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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Neue Waffe gegen den schwarzen Hautkrebs

Körpereigenes Abwehrsystem versus Melanom

von Konstanze Adam

(24.06.2022) Forscher der Universität Bern haben eine Therapiemöglichkeit entwickelt, die das körpereigene Abwehrsystem gegen schwarzen Hautkrebs aktiviert. Bestandteile eines Mykobakteriums (BCG) werden in Gel gebettet und direkt im Bereich des Tumors appliziert. Im Modell zeigte sich, dass das mit BCG-beladene Gel das Tumorwachstum verringert, die Überlebenszeit verlängert und die Bildung von Lungenmetastasen unterdrückt.

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Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Mirjam Schenk (von links nach rechts): Mirjam Schenk, Steve Robatel, Lukas Bäriswyl, Mirela Kremenovic)
Foto: Mirjam Schenck
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Behandlung von schwarzem Hautkrebs mit BCG-Hydrogel führt zu einer verbesserten Antigenverarbeitung und Präsentation von tumorassoziierten Antigenen, wodurch das Metastasierungspotenzial verringert und die Überlebensrate erhöht wird.
Foto: Mirjam Schenk
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Mit Mykobakterien-Hydrogel gegen schwarzen Hautkrebs
Das Gel hat das Potenzial, das Wachstum und die Verbreitung des Tumors in andere Organe zu hemmen und dadurch das Überleben von Krebspatienten zu verlängern. Das Projekt wurde von der Wilhelm Sander-Stiftung gefördert und im Journal for ImmunoTherapy of Cancer publiziert.

Der schwarze Hautkrebs (Melanom) ist ein bösartiger Krebs, der bei früher Diagnose mit guten Chancen für eine Heilung komplett entfernt werden kann. Die Aussichten verschlechtern sich jedoch für die Betroffenen, wenn in späteren Stadien der Erkrankung bereits Ableger (Metastasen) des Tumors sich auch in anderen Organen weiterverbreiten.

In den letzten zehn Jahren zeigte sich, dass durch die Aktivierung des eigenen Immunsystems mit so genannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren spektakuläre Behandlungserfolge möglich sind. Leider spricht gut die Hälfte aller Patienten nicht darauf an. Doch nun zeichnen die Arbeiten der Forschungsgruppe um Prof. Mirjam Schenk vom Institut für Pathologie der Universität Bern einen vielversprechenden Weg auf, den schwarzen Hautkrebs mit einem neuartigen Hydrogel zu bekämpfen.

Bislang war für die Behandlung von metastasierten Melanomen der Haut ein lebendes Mykobakterium (Bacillus-Calmette-Guérin, BCG) mit abgeschwächter Infektionskraft zugelassen, das als Impfstoff gegen Tuberkulose entwickelt wurde. Obwohl es zu einer Rückbildung der direkt behandelten lokalen und gelegentlich auch entfernten Hauttumoren führte, erwies es sich bei Patienten mit Metastasen in inneren Organen als weniger wirksam und konnte die Überlebensrate der betroffenen Patienten nicht signifikant verbessern. Zudem bringt diese Behandlung mit lebenden Bakterien ein gewisses Risiko mit sich und wird nur in seltenen Fällen angewendet.

BCG-Lysat beladenes Hydrogel für erfolgreiche Therapie bei metastasierendem Melanom

Nun zeigte die Forschungsgruppe um Prof. Mirjam Schenk, dass Bestandteile dieses Mykobakteriums in Form eines Lysates (BCG-Lysat) bei der Kontrolle des Tumorwachstums wirksamer sind als die bisher verwendeten lebenden BCG Bakterien. Gleichzeitig haben sie in Zusammenarbeit mit Forschenden der EPFL, Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (CH) und des Harbor-UCLA Medical Center (USA) ein neuartiges, mit BCG-Lysat beladenes, wärmeempfindliches Gel (BCG-Hydrogel) entwickelt, das einfach und einmalig verabreicht werden kann. Dieses Hydrogel ist bei Raumtemperatur flüssig, bildet aber bei Körpertemperatur ein visköses Gel das dadurch als lokales Depot wirkt und kontinuierlich Bestandteile des BCG Lysates abgibt. Dies führt zu einer nachhaltigen Aktivierung des Immunsystems.

Im Versuch zeigten Mäuse mit Melanomen nach einer Behandlung mit dem BCG Lysat-haltigem Gel eine signifikant verlängerte Überlebenszeit. Gleichzeitig wurde die Bildung von Tumorablegern (Metastasen) in der Lunge unterdrückt. Dies deutet auf den potenziellen Einsatz dieses neuartigen BCG- Gels in der erfolgreichen Therapie von Patienten mit metastasierendem Melanom hin.

Die Projektergebnisse zeigten, dass lokal in einem Hydrogel verabreichte Bestandteile von lysiertem BCG bei der Kontrolle des Tumorwachstums und der Förderung der Tumorimmunität beim Melanom wirksamer sind als die lokale Verabreichung von lebendem BCG oder eines BCG-Lysats ohne Hydrogel. Die weiteren molekularbiologischen Untersuchungen der Tumor-infiltrierenden Immunzellen zeigen, dass BCG Bestandteile die Cathepsin S (CTSS) abhängige Verarbeitung und Präsentation von Antigenen, die von T Zellen erkannt werden, steigert, was zu einer qualitativ und quantitativ verbesserten CD8+ T-Zell-vermittelten Immunantwort gegen Melanomzellen führt.

Für eine klinische Anwendung spricht, dass in Biopsien von Melanompatienten nach einer BCG Therapie erhöhte CTSS-Expression nachgewiesen wurden. Außerdem wurde eine positive Korrelation zwischen der CTSS-Expression und einer verbesserten Überlebensrate gefunden.

„Die lokale Applikation des mit BCG-Lysat beladenen Hydrogels ist eine wirksame und sichere immuntherapeutische Option zur Verringerung der Metastasenlast und zur Verlängerung des Überlebens der Melanompatienten“ so Schenk. Diese Ergebnisse sind nicht nur im Kontext der immunonkologischen Forschung von großer Bedeutung bei der Behandlung des Melanoms, sondern auch bei weiteren soliden Tumoren.

In einem nächsten Schritt soll das Gel in klinischen Studien auf seine Wirksamkeit bei Patienten getestet und mit bereits zugelassenen Therapien verglichen werden.

Über die Wilhelm-Sander-Stiftung: Partner innovativer Krebsforschung

Die Wilhelm-Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit insgesamt rund 50.000 Euro über 24 Monate unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 250 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Über das Institut für Pathologie der Universität Bern

Das Institut für Pathologie der Universität Bern deckt die gesamte Breite der morphologischen und molekularen Diagnostik an Gewebeproben ab. Seine Forschung befasst sich mit der Entstehung, Diagnose und Therapie von Krankheiten. Immunpathologien, Entzündungskrankheiten und Aspekte der Tumorbiologie bilden thematisch die aktuellen Schwerpunkte. Dabei werden ex-vivo Untersuchungen an menschlichen Gewebeproben durchgeführt und auch experimentelle in-vitro und in-vivo Modellsysteme verwendet. (idw)