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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Rückführung irregulärer Migranten

Es hapert bei der Zusammenarbeit der EU mit Drittländern

von Ilse Romahn

(14.09.2021) Die EU arbeitet mit Drittländern nicht effizient genug zusammen, um dafür zu sorgen, dass Migranten, die sich illegal im Hoheitsgebiet der EU aufhalten, in ihr eigenes Land zurückkehren. Dies geht aus einem soeben veröffentlichten Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs (EuRH) hervor.

Im Zeitraum 2015-2020 habe die EU beim Abschluss von Rückübernahmeabkommen mit Drittländern nur begrenzte Fortschritte erzielt. Außerdem seien die EU-Maßnahmen nicht straff genug gewesen, um sicherzustellen, dass die Drittländer ihren Rückübernahmeverpflichtungen in der Praxis auch tatsächlich nachkommen.

Seit 2008 wurden jedes Jahr rund eine halbe Million Nicht-EU-Bürger aufgefordert, das Unionsgebiet zu verlassen, weil sie unerlaubt in die EU eingereist waren oder sich dort ohne Erlaubnis aufhielten. Allerdings kehrten weniger als 20 % von ihnen tatsächlich in ihre Heimatländer außerhalb Europas zurück. Ein Grund für die niedrige Rückkehrquote bei irregulären Migranten sei die schwierige Zusammenarbeit mit deren Herkunftsländern, stellten die Prüfer fest. Die EU habe daher bereits 18 rechtsverbindliche Rückübernahmeabkommen geschlossen und mit sechs weiteren Ländern offizielle Gespräche aufgenommen. Vor Kurzem habe sie zudem sechs nicht rechtsverbindliche Vereinbarungen mit Drittländern über Rückkehr und Rückübernahme ausgehandelt.

"Wir gehen davon aus, dass unsere Prüfung in die Debatte über das neue Migrations- und Asylpaket der EU einfließen wird, da eine wirksame und gut gesteuerte Rückübernahmepolitik ein Eckpfeiler einer umfassenden Migrationspolitik ist", so Leo Brincat, das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Das derzeitige EU-Rückkehrsystem ist jedoch in hohem Maße ineffizient und bewirkt daher das Gegenteil dessen, was es eigentlich soll: Statt abzuschrecken, leistet es illegaler Migration Vorschub."

Zwar habe die EU formelle Gespräche mit jenen Ländern aufgenommen, aus denen die meisten nicht zurückgekehrten irregulären Migranten stammten. Dies habe nach Ansicht der Prüfer im Zeitraum 2015-2020 jedoch nur in begrenztem Umfang zu Ergebnissen geführt.

Verhandlungen über EU-Rückübernahmeabkommen (EURA) würden regelmäßig durch Streitpunkte wie die "Drittstaatsangehörigen-Klausel" belastet, die von Nicht-EU-Ländern häufig abgelehnt werden. Das Aushandeln nicht rechtsverbindlicher Rückübernahmevereinbarungen sei hingegen erfolgreicher verlaufen, was vor allem daran liege, dass deren Inhalt flexibler zu handhaben sei und sich leichter anpassen lasse.

Eine weitere Schwachstelle, auf die in dem Bericht hingewiesen wird, ist der Mangel an Synergien innerhalb der EU selbst. Die EU sei gegenüber Drittländern nicht durchgängig geschlossen aufgetreten, und die Europäische Kommission habe wichtige Mitgliedstaaten nicht immer einbezogen, was den Verhandlungsprozess erleichtert hätte. Manche Drittländer hätten daher nicht den zusätzlichen Nutzen eines Rückübernahmeabkommens mit der EU gegenüber bilateraler Zusammenarbeit mit einzelnen Mitgliedstaaten gesehen – insbesondere dann nicht, wenn sie bereits von großzügigen bilateralen Abmachungen mit einigen EU-Mitgliedstaaten profitierten. Immer wenn die Mitgliedstaaten sich jedoch eng abgestimmt hätten, habe dies bei der Auflösung von Verhandlungsblockaden geholfen und zum Abschluss von Rückübernahmevereinbarungen geführt.

Bei der Schaffung von Anreizen für Drittländer zur Umsetzung ihrer Rückübernahmeverpflichtungen wurden nach Ansicht der Prüfer nur unzureichende Fortschritte erzielt. Zwar habe die Kommission die Möglichkeit finanzieller Hilfen für Projekte zur Entwicklungsunterstützung, Reintegration und zum Kapazitätsaufbau wirksam in die Verhandlungen eingebracht, sich jedoch schwer damit getan, andere Einflussmöglichkeiten zu nutzen, selbst dann, wenn mit den betroffenen Drittländern ausgeprägte politische und wirtschaftliche Beziehungen bestanden hätten. Die EU verfüge zwar über zahlreiche Instrumente zur Kooperation, aber letztlich habe sich nur die EU-Visapolitik als wirkungsvoller Hebel in den Verhandlungen erwiesen. Hier könnten die überarbeiteten Vorschriften dabei helfen, Drittländer zur Rückübernahme von Migranten zu veranlassen.

Gleichzeitig sei die EU bestrebt gewesen, die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung der Zusammenarbeit bei Rückführungen und Rückübernahmen zu unterstützen. So habe sie insbesondere Netzwerke gefördert, die erfolgreich nationale Ressourcen gebündelt hätten; ferner wurde die Frontex-Unterstützung bei Maßnahmen vor der Rückkehr und bei Rückführungen verstärkt. Diese Maßnahmen seien im Großen und Ganzen sicherlich wichtig gewesen. Wie diese sich tatsächlich auswirkt hätten, bleibe jedoch offen, da die Datenlage der EU zu Rückführungen und zur Zusammenarbeit bei der Rückübernahme zahlreiche Mängel aufweise. Die Daten seien unvollständig und ließen sich nicht uneingeschränkt von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat vergleichen.

Hintergrundinformationen: Bei der Prüfung wurde der Zeitraum ab 2015 – als die Kommission den EU-Aktionsplan für die Rückkehr auf den Weg gebracht hat – bis Mitte 2020 betrachtet. EU-Rückübernahmeabkommen werden zwischen der EU und Drittländern geschlossen. Sie haben Vorrang vor bilateralen Rückübernahmeabkommen, die von einzelnen Mitgliedstaaten geschlossen werden. Seit 2016 bemüht sich die Kommission auch um praktische Kooperationsabkommen mit Drittländern (d. h. nicht rechtsverbindliche Vereinbarungen über Rückführungen und Rückübernahmen).

Sonderbericht Nr. 17/2021 "Zusammenarbeit der EU mit Drittländern bei der Rückübernahme: Maßnahmen zwar relevant, doch wurden nur begrenzte Ergebnisse erzielt" ist auf der Website des Hofes (eca.europa.eu) in 23 EU-Sprachen abrufbar.

Vor Kurzem veröffentlichte der Hof Berichte zur Leistung von Frontex sowie zur Migrationssteuerung der EU. Im Laufe dieses Monats wird er außerdem einen Bericht über die Maßnahmen von Europol zur Bekämpfung der Migrantenschleusung veröffentlichen.

Der Europäische Rechnungshof stellt seine Sonderberichte dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU sowie anderen betroffenen Parteien wie nationalen Parlamenten, Wirtschaftsakteuren und Vertretern der Zivilgesellschaft vor. Der weitaus größte Teil der Empfehlungen, die der Hof in seinen Berichten ausspricht, wird umgesetzt.

eca.europa.eu