Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 02.06.2023

Randbemerkung: „Sieh einmal, hier steht er. Pfui, der Struwwelpeter“

von Ingeborg Fischer

(19.05.2023) Der Frankfurter Arzt und Psychologe Heinrich Hoffmann (1809-1894) hat den „Struwwelpeter“ für seinen dreijährigen Sohn Carl geschrieben und die Figuren gezeichnet, weil er kein Buch für ihn fand, das ihm geeignet erschien.

Foto:
***

Dem Kleinen muss es gefallen haben, so viel weiß man. Freunde von Hoffmann waren begeistert und drängten ihn, das Büchlein drucken zu lassen. Der Struwwelpeter, der bitterböse Friederich, Daumenlutscher Konrad, Paulinchen, Hans Guck in die Luft und alle anderen in dem Buch eroberten die Kinderzimmer, und die Geschichten wurden in über 40 Sprachen in aller Welt übersetzt.

Es erzählt von unartigen Kindern, die für ihren Ungehorsam drastisch bestraft werden: der Struwwelpeter wird verspottet, der Suppenkaspar verhungert, Paulinchen verbrennt, den Friederich beißt der Hund ins Bein, und schnipp und schnapp schneidet der Schneider dem Konrad die Daumen ab. Schrecklich! Schwarze Pädagogik wirft man dem Buch vor, sogar über ein Verbot wurde nachgedacht. Auch wenn die Geschichten aufgrund der schlimm dargestellten Erziehungsmaßnahmen aus heutiger Sicht nicht mehr zeitgemäß klingen, werden sie immer noch gerne gelesen und die Bilder betrachtet. Märchen sind ja auch oft grausam. Kinderpsychologen halten sie allerdings für wichtig. Die meisten Kinder lieben den „Struwwelpeter“, die Reime, können sie sogar ein Leben lang auswendig aufsagen.

Heinrich Hofmann hat im 19. Jahrhundert gelebt. Erstaunlich ist für mich, dass er sich schon damals mit seinen „bösen Buben“, die ein dunkelhäutiges Kind verspotten und deshalb vom großen Nikolas ins Tintenfass getaucht werden, gegen Rassismus ausgesprochen hat. Auch wenn er „weiß“ als gut und „schwarz“ sein als Strafe hingestellt hat, war das zu dieser Zeit zumindest ungewöhnlich.

Politisch ein Liberaler, hatte er auch einen Anteil an den revolutionären Ereignissen 1848. Er war einer der Abgeordneten des Vorparlaments in der Paulskirche, wo die erste deutsche Nationalversammlung vorbereitet wurde.

Lassen wir also den Robert weiterhin fliegen, den Friedrich bittre Arznei schlucken, Minz und Maunz die Katzen um Paulinchen weinen und den Hans Guck in die Luft ins Wasser fallen. Und wer Lust hat, der kann sogar ins Struwwelpeter-Museum in der Frankfurter Altstadt gehen – charmant und klein, aber fein!

Der Schlingel Struwwelpeter hat die Welt erobert. Und das ist gut so!