Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

Werbung
Werbung

Nach dem Wärmepumpendesaster kommt nun der Dämmhammer

Prof. Vahrenholt zerpflückt die Energiepolitik der Regierung

von Norbert Dörholt

(06.06.2023) Der promovierte Chemiker Prof. Fritz Vahrenholt ist einer der führenden deutschen Energieexperten, war von 1991 bis 1997 Hamburger SPD-Umweltsenator und anschließend Vorstand für Erneuerbare Energien bei der Deutschen Shell AG. In seinem nachstehend abgedruckten Beitrag setzt er sich ebenso kritisch wie sachkundig mit der Energiepolitik der Bundesregierung auseinander. Da wir ja alle davon betroffen sind, geben wir ihm hier Raum für seine Analyse.

Bildergalerie
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt
Foto: Privat
***
Wer zum Thema Energieversorgung kompetent mitreden will, sollte das Buch „Die große Energiekrise“ von Prof. Vahrenholt lesen.
Foto: Langen Müller Verlag
***

Vorher noch ein Wort zu Prof. Vahrenholt: 2001 wurde er Vorstandsvorsitzender des Windenergie-Anlagenbauer REpower Systems. Danach leitet er die neu gegründete Konzern-Gesellschaft für Erneuerbare Energien der RWE AG, die Innogy GmbH bis 2012. Seit 1999 ist Vahrenholt Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Er ist des weiteren Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eine der wirkmächtigsten Buchveröffentlichungen in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. Ein Mann also, der nicht leichtfertig irgendetwas daherredet sondern genau weiß, wovon er spricht. Und auch sein neuestes Buch „Die große Energiekrise und wie wir sie bewältigen können“ ist ein unbedingtes Muss! Hier also seine aktuelle Veröffentlichung in seinem Mai-Newsletter:

„Am 9. März 2023 war für Robert Habeck die Welt noch in Ordnung. Sein Staatssekretär hieß noch Graichen und der Zorn der Bürger wegen der Übergriffe des Ministers in deutsche Heizungskeller war noch nicht spürbar. Damals kündigte er schon den zweiten Angriff auf die deutschen Heime und Häuser an. In seinem Werkstattbericht "Wohlstand klimaneutral erneuern" schrieb er, dass "die EU-Gebäuderichtlinie, insbesondere die dort enthaltenen Mindesteffizienzstandards zügig umgesetzt werden".

Worum geht es dabei? Das Europäische Parlament hat mit Mehrheit beschlossen, dass ab dem 1. Januar 2030 sämtliche Gebäude die Gesamtenergieeffizienzklasse E und ab 2033 die Effizienzklasse D erreichen müssen. Damit besteht eine Sanierungspflicht von sechs Millionen Häusern bis 2033 in Deutschland, wie der Europaabgeordnete Pieper (CDU) berichtete.

"Die Ersparnisse bei den Energierechnungen kompensieren die Sanierungskosten nicht annähernd", stellt Axel Gedaschko fest, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW): "Die fälligen Investitionen würden sich auf jährlich mindestens 125 Milliarden Euro belaufen." Eines ist unabweisbar: damit würde Wohnen ein weiteres Mal erheblich verteuert, aber auch Investitionen in neue Wohnungen unwirtschaftlicher.

Man fragt sich wirklich, was die handelnden politischen Kräfte bewegt: In einer eklatanten Energiepreiskrise, in einer dramatischen Wohnungsknappheit bei anhaltend hohem ungesteuertem Zuwanderungsdruck Wohnungseigentum unter dem Banner des Klimaschutzes massiv zu verteuern - das kann man nur mit einer unglaublich weiten Distanz zu den Problemen der Bürgern des eigenen Landes  erklären. Habeck und die EU nehmen nicht einmal zur Kenntnis, dass Deutschland einen der besten Energieeffizienzstandards des Wohnungsbestandes in Europa hat.

