Kultur

Ovid-Preis 2025 für Marko Martin

Ein Verteidiger der Demokratie

Alle zwei Jahre wird der Ovid-Preis für das schriftstellerische Lebenswerk einer Autorin, eines Autoren vom PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland vergeben. Ausgezeichnet wurde in diesem Jahr der Schriftsteller Marko Martin. Sein Kollege und Freund, der in Stuttgart geborene, mehrfach prämierte Michael Kleeberg, hielt die Laudatio.

Laudator Michael Kleeberg – Preisträger Marko Martin
Laudator Michael Kleeberg – Preisträger Marko Martin
Foto: Renate Feyerbacher
Michael Kleeberg,  Gabrielle Alioth,  Marko Martin, Sylvia Asmus, Gino Leineweber
Michael Kleeberg,  Gabrielle Alioth,  Marko Martin, Sylvia Asmus, Gino Leineweber
Foto: Renate Feyerbacher

Die Begründung für die Auszeichnung: „Mit Marko Martin zeichnet die Jury des Ovid Preises einen Schriftsteller aus, dem es wichtig ist, Fakten und Tatsachen zu benennen, deren Kenntnisse auch heute noch bedeutsam sind, um zu begreifen, was geschehen ist, was gegenwärtig passiert und was in der Zukunft vielleicht noch zu erwarten ist. Somit befindet sein Werk sich durchgängig in der Tradition des PEN Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland.“ Gustav Schwabs „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“ waren für Martin eine Art Erstbegegnung mit Ovids Welt. Er träumte sich schon als Junge weit weg. 

Marko Martin wuchs in der DDR auf, die er mit 19 Jahren verließ, weil er aus politischen Gründen diskriminiert wurde. Seine Eltern gehörten zur Sekte der Zeugen Jehovas, genannt die „Organisation“, die sie später aber verließen. Martin erinnert sich, dass er als kleiner Junge mitbekommen hatte, dass der Polizist, der auf der Straße immer so unverfälscht freundlich grüßte, „nur ein paar Jahre zuvor den Vater abgeholt hatte. Mit Handschellen und zu verfrachten in ein unscheinbar-unauffälliges Auto, das dann vom geruhsamen Kleinstädtchen Limbach-Oberfrohna in die nahegelegene Bezirksstadt Karl-Marx-Stadt fuhr, in das U-Haft-Gebäude auf dem Kaßberg.“ Urgroß-, Großeltern und Eltern taten alles, dass der Junge behütet aufwuchs und auch so wenig wie möglich mitbekam von den unregelmäßigen Besuchen der sogenannten „zuständigen Organe“ alias Stasi. Natürlich wurde Westradio gehört.

Martin spricht bei der Preisverleihung von Ovid, dem Namensgeber des Preises. Publius Ovidius Naso, bekannt als Ovid, einer der bedeutendsten Poeten der Antike, geboren 43 v.Chr in Sulmo 140 Kilometer von Rom, heute Sulmona, starb um 17 n.Chr. in Tomis, heute Constanta am Schwarzen Meer. Der römische Kaiser Augustus hatte ihn dorthin wegen seiner freien, freizügigen Geisteshaltung verbannt. Seine Werke, darunter die berühmten "Metamorphosen" und die "Ars Amatoria" („Die Kunst der Liebe“) zeichnen sich durch ihre einfallsreich-originelle Erzählweise und die tiefgehende Erkundung menschlicher Emotionen und Erfahrungen aus. 

Das PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland ist Mitglied des Internationalen PEN. 1934 von aus Deutschland geflohenen Schriftstellern gegründet, kümmert es sich heute sowohl um die Wahrung des Andenkens an Leben und Werk der früheren Mitglieder als auch um Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die gegenwärtig verfolgt, vertrieben oder zum Schweigen gebracht werden. Besonders intensiv unterstützt wird das vom internationalen PEN organisierte Programm für „Writers in Prison“. 

Martins Herz schlägt für die Verfolgten. Sein literarisches Tagebuch Die Letzten Tage von Hongkong (2021) ist das Werk eines überzeugten Autors für eine liberale Demokratie. In Brauchen wir Ketzer? Stimmen gegen die Macht. Porträts (2023) porträtiert er elf jüdische Intellektuelle, die im Nazireich verfolgt waren und das Land verlassen mussten unter ihnen Ludwig Marcuse, Anna Seghers und Primo Levi. Sie schrieben Werke, die sich der Übermacht entgegenstellten. Sie waren Verteidiger der Demokratie.

Und es geschieht jetzt. Jüdisches Leben nach dem 7. Oktober (2024) erschien zum Jahrestag des terroristischen Überfalls der Hamas.

Den Zorn des Bundespräsidenten Walter Steinmeier zog der Autor sich durch seine Rede anlässlich "35 Jahre Friedliche Revolution“ im Schloss Bellevue 2024 zu. Er hatte Fakten zur Sprache gebracht, die Steinmeier als Außenminister, und nicht nur er, zu verantworten hatten. Martin sprach von der kritischen Aufarbeitung der deutschen Russlandpolitik, die bis heute aber faktisch unterblieb. Zum Glück haben wir Intellektuelle wie Marko Martin, die sich nicht scheuen, den Regierenden ihre Fehler vorzuhalten. 

Ausdrücklich bedankte sich der Ovid-Preisträger bei Sylvia Asmus, der Leiterin des Deutschen Exilarchivs bei der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt und ihrem Team für die Vorbereitung der Veranstaltung. Sylvia Asmus, die in Berlin über Bibliothekwissenschaft promovierte, ist seit über 20 Jahren in der DNB. Es ist ihr und dem Team gelungen, die Sammlung ständig zu erweitern. Große Resonanz erfuhr die Ausstellung Marcel Reich-Ranicki. Ein Leben, viele Rollen, gemeinsam mit dem Schriftsteller Uwe Wittstock (neue Bücher von ihm: Februar 1933 und Marseille 1940)