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Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

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Neue stationäre Therapie COVID-19-Erkrankter

Bauchlagerung auch bei wachen Patienten

von Georg Rüschemeyer

(20.10.2021) Anfang Oktober haben Fachleute von 16 medizinischen Fachgesellschaften die Leitlinie zur stationären Therapie von COVID-19-Erkrankten zum zweiten Mal aktualisiert. Die Grundlagen hierfür lieferte erneut das COVID-19-Evidenzökosystem CEOsys, an dem sich auch die Cochrane Stiftung Deutschland beteiligt. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuerungen der Leitlinie bietet jetzt ein Evidence Brief von CEOsys.

Erstmals als verfügbare medikamentöse Therapieoptionen aufgeführt sind in der aktuellen Leitlinie monoklonale Antikörper sowie Januskinase (JAK-)-Inhibitoren, die in randomisierten kontrollierten Studien nachweislich die Sterblichkeit reduziert haben. Neue Empfehlungen gibt es auch für die Thromboseprophylaxe und Antikoagulation. Zudem empfiehlt die Leitlinie auch bei wachenPatienten eine Bauchlagerung. Für eine Kurzzusammenfassung der wichtigsten Neuerungen siehe auch den Evidence Brief von CEOsys.

"Bereits bei wachen Patienten, die eine hochdosierte Sauerstofftherapie über eine Nasensonde erhalten oder nicht-invasiv beatmet werden, sollte eine Bauchlagerung erfolgen“, sagt Professor Dr. med. Stefan Kluge, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und Koordinator der Leitlinie. Ärzte haben während der Pandemie immer wieder beobachtet, dass sich COVID-Patienten selber auf den Bauch lagern und sich dadurch die Sauerstoffversorgung bessert.

Eine große prospektive randomisierte Studie konnte zeigen, dass sich die Häufigkeit späterer Intubationen reduziert, wenn in dieser Krankheitsphase bereits eine Bauchlagerung durchgeführt wird. „Dies ist eine neue wichtige Erkenntnis, die helfen kann, eine Intubation und mechanische Beatmung zu vermeiden“, so Kluge.

Spezifische neue Medikamente gegen COVID-19

Die aktualisierte Leitlinie hält außerdem neue Empfehlungen zur medikamentösen Therapie von COVID-19 bereit. „Es hat sich gezeigt, dass in der Frühphase der COVID-19-Erkrankung, in welcher der Körper noch keine Antikörper gebildet hat, sogenannte monoklonale Antikörper einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Sterblichkeit haben. Diese monoklonalen Antikörper wirken neutralisierend auf das SARS-CoV-2-Virus“, erläutert Dr. med. Jakob Malin, Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, der ebenfalls an der Aktualisierung der Leitlinie mitgearbeitet hat.

Virusneutralisierende monoklonale Antikörper besitzen die Fähigkeit, durch Interaktion mit dem SARS-CoV-2-Spikeprotein den Viruseintritt in die Zelle zu verhindern. Die Leitlinie empfiehlt daher, bei hospitalisierten COVID-19-Erkrankten, die noch keine eigene Immunantwort auf die Infektion zeigen und keiner oder maximal einer Low-Flow-Sauerstoff-Therapie bedürfen, eine Therapie mit der Kombination aus den SARS-CoV-2-spezifischen monoklonalen Antikörpern Casirivimab und Imdevimab umzusetzen.

Außerdem neu ist, dass die Leitlinie den Einsatz von Januskinase (JAK)-Inhibitoren empfiehlt. Der Einsatz dieses immunmodulatorischen Therapieansatzes findet erstmals Eingang in die Empfehlungen. JAK-Inhibitoren wirken entzündungshemmend. Studien zeigen einen Überlebensvorteil, wenn JAK-Inhibitoren bei hospitalisierten Patienten ohne Sauerstoffbedarf oder mit maximal einer Low-Flow-Sauerstoff-Behandlung eingesetzt werden.

Thromboseprophylaxe und therapeutische Antikoagulation bei hospitalisierten Erkrankten

Bei schwer an COVID-19-Erkrankten kann es zur Bildung von Thrombosen kommen, die wiederum eine Lungenembolie oder weitere Folgekomplikationen auslösen können. Deshalb erhalten stationär behandelte COVID-19-Patienten standardmäßig eine Therapie zur Thromboseprophylaxe. „Es war immer in der Diskussion, ob eine standardmäßige Thromboseprophylaxe mit Heparin ausreichend ist, um Thrombosen zu vermeiden. Deshalb haben wir in der Überarbeitung der Leitlinie auch die Empfehlungen zur Thrombosebehandlung aktualisiert“, so Professor Dr. med. Christian Karagiannidis, Präsident der DGIIN.

Die neuen Empfehlungen beinhalten nun, dass in der Frühphase bei hospitalisierten, nicht intensivpflichtigen COVID-19-Patienten mit einem erhöhten Thromboserisiko eine therapeutische Antikoagulation erwogen werden kann, sofern sie ein niedriges Blutungsrisiko haben. Bei Intensivpatienten hingegen sollte eine therapeutische Antikoagulation bei fehlendem Nachweis von Thrombosen oder Embolien nicht erfolgen, da hier das Risiko schwerer Blutungskomplikationen deutlich ansteigt.

Zusammenarbeit mit dem Forschungskonsortium CEOsys

„Die Aktualisierung der Leitlinie zur Behandlung von stationären COVID-19-Erkrankten liefert viele neue Erkenntnisse für den medizinischen Behandlungsalltag“, sagt Professor Dr. med. Nicole Skoetz vom Forschungskonsortium CEOsys, dem COVID-19 Evidenz-Ökosystem, welches die Leitlinienaktualisierung begleitet hat. Das Projekt CEOsys wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) gefördert. Cochrane unterstützt das Projekt als außeruniversitärer Partner.

„Die Leitlinie ist auch ein Beispiel des systematischen Austausches zwischen den verschiedenen Disziplinen der medizinischen Wissenschaft, um Patienten bestmöglich zu versorgen, ein gemeinsames Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung zu erreichen und zu einer systematischen Evidenzaufarbeitung zu gelangen“, so Skoetz. Im Fokus stehe dabei die Patientensicherheit, mit dem Ziel, zusätzlichen Schaden durch Therapien zu vermeiden. „Durch die konsequente kritische Analyse einer Vielzahl von medikamentösen Therapieansätzen zur Behandlung von COVID-19 (Colchicin, Ivermectin, Rekonvaleszenten-Plasma etc.) können wir nun auch einen Katalog von Negativ-Empfehlungen, also Empfehlungen gegen bestimmte Therapien, herausgeben“, fasst Kluge die Ergebnisse der Leitlinien-Aktualisierung zusammen.