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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Nordfriesland: Nach dem Deichgang ein ordentlicher Schluck Pharisäer

Auf dem Pharisäerhof in Nordstrand wird die Tradition des Hauses besonders gepflegt

von Karin Willen

(08.01.2021) Kaffee oder Tee? Das wurde mit dem Ende des 17. Jahrhunderts in Deutschland immer öfter die Frage. Zunächst beim Adel und später auch bei den anderen Ständen. Es entwickelten sich regionale Kulturen, die gemütliche Auszeiten und Ausdruck eigener Lebensarten sind. An der Nordseeküste sogar als kulinarischer Beweis eines gewissen bauernschlauen und widerständigen Charakters.

Bildergalerie
Hier wurde im 19. Jahrhundert das Kaffeeheißgetränk Pharisäer erfunden: Pharisäerhof in Nordstrand
Foto: Pharisäerhof
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Kaffee nach Art des Hauses auf den Pharisäerhof: wie früher in der Tasse des Indischblau-Geschirrs
Foto: Pharisäerhof
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Wer an die Nordseeküste reist, macht unweigerlich mit einem alkoholischen Heißgetränk aus gesüßtem Kaffee und braunem Rum unter einer Schlagsahnehaube Bekanntschaft, falls er es nicht vielleicht schon aus Österreich kennt: den Pharisäer. Das Heißgetränk unterscheidet sich nicht nur durch die Spirituose von anderen alkoholischen Kaffees wie Rüdesheimer Kaffee oder Irish Coffee, die mit Weinbrand oder Whiskey alkoholisiert werden. Es ist vor allem die Geschichte ihrer Erfindung, die auch einiges über die Mentalität an der Küste aussagt. Und die war so:

Am Anfang war ein antialkoholischer Pastor

„Ihr Pharisäer“, rief der Pastor 1872 am Ende einer Tauffeier in einem Bauernhof auf der Insel Nordstrand vor Husum entrüstet. Der gesundheitsbewusste Geistliche, der seine nordfriesischen Schäfchen gern vom Alkohol abbringen wollte, hatte entdeckt, dass im süßen, starken Kaffee unter der Sahnehaube eine gehörige Portion Rum versteckt war. Zu Beginn der Tauffeier hatte er als einziger eine alkoholfreie Variante vor sich stehen. Denn in der Gegenwart eines Pastors trank man keinen Alkohol. Aber im Laufe der Feier passierte das Missgeschick, dass jemand dem Pastor die geheim gehaltene Version mit dem braunen „Teufelswasser“ servierte. Seitdem hatte das scheinheilige Getränk der bauernschlauen Nordfriesen seinen Namen weg.

Der Bauernhof ist heute zum Hotel Pharisäerhof mutiert. Und die Insel wurde dank eines Deiches zur Halbinsel und zugleich eines von acht Nordseeheilbädern im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Der Rumkaffee aber eroberte quasi im Sturm die ganze nord- und ostfriesische Küste samt Inseln und erhielt auch auf manchen Getränkekarten im kaffeeliebenden Österreich ein Plätzchen.

Original im Pharisäerhof

Doch es gibt Unterschiede. „Wir servieren den Pharisäer original in Tassen des Kaffeegeschirrs Indischblau“, sagt der Wirt des Pharisäerhofs Detlef Scheler. Von den populären Bechern der Geschirrsorte mit der Aufschrift Pharisäer hält er gar nichts. Es waren früher Tassen. Also soll es auch heute so sein. Aber noch etwas anderes unterscheidet das Original am Ort seiner spontanen Erfindung von anderen Pharisäern.

Woanders kommt auch schon mal 2 cl Rum mit den zwei Löffeln Zucker in den Becher. Vor 40 Jahren wurde darüber sogar beim Amtsgericht Flensburg verhandelt, weil ein Wirt wohl etwas weniger Alkohol hineingegeben hatte. Doch bei Scheler gibt es stets die vollen 4 cl des traditionellen Flensburger Rums in die Tasse. Und der wird auch eigens vorher angewärmt. „Im Winter ist das ideal, nachdem man sich auf dem Deich mal so richtig durchpusten lassen hat“, sagt der Hotelier und Gastwirt. Bei ihm können Gäste auch mit Hunden übernachten und einkehren. Den Tieren wird im hoteleigenen Café mit Schwips allerdings schnödes Wasser serviert, während der scheinheilige Kaffee auf dem Tisch nicht selten durch ein Stück hausgemachter Pharisäertorte ergänzt wird. Natürlich auch ordentlich rumgetränkt.

Pharisäerhof
Elisabeth-Sophien-Koog 3
25845 Nordstrand
Telefon: 0049 (0)4842-353
E-Mail: info@pharisaeerhof.de