„Parsifal“ Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner
Sehnsucht nach Erlösung auch für Kundry, Opfer und Täterin
Ein Bühnenweihfestspiel habe sie nicht inszenieren wollen, obwohl die Musik sehr weihevoll sei, sondern eine Oper. „Ich rätsle ständig an Parsifal rum“, so Regisseurin Brigitte Fassbaender bei Oper extra. Generalmusikdirektor Thomas Guggeis spricht von schwieriger Ideologie, aber „Das Rein-Musikalische lügt nicht.“ Es ist vor allen Dingen die Musik und die Interpretation des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters, großartig einstudiert und geleitet von ihm und hinter der Bühne von Alden Gatt, die das Publikum mit Beifallsovationen bei der Premiere am 18.Mai feierte.
Die Legende des Heiligen Gral stammt aus dem 13. Jahrhundert. Sie wird mit der Artussage in Verbindung gebracht. Beschrieben wird er als wundertätiges Gefäß, mal Schale, mal Kelch - Eucharistie, mal Stein - ein Edelstein - so Wolfram von Eschenbach (um 1170 – um 1220). Auch heißt es Josef von Arimathäa, der reiche Jude, der Christus in seinem Grab beerdigen ließ, soll das Blut Christi, das aus dessen Wunde floss, in einem Kelch aufgefangen haben. Auch der Speer, mit dem Christus die Wunde zugefügt worden war, spielt eine Rolle in der Legende vom Gral.
Komponist Richard Wagner (1813-183) hat in seinem letzten Werk Parsifal seinen selbstverfassten Text auch auf Josef von Arimathäa bezogen.
Christliche, katholische Symbolhandlungen werden mit Mythen anderer Religionen vermischt - eine schwierige pseudoreligiöse Handlung, in deren Mittelpunkt der Gral steht.
Die Geschichte des Männerbundes, der Gralsritter, lässt Brigitte Fassbaender klar und zügig erzählen. Es ist der Gralsritter Gurnemanz, der sie im 1. Akt schildert. Bassist Andreas Bauer Kanabas, von dem jedes Wort zu verstehen ist, überzeugt stimmlich und spielerisch auf ganzer Linie und steht den berühmten Gurnemanz-Interpreten nicht nach. Dieser 1. Akt gelingt spannend.
Die Gralsritter waren im Besitz des Speers, den König Amfortas aber durch den Kampf mit dem Widersacher Klingsor, der ihm eine Wunde zufügte, verloren hatte. Die Wunde schließt sich nicht. Doch Amfortas muss regelmäßig den Gral enthüllen, was ihm große Schmerzen bereitet. Ihm ist verwehrt zu sterben.
Als Gurnemanz im 1. Akt den Knappen vom Verlust des Speers und wie es dazu kam, berichtet, stürmt Parsifal herein, die Federn des Schwans, den er im heiligen Bezirk der Gralsburg tötete, hängen noch an seiner Kleidung. Gurnemanz maßregelt ihn wegen des Vergehens. Durch die anwesende Kundry erfährt der unwissende Parsifal, wer seine Mutter ist. Ist dieser Naturbursche der ‚reine Tor‘, der der Gemeinschaft der Gralsritter Erlösung bringen kann? Grunemanz nimmt ihn mit in die Gralsburg, damit er das Ritual erleben kann. Aber anteilslos verfolgt er das Geschehen und Gurnemanz jagt ihn fort. Er muss lernen, „durch Mitleid wissend“ Amfortas zu begegnen.
Regisseurin Brigitte Fassbaender hat sich einer katholisch-religiösen Interpretation wider setzt und sie mit Dramaturg Konrad Kuhn entwickelt.
Wie auf einer Party lässt sie die Gralsritter miteinander parlieren. Es gibt keine Hostien, sondern Brezeln, Dies, so wurde mir erzählt, habe zum Teil Diskussionen bei Zuschauern ausgelöst. Hoffnungslos, erstarrt, keine Zuversicht ausstrahlend, so verhalten sich die Mitglieder der Gralsgemeinschaft. Zu den Kindern, die sie mit rein schleusten, sind sie teilweise grob. Alle harren auf den ‚tumben Tor‘, der sie erlösen könnte. Das geht zunächst schief.