Aber die Standards sind unterschiedlich. Was in Deutschland einem Effizienzstandard G entspricht, ist in den Niederlanden ein C und in Frankreich noch ein D. Deutschland müsste also mehr tun als andere Länder, obwohl es den besseren Standard hat. Aber deutsches CO2 - das haben wir mittlerweile gelernt - ist aus grüner Sicht viel schlimmer als das CO2 aus anderen Ländern, sei es aus Niederlanden oder aus China.

Die Begründung, den CO2-Ausstoss von Wohnungen durch drastische Verbote und Gebote zu regeln, kommt von grüner Seite mit folgendem scheinheiligen Argument: Man wolle die Verbraucher durch Dämmung- und Wärmepumpenvorschriften schützen, da die CO2 Preise stark ansteigen werden. Kosten von 16 000 Euro für eine Gasheizung eines Vier-Personen-Haushalts werden durch die grüne Bundestagsfraktion an die Wand gemalt. Tatsächlich plant die EU einen CO2-Emissionshandel auch für Gebäude und Verkehr ab 2027. Allerdings hat die EU Vorkehrungen getroffen, dass die Abgabe nicht über 45 Euro pro Tonne CO2 steigen wird.

Bislang gibt es nur in einzelnen Ländern eigene CO2-Abgaben für Gebäude und Verkehr, darunter Deutschland und Österreich. Die CO2-Abgabe ist zurzeit auf 30 € begrenzt und soll bis 2025 auf 45 €/tCO2 ansteigen. Kaum vorstellbar, dass Deutschland seinen Bürgern in Zukunft mehr abverlangen will, als die europäische Norm für 2027 vorschreibt. Die Abgabe belastet Erdgas zurzeit mit 0,54 €ct/kwh.

Das werden dann langfristig eher 0,8 €ct/kwh sein - ärgerlich genug, aber nicht einmal eine Zusatzbelastung von zehn Prozent des heutigen Gaspreises. Kein Grund also, die Bürger in Angst und Schrecken zu versetzen und mit Gasrechnungen von 16 000 € pro Jahr zu drohen, zumal der CO2-Preis in der Hand der Bundesregierung liegt. Wie nennt man eine solche politische Kommunikation? Scheinheilig? Oder besser hinterhältig!

Ich habe jedenfalls in den vergangenen Wochen einen funkelnagelneuen Gas-Brennwertkessel für mein Haus bestellt und vermeide damit mehr CO2 im Winter als die CO2-belastete Wärmepumpe des Robert Habeck.
 
Das bestgehütete Geheimnis von RWE

In meinem letzten newsletter schrieb ich über die Tatsache, dass mit einem Bruchteil der Kosten, die die Bürger für das Wärmepumpendesaster des Robert Habeck zu zahlen haben, ein Vielfaches an CO2 durch eine CO2 -Abscheidung bei den noch bestehenden Braunkohlekraftwerken erreichbar wäre. Mit einem zwanzigstel der Kosten würde fünfmal so viel CO2 vermieden. Ich schrieb über das Wunder von Hohenmölsen, wo mir von einem Vertreter der LEAG mitgeteilt wurde, dass die CO2-Abscheidungsanlage in Schwarze Pumpe noch steht.

Nun bekam ich erneut Post - von einem Mitarbeiter von RWE. Ob ich vergessen hätte, dass RWE seit der Zeit von Jürgen Grossmann im Jahre 2009 ( ich war damals sein Geschäftsführer für Erneuerbare Energien) eine voll funktionsfähige Pilotanlage zur Abscheidung von CO2 in einem Teilstrom des Braunkohlekraftwerks in Niederaussem betreibt. Und sie laufe immer noch erfolgreich. Offen gestanden, ich hatte das verdrängt. Denn der Vorstandsvorsitzende Dr. Markus Krebber hatte mit großem Brimborium Herrn Minister Habeck ohne Not vertraglich zugesichert, die Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier bereits im Jahre 2030 abzustellen. Jeder Vorstandsvorsitzende hätte doch die Möglichkeit genutzt, auf die phantastische Entwicklung von RWE, BASF und Linde hinzuweisen, die CO2-Neutralität bei Kohlekraftwerken ermöglicht, oder? Der ex-Kollege von RWE schickte mir dazu ein eindrucksvolles Bild der Anlage.
 
