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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Neue Erkenntnisse zum zerstörten Kloster Retters (1146 – 1559)

von Adolf Albus

(21.10.2020) In den Jahren 2018 und 2019 ist auf dem Gelände des Gutshofes am Retterhof eine archäologisch-geophysikalische Prospektion mit dem Ziel vorgenommen worden, mögliche Grundmauern des zerstörten Prämonstratenserinnen „Kloster Retters“ zu finden.

Marianne Bopp, Museumspädagogin, Andreas Haus, Süwag, Martin Posselt, Archäologe, Albrecht Kündiger, Bürgermeister, Christa Wittekind, Heimatforscherin, Florian Binias, Süwag, Dr. Beate Matuschek, Kulturreferentin.
Foto: Stadt Kelkheim
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Mit der Untersuchung konnte dank einer großzügigen Förderung der Süwag Energie AG, Frankfurt/M die Firma Posselt & Zickgraf aus Mühltal Traisa beauftragt werden.

Die wissenschaftliche Erarbeitung: Martin Posselt, Archäologe und Dr. Beate Matuschek, Kunst- und Bauhistorikerin.

Retters wurde 1146 als Filialkloster des Mutterabtei Rommersdorf (Neuwied) zunächst als Doppelkloster für Mönche und Nonnen gegründet, allerdings schon vor 1200 als Nonnenkloster weitergeführt.

Inmitten einer weitgehend wenig besiedelten Region waren Klöster infrastrukturelle Einrichtungen, deren Schwerpunkte in Retters der Seelsorge, Kranken- und Armenfürsorge sowie eine standesgemäße Ausbildung und Versorgung von Töchtern des Niederadels galten. Als Graf Ludwig von Stolberg die lutherische Landesreligion einführte, löste er nach 400 Jahren erfolgreichen karitativen Wirkens Kloster Retters auf.

Es ist bis heute das älteste Kloster zwischen Main und Taunus.

Die Zerstörung der Klostergebäude im 16. und 17. Jahrhundert sowie die tiefgreifende Neugestaltung des Rettershofes im 20. Jahrhundert erschwerten die Messungen der Archäologen.

Orientierung zur Anordnung der Bauten gab die früheste Ansicht des Klosters von Sebastian Wolf aus dem Jahr 1592, 33 Jahre nach seiner Schließung im Jahr 1559. In dieser Zeit waren große Teile der Anlage abgetragen und anderweitig verbaut, der Glockenturm zwischen Apsis und Langhaus war bereits – wie die Beschädigung des Dachstuhls zeigt - eingestürzt.

Unter der Leitung des Archäologen Martin Posselt wurde das Areal mit Spezialgeräten auf vier Teilbereichen magnetographisch und auf sieben Teilbereichen mit Radar prospektiert.

Die Richtigkeit der Karte von Sebastian Wolf wurde bestätigt durch eine GPS-Ortung der Klostermauern, die Abiturientinnen und Abiturienten der Eichendorffschule mit Leistungsfach Geschichte 2018 im Rahmen der Prospektion vornahmen.

Die Lokalisierung von Baustrukturen konnte insbesondere durch die Radarprospektion sichtbar gemacht werden. Deutliche lineare Reflektoren sind im rechten Winkel an der westlichen und nördlichen Seite des Reitplatzes geortet worden. Rechtwinklig dazu schließen sich schwächere Reflektoren an. Funde von Mauerwerk bei Kanalarbeiten am Reitplatz im Jahr 1984 bestätigen die Messung. Sie lassen auf Fundamente aus der Klosterzeit – den ehemaligen Kreuzgang - schließen.

Die Ergebnisse wurden bestätigt durch den Fund einer 20 cm starke Schicht von Schieferplatten, die der langjährige Gärtner Georg Pankratz in den 1970er Jahren auf einer Fläche von 10 x 10 m in der Südostecke des Reitplatzes ausgrub und die als Dachdeckung der Klosterkirche und des Kreuzgangs gelten.

Die kartografische Erfassung der Fundamente wird ergänzt durch eine Bestandsaufnahme architektonischer Funde auf der Basis der Lebenserinnerungen von Hertha von Richter-Rettershof, der letzten Gutsbesitzerin des Rettershofes, und eine bauhistorische Analyse, die Dr. Beate Matuschek als Kunsthistorikerin durchführte.

Sie lassen Rückschlüsse auf die Lage der Klosterkirche, den Friedhof und den Kalvarienberg zu.

Spolien – Rundbögen, ein Kapitell, Maßwerks, die im Mäuerchen des Innenhofs verbaut wurden, und eine Piscina (Handwaschbecken) der Klosterkirche am heutigen Pferdestall zeigen romanische und gotische Architekturteile.

Die Ergebnisse der Radarprospektion und der Bestandsaufnahme der Funde wurden abschließend abgeglichen mit dem Idealplan für ein Prämonstratenserkloster. Bekanntestes Vorbild für die Anordnung von Klosterbauten ist der bekannt St. Galler Klosterplan, ein Modell, das exemplarisch die bauliche Organisation eines Klosters rund um Kirche und Kreuzgang aufzeigt.

Ausgangspunkt ist eine nach Osten ausgerichtete Kirche mit Chor und Sakristei. Südlich an die Kirche schließt sich der Kreuzgang mit Kreuzgarten an. Um den Kreuzgang gruppieren sich Funktionsbauten, die für Kloster Retters schriftlich belegt sind. Das Dormitorium (Schlafhaus), das Refektorium (Speisesaal), eine Infermeria (Siechenhaus), ein Einzelgebäude für den Prior, ein Klostergarten-, ein Obstgarten und ein Kreuzweg.

Der Wirtschaftshof - meist im Norden – mit Kellern, Scheune und Ställen, Kelterhaus mit zwei Weinkellern wird sich am heutigen Gutshof befunden haben.

Der Eingang der Kirche wurde von Felix und Hertha von Richter-Rettershof 1934 beim Ausgraben eines morschen Walnussbaums auf dem Gelände des heutigen Reitplatzes gefunden. Über die Maße der Kirche ist zwar nichts bekannt. Ein Vergleich mit der Kirche des ehemaligen Prämonstratenserinnenklosters in Konradsdorf, das ebenso für maximal 50 Nonnen ausgelegt war, zeigt eine erstaunliche Übereinstimmung.  

Die Rekonstruktion des Grundrisses gibt erstmals eine Orientierungshilfe zum Klosterkomplex und seinen Funktionsbauten auf der Basis des heutigen Wissensstandes.

Magistrat der Stadt Kelkheim (Taunus)