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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Randbemerkung: Künstliche Intelligenz und Beethoven

von Ingeborg Fischer

(19.10.2021) 16 Jahre war ich alt, als ich an einem Sonntagmorgen gemeinsam mit meinem Bruder ein Matinee-Konzert im Offenbacher Goethe-Theater (heute Capitol) besucht habe. Wir hatten dafür Schüler-Karten, und Beethovens Neunte Symphonie stand auf dem Programm. Viel wussten wir nicht über den Komponisten, aber unser Vater hatte gesagt, der hätte wundervolle Musik geschrieben.

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Es war ein Musikerlebnis, das ich nie vergessen habe, gewaltig, beeindruckend, unvorstellbar schön. Als der Chor die Ode an die Freude anstimmte, hab ich, wenn ich mich recht erinnere, geweint.

Beethovens Musik hat mich von da an mein ganzes Leben begleitet. Ich bin wahrlich keine Expertin, kann auch nicht unbedingt klug mitreden, wenn sich wirkliche Klassik-Kenner unterhalten. Ich weiß nur, dass Ludwig van Beethoven, auch als er schon völlig taub war, Werke komponiert hat, die die ganze Welt begeistern und die außergewöhnlich schön und  beeindruckend sind.

Neun Symphonien hat Beethoven geschaffen, eine Zehnte konnte er nicht vollenden, weil er viel zu früh im Alter von 56 Jahren verstorben ist. Aber er hat Fragmente, einige Skizzen und Notizen hinterlassen, denen sich schon vor über zwei Jahren ein Experten-Team von Musikwissenschaftlern und Programmierern gemeinsam mit der Telekom bemächtigt haben, um ein Experiment zu wagen, das jetzt zum 250. Geburtstag Beethovens zum Abschluss gebracht wurde. Sie haben die Fragmente gemeinsam mit Beethoven-Stücken und auch mit Musik von Zeitgenossen in einen Computer Künstliche Intelligenz eigegeben, auch selbst mitgewirkt, geordnet. Herausgekommen ist die Zehnte Symphonie – komponiert von Künstlicher Intelligenz - die jetzt im Jubiläumsjahr vom renommierten Beethoven Orchester in Bonn uraufgeführt wurde.

Die Reaktionen sind unterschiedlich. Die einen sind beeindruckt oder sogar begeistert, andere üben Kritik am Aufbau und Klangerlebnis. Ich kann es nicht beurteilen, denn ich habe es nicht angehört und will es auch nicht! Ich bin mir nur sicher: eine Künstliche Intelligenz wird nie und nimmer imstande sein, etwas so Neues, Geniales wie die Ode an die Freude am Ende einer Symphonie zu schaffen, auch wenn die Computer mit noch so vielen Einzelheiten aus der gesamten Musikwelt gefüttert würden.

Die Beteiligten haben betont, dass es sich um ein Experiment gehandelt hätte und nicht darum, Beethovens Einzigartigkeit anzuzweifeln. Meiner Meinung nach hätte man es ganz einfach lassen sollen. Beethoven hat genug hinterlassen, das auch die nächsten 250 überdauern und die Musikliebhaber begeistern wird.

Na ja, wer hört schon uff mei Meinung, vielleicht hab ich ja aach unrecht. Awwer trotzisch wie ich bin saaach ich: mer muss net alles, was machbar is odder geht, aach mache, gelle!