Der alte König Titurel, wortgewaltig gesungen von Ensemblemitglied Alfred Reiter, drängt schließlich seinen Sohn Amfortas, den Gral zu enthüllen. Diese Handlung bereitet dem Schuldbeladenen Sohn Höllenqualen.
Den Zweiten Aufzug beherrscht Klingsor und sein Harem. Er, der Mitglied in der Ordensgemeinschaft werden wollte, aber abgewiesen wurde, wandte sich der Magie zu. Den Speer hat er bereits, trachtet nun aber auch nach dem Gral.
Er weckt Kundry, die wieder bei ihm in der Zauberburg auftauchte, aus ihrem tiefen, todesähnlichen Schlaf und zwingt sie, wie damals Amfortas nun Parsifal zu verführen.
Sie kann Parsifal einen Kuss abzwingen. Schlagartig erkennt dieser, woher Amfortas Wunde stammt und weist ihre Annäherungsversuche zurück und verspricht auch ihr Erlösung. Kundry verflucht ihn aber, damit er den Weg zur Gralsburg nie mehr finde. Mit dem Kreuzzeichen kann er den Zauberer entmachten, dessen Reich zerfällt. Parsifal hat den Speer. Ensemblemitglied Iain MacNeil ist ein ausgezeichnet singender Klingsor.
Nicht ganz überzeugen kann Ian Koziara als Parsifal. Für den US-Amerikaner ist es wie bei allen anderen - ausgenommen Alfred Reiter - ein Rollendebüt. Sein Tenor hatte am Premierenabend nicht den Glanz, der für diese Rolle so wichtig wäre. Koziaras Vita zeigt dagegen sein weltweites, bewundertes Engagement.
Gewöhnungsbedürftig ist die Szene mit Klingsors Zaubermädchen, die alle weiß gekleidet, sich tänzerisch um Parsifal bemühen. (Choreografie Katharina Wiedenhofer).
Der weltberühmte Johannes Leiacker schuf Bühnenbild und Kostüme. Die meisten seiner Ideen gefallen. In der Grotte, die der Grotte des bayerischen Königs Ludwig II.in Schloß Linderhof nachempfunden ist, steht der Gral, ein großer Kelch. Das hat etwas übertrieben Imposantes. Der an der Oper Frankfurt schon lange tätige Lichtkünstler Jan Hartmann vertieft das Geschehen mit fokussierenden Einstellungen.
In Kundry, eindrucksvoll gesungen von der amerikanischen Sopranistin Jennifer Holloway, treffen zwei Welten aufeinander. Ruhelos verwandelt sie sich. Sie ist Verführerin, aber auch Opfer – eine unerklärliche Frauenfigur, der Brigitte Fassbaender in der Inszenierung tiefe Einblicke gewährt.
Erst am Ende des Werks, nachdem Parsifal nach langer Irrfahrt wieder in die Gralsburg findet, kann er den Speer übergeben. Amfortas Wunde schließt sich. Parsifal wird der neue Anführer der Gralsritter und wird vom Chor der übertrieben heruntergekommenen Gralsritter – einstudiert von Gerhard Polifka - bejubelt.
Auch Kundry wird von ihrem Fluch, der auf ihr lastet, weil sie Christus einst am Kreuz verlachte, erlöst. Kundry sinkt nicht, wie Wagner es wollte, entseelt zu Boden, sondern verlässt, umschlungen von Amfortas, stimmgewaltig interpretiert von Ensemblemitglied Nicholas Brownlee als Liebespaar, die Bühne.
Für GMD Thomas Guggeis spielt die Schönheit der Natur im 3. letzten Aufzug eine wichtige Rolle. Wie das Frankfurter Opernhaus – und Museumsorchester unter seiner Leitung Wagners Naturklänge interpretiert, ist fantastisch.
Wagners Werk Parsifal in der spannenden Inszenierung von Brigitte Fassbaender und dem großartigen Dirigat von Thomas Guggeis wurde vom Publikum insgesamt begeistert aufgenommen, fordert aber auch zur Diskussion heraus.
Weitere Vorstellungen: am 29. Mai, am1.,7., 9. 14.19. Juni 2025
Trailer: https://oper-frankfurt.de/de/oper-frankfurt-zuhause/?id_media=484
Karten-Telefon: (069)21249494