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Letzte Aktualisierung: 18.04.2024

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Oberbürgermeister Feldmann zum Gedenken an die Pogromnacht

‚Wir müssen die Erinnerung in die nächste Generation tragen!‘

von Ilse Romahn

(08.11.2019) Oberbürgermeister Peter Feldmann hat anlässlich der Erinnerung an die NS-Pogromnacht vom 9. November 1938 dafür plädiert, verstärkt Jugendliche in das Gedenken an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft einzubeziehen.

300 Frankfurter Schüler waren bei der Gedenkveranstaltung in der Paulskirche
Foto: Stadt Frankfurt / Rafael Herlich
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Angesichts erstarkender rechtsextremer Kräfte seien Taten gefordert. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Jugend zu, sagte das Stadtoberhaupt am Donnerstag, 7. November, während der Gedenkveranstaltung anlässlich der Novemberpogrome in der Paulskirche, zu der zum ersten Mal rund 300 Frankfurter Schüler geladen waren.

„Die Anzahl antisemitischer Attentate, Überfälle und Herabwürdigungen haben ein Ausmaß erreicht, das undenkbar erschien“, sagte Feldmann. Viele fragen sich: „Was nutzen Gedenkveranstaltungen, wenn sich daraus keine Konsequenzen mehr für die Gesellschaft ergeben, wenn die Mehrheit weiter wegschaut? Wenn Parteien, in denen die größten Brandstifter geschützt sind, Erfolge einfahren.“

„Ja, wir müssen handeln, wir müssen auch etwas verändern in der Art und Weise, wie wir gedenken.“ Aus dieser Erkenntnis folgt für Feldmann, dass in Zukunft Frankfurter Schüler zu den städtischen Gedenkveranstaltungen eingeladen werden. „Gerade junge Menschen spüren die bestürzenden Veränderungen in unserer Gesellschaft, haben ein gutes Gespür für Ungerechtigkeit, für die Gewalt, die aus Worten spricht. Und sie geben Widerworte, immer öfter. Sie finden sich mit Hass und Antisemitismus nicht ab“, sagte der Oberbürgermeister zu den Zuhörern.

Unter diesen befanden sich rund 300 Jugendliche aus verschiedenen Frankfurter Schulen, die erstmals eingeladen waren. „Die Jugend von heute bestimmt, was in zehn Jahren Norm ist. Damit es nie wieder die unmenschliche Normen von 1938 werden, müssen wir ihnen heute das nötige Rüstzeug an die Hand geben“, unterstrich das Stadtoberhaupt.

Marc Grünbaum, Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, unterstrich in seiner Rede die Rolle der Bildung: „Es kann nicht sein, dass Jugendliche unsere Schulen verlassen oder ihre Ausbildung abschließen und die Tatsache des Holocausts in Frage stellen.“ Er forderte zugleich mehr finanzielle Mittel für Programme zur Demokratieförderung.

Zum Kampf gegen Antisemitismus gehöre aber auch ein stärkeres gesellschaftliches Engagement: „Schweigen ist keine Option. Jeder einzelne muss ein Zeichen in seinem Umfeld und im Alltag setzen, er muss sich engagieren und das Wort erheben, wo Hass und Vorurteile artikuliert werden.“ Grünbaum warnte zudem mit Blick auf die politischen Entwicklungen vor einer angestrebten Spaltung der Gesellschaft durch die AfD: „Es ist die Aufteilung der Gesellschaft in ein ‚Wir‘ und ein ‚Ihr‘. Die AfD hat eine Kategorie wiederetabliert, die unabweisbar auf das ideologische Gerüst der Nationalsozialisten aufbaut. Es ist ein völkisches ‚Wir‘.“ Die wehrhafte Demokratie müsse daher ihre Werkzeuge vollumfänglich nutzen und ein Parteiverbot der AfD in Betracht ziehen.

Der Weg, Erinnerungen an Holocaust, Gewaltherrschaft, Antisemitismus und das Wissen um die ihnen zugrundeliegenden Mechanismen in die nächste Generation zu tragen, ist Rüstzeug gegen Menschenfeindlichkeit. Um den Schülern aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, um sich zu engagieren, begleitete die Bildungsstätte Anne Frank einen Teil der Gedenkveranstaltung.

Drei junge Erwachsene berichteten von ihren Projekten in der Bildungsarbeit. Ermira Berisha, die sich als Demokratietrainerin in Schulen engagiert, sagte: „Um der Vergangenheit würdig zu gedenken, müssen wir an unserer Zukunft arbeiten. Gerade weil wir uns an diese schlimme Zeit nicht persönlich erinnern können, müssen wir daran arbeiten, dass so etwas niemals wieder passiert. Wir müssen alle erkennen, dass jeder einzelne von uns wichtig ist und wir nur gemeinsam gegen diesen Hass und die Diskriminierung angehen können. Wir sind viele und noch mehr, wenn wir einander unterstützen und solidarisch miteinander sind.“

Oberbürgermeister Feldmann schloss die Veranstaltung mit einem Appell an die anwesenden Jugendlichen: „Engagiert euch! Wir müssen alles tun, damit eure Stimme und eure Widerworte gegen Unmenschlichkeit gehört werden!“ (ffm)