sind.

Sie gehören zum  Grundverhalten des Menschen. Bestimmte Wörter haben eine Art magische Kraft. Meist handelt es sich um Tabu-Wörter. Ihr Gebrauch ist im Alltag nach den Regeln von Religion, Kultur, Moral und Gesetz verboten oder verachtet. Der Bruch dieser Regeln gibt den Kraftausdrücken allein schon Macht - so analysiert Dr. Essig. In der Alltagssprache unterscheidet man kaum zwischen Fluchen und Schimpfen. Fluchen ist aber mit dem Verfluchen anderer verbunden. Das Schimpfen verknüpft man oft mit etwas, das beschimpft wird: Personen, die eigene Situationen oder Institutionen. Allerdings kann man auch vor sich hin schimpfen. Hassreden dagegen bezeichnet meist radikale Verunglimpfungen, Beleidigungen, Herabwürdigungen von Personen, Gruppen, Völkern, Religionen oder Institutionen.

Hier eine Auswahl von konkreten Beispielen der Ausstellung:
In vielen Sprachen nennt man Kraftausdrücke „schmutzige Wörter“. Kindern, die ihre „ungewaschenes Maul“ voller dreckiger Frechheiten öffneten, wusch man z.B. hierzulande noch im 20. Jahrhundert tatsächlich den Mund mit Seife aus. Die derbe Reinigung, die Demütigung, der üble Geschmack sollte das Problem gründlich beheben, in der Regel vergebens.

Pinkelnde Katzen traf der Fluch, weil eine mal ihre Notdurft auf ein wertvolles Manuskript hinterließ. So wurden alle Katzen verwünscht, die sich in der Nähe von offenen Manuskripten bewegten.

Das Objekt soll Schwangere vor bösen Einflüssen, ob Fluch oder Unglück schützen. Die Tierembryos könnten als eine Art Ersatz vom Foetus im Mutterleib ablenken. Vielleicht sollten sie auch eine abschreckende Wirkung haben. Nichtgeborene schrieb der Aberglaube eine nicht verbrauchte Lebensenergie und damit Macht zu.

Fake News und Hassreden kommen von Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, wie Politiker oder Schauspieler Bei Männern sind Hassreden häufiger das Ziel, Frauen wurden und werden eher wegen ihrer Körperlichkeit angegriffen - und dann auch sehr drastisch.

Verunglimpfungen sind oft auch beim Autofahren festzustellen, zum Beispiel nimmt man anhand der Kennzeichen-Kürzungen Erläuterungen über  die Herkunft des Fahrers vor z.B.  OF-Fahrer: ohne Führerschein.

Im Verkehr entladen sich Frust, Wut und Hass heftig und häufig. Es „fasziniert“, wie sich  hier sonst friedliche Menschen in explosive Fluch-Bomben verwandeln. („Farbenblinder Sonntagsfahrer mit Hut“). Bei einer Befragung von 500 Kindern zwischen 4 und 16 Jahren wurde festgestellt, dass 75 Prozent der deutschen Eltern im Auto über andere Verkehrsteilnehmer schimpfen, 41 Prozent schreien und 54 sich mit ihnen streiten.

Es gibt auch Ortsfrechheiten – wie die Frankfurter Schimpfkultur. So hört man oft das Wort „Handkässtemmer“. Besucher der Ausstellung werden gebeten, diese Auswahl zu ergänzen.

Auf den Toiletten werden oft geschlechtsspezifische Beschimpfungen registriert („Schlampe*r, Wichse*r). Beispiele werden auf der Toilette des Museums verdeutlicht.

Kraftausdrücke ähneln einander weltweit. Dennoch gibt es Tendenzen, welche Wörter besonders stark im Ausdruck sind. In Deutschland sind Kraftausdrücke aus dem Bereich der Ausscheidungen und ihrer Organe besonders beliebt  (z.B Leck mich am A….“). In Italien oder Spanien wählt man dagegen schon lange sexuelle oder/und religiöse Kraftausdrücke.

Nach Mitteilung von Dr. Helmut Gold, Direktor des Museums, ist die Ausstellung ein Gemeinschaftsprojekt zusammen mit dem Museum Nürnberg. Die Leiterin Dr. Annabelle Hornung nahm deshalb an der Pressekonferenz teil.

Die Ausstellung POTZ!BLITZ! dauert bis zum 29. Januar 2023. Öffnungszeiten Dienstag-Sonntag 10-18 Uhr, Mittwoch 10-20 Uhr.

Aktuelle Coronaregelungen unter www. mfk-frankfurt.de. Weitere Infos  unter (069)60500.

Einritt: ab 6 Jahren 1.50 Euro, ab 18 Jahre 6 Euro – ermäßigt 4 Euro. Freitags freier Eintritt für Schulklassen& Gruppen ab 10 Personen.