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Letzte Aktualisierung: 02.06.2023

Revolution im Karmeliterkloster

„Feuer! De Maa brennt!“

von Karl-Heinz Stier und Ingeborg Fischer

(17.05.2023) Im Hof des Kreuzgangs des Karmeliter-Klosters versuchte Michael Quast mit dem Ensemble der fliegenden Volksbühne, das dramatische Geschehen in Frankfurt im September 1848 rund um die Nationalversammlung in der Paulskirche in Mundart auf die Bühne zu bringen.

Bildergalerie
Michael Quast (links) als Heinrich Situlus vom „Peinlichen Verhöramt“ mit Gabriel Spagna, dem Schneidergesellen Simon Niebergall aus Ginnheim
Foto: Andreas Malkmus
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Ulrike Kinbach (links) als Henriette Zobel, die einen Abgeordneten der Nationalversammlung mit dem Regenschirm erschlagen haben soll und Randi Rettel als Annette aus Ginnheim, die mit ihr kämpfte
Foto: Andreas Malkmus
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In Kooperation mit dem dort ansässigen Institut für Stadtgeschichte Frankfurt entwickelte Rainer Dachselt als Autor anlässlich des Paulskirchen-Jubiläums ein Mundartstück, das jetzt Premiere hatte.

Alle Stühle waren besetzt, das Wetter – wenn auch kühl – spielte mit. In historischen Kostümen stimmten Nina Wurman (musikalische Leitung und Akkordeon), Dirk Rumig (Klarinette) und Jens Weiß (Kontrabass) das Publikum musikalisch auf das Geschehen auf der kleinen Bühne ein. Die Revolution konnte beginnen. Die Ausstattung war klug überlegt. Zwei einfache Tische, Stühle, verschiebbare Kulissen mit Skizzen: Römer, Qualm, Häuser.

Auf der Basis historischer Berichte, Biographien und Protokollen entwickelte sich zunächst ein Verhör zwischen Michael Quast als Heinrich Situlus vom „Peinlichen Verhör-Amt“ und dem Schneidergesellen Simon Niebergall (Gabriel Spagna) aus Ginnheim. Dem Simon wird Mord, Aufstand, Barrikadenbau vorgeworfen. „Seh isch so aus wie en Mörder?“ Antwort: „De Mörder erkennt mer da dran, dass er net so aussieht. Du kimmst ins Loch!“ Das Geschehen wechselt immer wieder vom Verhör zu den aufgebrachten Frankfurter Bürgern, die mit Mistgabel bewaffnet den Barrikadenbau mit aufgestapelten Stühlen andeuten, Fahnen schwenken und die Abgeordneten in der Paulskirche niederschreien. „Isch haach der uff de Kopp, dass de aus de Rippe guckst wie de Aff aus em Käfisch!“

Eine weitere zentrale Figur in dem Stück ist auch die Frau mit dem Regenschirm, fabelhaft gespielt von Ulrike Kinbach. Nachempfunden wurde sie der historischen Figur Henriette Zobel, die einen Abgeordneten der Nationalversammlung totgeschlagen haben soll. Ihr Schirm wurde damals als Corpus Delicti sichergestellt.

Die Ensemble-Mitglieder der fliegenden Volksbühne übernehmen auch doppelt Rollen, sogar Michael Quast. Er mimt nicht nur den Mann vom Verhör-Amt, sondern auch einen Abgeordneten Rösler und einen hessischen Offizier.

Michael Quasts Schauspieltruppe beherrscht die Frankfurter Mundart perfekt, das Publikum amüsierte sich köstlich, die drei Musikanten unterstützten das Geschehen stimmungsvoll, und die Souffleuse half Quast charmant über einige Hänger hinweg.

In einer 20-minütigen Pause wurden die Besucher zu einem Umtrunk mit Frankfurter Wein eingeladen.

Es war ein vergnüglicher Abend. Ob das Geschehen vor 175 Jahren, das ja einen sehr ernsten Hintergrund hatte und bei dem zwei linksliberale Abgeordnete getötet wurden, sich unbedingt als Burleske eignet, das kann dahingestellt bleiben.

Es wirkten weiterhin –jeder in seiner Rolle perfekt – mit: Randi Rettel und Andreas Jahncke. Regie führte bewährt wie immer Michael Quast.

Weitere Vorstellungen: 17.5./ 19.5./ 20.5./ 21.5. um jeweils 20 Uhr, Einlass ab 19.30 Uhr. Im Herbst kommt es  auf die Volksbühne im Großen Hirschgraben.

Das Theaterstück ist Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung „Auf die Barrikaden! Paulskirchenparlament und Revolution 1848/49“, die noch bis zum 1. Oktober im Institut für Stadtgeschichte in der Münzgasse zu sehen ist. Es lässt die Tradition des Freilufttheaters im Garten des Karmeliterklosters wieder aufleben.