Neue Ausstellung im 1822-Forum: „Ausgelassen“ von Asal Khosravi

Foto: Foto: Niklas Görke
Die großformatigen Grafit- und Kohlezeichnungen der Absolventin der Justus-Liebig-Universität in Gießen bilden Personen aus dem Umfeld der Künstlerin in ungewöhnlichen Posen lebensgroß ab.
In ihrem Beitrag zu dem anlässlich der Ausstellung erschienenen Katalog schreibt Frau Prof. Dr. Ellen Spickernagel: „Sie bevorzugt den dünn zeichnenden Bleistift, stellenweise wählt sie die breitere Spur der Kohle, für Gesicht und Hände vermischt sie beide Mittel. Die Kontur ist großzügig vereinfacht, zarte Linien umgrenzen in gleichmäßigem Verlauf die Gestalten. Eine feine Binnenstruktur genügt, um die Kleidung zu kennzeichnen und die Körper in Licht und Schatten zu modellieren. An keiner Stelle verselbständigt sich die Linie, sei es als expressives Element, sei es im freien, ornamentalen Spiel. Während schönlinige Umrisse und lockere Schraffen die Körper nur so weit bezeichnen, dass sie sich vom Grund, vom weißen Papierfeld, abheben, sind in irritierendem Kontrast Kopf und Hände kräftig hervorgehoben. Ohne die Außenwelt wahrzunehmen – selbst ein Igel, ein Hund vermag nicht, sie abzulenken – wendet sich jede der Personen mit gesenktem Blick ihren geöffneten Händen zu. Sie sind leer – in vielfältigen, rätselhaften Figurationen umgrenzen sie ein Vakuum.
Wie kommen die Modelle dazu, in dieser Weise zu agieren? Zu Beginn des Werkprozesses forderte die Künstlerin sie zur Kooperation auf. Sie sollten sich etwas für sie Wichtiges, Bedeutungsvolles vorstellen, das so kostbar ist, dass es niemals verlorengehen darf. “Nimm es und finde eine Haltung, eine Geste, die den Wert, den es für dich hat, ausdrückt und vermittelt. Was du in deinen Händen birgst, bleibt dein Geheimnis“. Nicht einmal die Künstlerin weiß, was da verborgen ist. Traditionell steuerten die Künstler den Arbeitsverlauf, während das Modell als Objekt der Anschauung fungierte. Aber für Khosravi ist die ihrer Kontrolle entzogene performative Arbeit des Modells vor der Kamera unverzichtbar. So erhält es einen neuartigen Status im künstlerischen Prozess: es wird zum Akteur, der eigenständig seine Repräsentation im Bild bestimmt. … In der Installation dominiert nicht das empirisch Visuelle, sondern das Ausgelassene. Das geheime Gut bleibt dem Blick, dem Urteil und Zugriff der Öffentlichkeit entzogen, die Hände allein verfügen darüber. Uns sprechen die Leerstellen an und fordern unsere Phantasie bis zu dem Punkt heraus, an dem wir die Stärke dessen, was unsichtbar ist, spüren.“
Asal Khosravi wurde 1975 in Ludwigsburg geboren, wuchs in Teheran (Iran) auf, wo sie ihr Abitur machte und studierte Kunstpädagogik und Kunstgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Medienwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg.
Seit 2013 ist sie als Autorin der "Bibliothek der Generationen" im Historischen Museum Frankfurt mit Künstlerbüchern und Zeichnungen vertreten. Seit 2014 arbeitet sie als freischaffende Künstlerin und Kunstpädagogin in ihrem Atelier in Frankfurt.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr, Samstag von 13 bis 16 Uhr, Sonntag und Montag geschlossen. Zum Saisonstart der Galerien hat das 1822-Forum am Freitag, 7. September, von 14 bis 22 Uhr und am Samstag und Sonntag, 8. und 9. September, jeweils von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Die Künstlerin wird anwesend sein.
Der Eintritt ist frei. Jeder Besucher erhält ein kostenloses Exemplar des Ausstellungskatalogs mit zahlreichen Abbildungen und einem Beitrag der Kunsthistorikerin Prof. Dr. Ellen Spickernagel.