Letzte Aktualisierung: 31.03.2023
Randbemerkung: Bomben
von Ingeborg Fischer
(10.03.2023) Am Rand des Stadtteils von Mühlheim, in dem ich wohne, wo man noch über Wiesen und Felder spazieren gehen kann, ist im zweiten Weltkrieg eine Bombe eingeschlagen. Sie ist damals explodiert und hat ein riesengroßes Loch geschlagen. Fast 80 Jahre ist das her, und die Natur hat aus der tiefen Wunde etwas Wunderschönes gemacht.
Ein kleines Biotop ist entstanden, Rohrkolben, Schilf und Schwerlilien umgeben einen kleinen Teich mit Wasserlinsen und Wasserschnecken. Libellen schwirren und Frösche sitzen am Rand. Es ist ein Platz zum Träumen. Aber auch ein Platz, um sich an vergrabene Ängste zu erinnern.
Als die Bomben über Deutschland abgeworfen wurden, war ich noch ein Kleinkind. An was ich mich wirklich noch erinnere oder was ich nur aus den Erzählungen der Mutter weiß, kann ich nicht auseinanderhalten. Meine Mutter ist, als es immer schlimmer wurde, mit meinem Bruder und mir nach Oberhessen geflohen. Sie hat einen kleinen Koffer gepackt, die Wohnung verschlossen, weg vom Bombenhagel und Bombenalarm. Hart hat sie auf dem Bauernhof, wo wir untergekommen waren, arbeiten müssen, aber wir waren in Sicherheit. Als Hanau brannte, haben wir auf einem kleinen Hügel gestanden und den feuerroten Himmel gesehen. Das ist mir noch sehr verschwommen in Erinnerung. Ob es auch unser Haus getroffen hat, wussten wir nicht. Erst als die Großmutter am nächsten Tag mit dem Fahrrad kam und Entwarnung gab, konnte die Mama zunächst aufatmen.
Nach dieser langen Zeit werden immer noch Fliegerbomben gefunden, die nicht detoniert sind, die noch in der Erde schlummern. Es ist eigentlich gar nicht zu glauben, aber gerade in der vergangenen Woche wurden in Hanau und auch in Offenbach wieder tödliche Waffen entdeckt. Frankfurt war ja auch schon sehr oft betroffen. Teilweise müssen diese Blindgänger kontrolliert gesprengt, ansonsten entschärft werden. Dafür gibt es Spezialisten, vor denen man nur den Hut ziehen kann. Es ist ein gefährliches Geschäft! Die Menschen im Umkreis müssen ihre Wohnungen verlassen, werden in Sicherheit gebracht. In Hanau waren jüngst 15.000 Menschen von den Evakuierungen betroffen, in Offenbach fast 9.000, darunter viele alte Menschen, die sich sicher noch an den Bombenhagel bis 1945 erinnern. Ja, da kommen verschüttete Ängste wieder hoch! Es gab auch trotzige Evakuierungs-Verweigerer, die gezwungen werden mussten, ihr Heim in der Gefahrenzone vorläufig zu räumen und die dadurch die Aktion über Stunden verzögerten. Was die sich dabei gedacht haben, das erschließt sich mir nicht.
Wie viel tickende Bomben nach so langer Zeit noch in der Erde lauern, weiß man nicht. In diesen Zeiten ist es schrecklich, wenn ich daran denke, dass Flugzeuge gar nicht so weit weg von uns wieder Bomben abwerfen, Häuser zerstört werden, Menschen sterben.
„Aus Schaden wird man klug!“ sagt ein Sprichwort. Es scheint leider nicht so zu sein!