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Letzte Aktualisierung: 19.03.2024

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SARS-CoV-2 greift das Herz an

MHH-Forschungsteam weist Biomarker für kardiovaskuläre Belastung im Blut von Betroffenen nach

von Stefan Zorn

(26.01.2021) Infektionen mit dem Coronavirus bedeuten nicht nur eine Belastung für die Lunge. Es befällt auch massiv das Herz-Kreislauf-System. Eine Forschungsgruppe des Instituts für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat nun bestimmte Biomarker bei schwerkranken COVID-19-Betroffenen nachgewiesen, die typischerweise bei Entzündungsprozessen und bei Patienten mit Herzerkrankungen zu finden sind und mögliche neue therapeutische Ansatzpunkte bieten.

Dr. Anselm Derda, Dr. Christian Bär, Dr. Ankita Garg, Professor Dr. Dr. Thomas Thum (mit dem Modell eines Herzens) und Dr. Benjamin Seeliger.
Foto: Karin Kaiser/MHH
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Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bedeuten nicht nur eine Belastung für die Lunge. Das Virus befällt auch massiv das Herz-Kreislauf-System. Eine Forschungsgruppe des Instituts für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat nun bestimmte Biomarker bei schwerkranken COVID-19-Betroffenen nachgewiesen, die typischerweise bei Entzündungsprozessen und bei Patienten mit Herzerkrankungen zu finden sind und mögliche neue therapeutische Ansatzpunkte bieten.

Die Studie unter der Leitung von Institutsdirektor Professor Dr. Dr. Thomas Thum und Dr. Christian Bär ist von der Deutschen Herzstiftung gefördert worden und im European Journal of Heart Failure veröffentlicht. Erstautoren sind Ankita Garg, PhD, Dr. Benjamin Seeliger und Dr. Anselm Derda.

„Wir haben angenommen, dass sogenannte nicht kodierende mikroRNAs, die keine Baupläne für genetische Information tragen, eine wesentliche regulatorische Rolle bei der überschießenden Immunreaktion und den anschließenden Umbauarbeiten im Bindegewebe der Lunge und des Herzens spielen. Wir wussten bereits, dass diese mikroRNAs auch im Blut detektierbar sind“, erklärt Professor Thum.

Das Forschungsteam hat in Zusammenarbeit mit den MHH-Kliniken für Kardiologie und Angiologie sowie für Pneumologie Blutproben von 38 COVID-19-Patienten untersucht, die intensivmedizinisch behandelt und beatmet wurden. „Dafür haben wir uns auf verschiedene sensible mikroRNA-Marker für kardiovaskuläre Schäden konzentriert und analysiert, wie hoch ihre Konzentration im Blutserum ist“, sagt der Institutsleiter.

Zum Vergleich wurde in der Studie auch das Blut von Grippe-Patienten mit akutem Atemnotsyndrom (Acute Respiratory Distress Syndrome ARDS) untersucht, die ebenfalls intensivmedizinisch behandelt und beatmet werden mussten, sowie Blutproben einer gesunden Kontrollgruppe. Das Ergebnis: Im Vergleich zu den Gesunden war die Konzentration der mikroRNA-Marker im Blutserum der schwerkranken COVID-19-Patienten deutlich erhöht. Sie unterschied sich aber auch signifikant von den Werten der schwerkranken, ebenfalls mechanisch beatmeten Influenza-ARDS-Patienten.

Der Nachweis, dass auch das Herz von SARS-CoV-2-Infektionen betroffen ist, hat möglicherweise Folgen für die Behandlung Erkrankter. „Nach unserer Einschätzung müsste die Herzfunktion von COVID-19-Patienten im Langzeitverlauf beobachtet werden“, sagt der Kardiologe Thum. Außerdem will das Forschungsteam nun untersuchen, ob mit Hilfe der Biomarker auch eine Prognoseabschätzung für den Krankheitsverlauf und der Genesung möglich ist. Die mikroRNAs könnten zudem Ansätze für neue Therapien ermöglichen.

(Originalpublikation: Die Originalarbeit „Circulating cardiovascular microRNA in critically ill COVID-19 patients” steht unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ejhf.20969)