RWE plant CO2-Abscheidung – aber nicht in Deutschland

Die Entwicklung von RWE, BASF und Linde ist mittlerweile als Stand der Technik anzusehen: Die Abscheidung von über 90 Prozent des CO2 aus einem Teilstrom des Abgases ist auf Dauer nachgewiesen, die Kosten belaufen sich auf sagenhafte 30 €/t CO2 ( P.Moser, G Wiechers, S.Schmidt,K.Stahl,G.Vorberg,T Stoffregen, VGB Powertech 1/2 , 2018, S43). Der Wirkungsgradverlust beträgt weniger als zehn Proszent ( d.h. anstatt 43 Prozent Wirkungsgrad 39 Prozent). Niederaussem soll also in 2030 einschließlich der Abscheideanlage stillgelegt werden. Die Technik könnte die Emission und die CO2-Kosten von Braunkohlestrom massiv reduzieren (30 €/t CO2 anstatt 100 €/t CO2 Zertifikate), selbst wenn für die Verpressung noch 50 €/tCO2 anzusetzen wären. Das abgeschiedene CO2 aus Niederaussem ist übrigens so rein, dass es in der Getränkeindustrie für Sprudelflaschen verwendet wird.

Die Technik der OASE-Aminwäsche von BASF in Niederaussem hat das Zeug, weltweit die führende Abscheidetechnologie zur Lösung des CO2-Problems  - auch bei Kohlekraftwerken - zu werden. Und selbst RWE will es zur Anwendung bringen - aber nur in England für die dortigen Gaskraftwerke des Konzerns. "CCS-Projekte könnten in Zukunft Stromerzeugungskapazitäten von bis zu 4,7 Gigawatt sichern und pro Jahr elf Millionen Tonnen CO2- Emissionen vermeiden" heißt es stolz auf der Web-Seite von RWE. Es geht um die Gaskraftwerke Pembroke, Wales und Staythorpe. RWE spricht von "grünen Gaskraftwerksprojekten".
 
Auch in den Niederlanden möchte RWE CCS einsetzen. Dort will man laut Pressemitteilung Biomassekraftwerke mit der OASE-CCS Technologie betreiben, so dass es sogar zu negativen CO2-Emissionen kommt. Tatsächlich sind aber die in Rede stehenden Kraftwerke in Eemshaven und Amer bislang gemischte Kohle- und Biomassekraftwerke.

Aber auch E.ON setzt auf CCS. Das Unternehmen ist unlängst beim norwegischen Unternehmen Horisont Energie eingestiegen, um eine Führungsrolle beim Thema CCS zu übernehmen, wie E.ON Chef Leo Birnbaum erklärte. Außer den Regionalzeitungen wie Westfälische Rundschau oder Westfalenpost gab es über diese sensationelle Entwicklung keine Berichterstattung in FAZ, Spiegel, SZ, ARD oder ZDF. Es ist nicht interessant für die Mainstreammedien. Unsere Medienlandschaft ist fürchterlich parteigrün.

Aber es gibt noch bessere Nachrichten: Die Zementproduktion in Lengfurt von Heidelberg-Zement soll mit einer CO2-Abscheide-Anlage auf Basis der OASE- Technologie ausgerüstet werden. 70 000 Tonnen CO2 sollen dort abgetrennt und gereinigt werden und wie die Abgase von Niederaussem in der Getränkeindustrie für kohlensäurehaltige Getränke verkauft werden.

Wer sagt es Olaf Scholz, Herrn Ministerpräsidenten Wüst und den ostdeutschen Ministerpräsidenten von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt ?

Die Prognose des Al Gore - das arktische Meereis verschwindet

Ein gute Nachricht zuletzt. Im Jahre 2007 prognostizierte AL Gore, dass im Jahre 2015 das arktische Meereis im Sommerminimum verschwunden sein wird. Das Meereis hielt sich nicht daran. Seit 2007 ist es überraschend stabil. Man könnte von 2007 bis 2023 eine waagerechte Gerade ziehen. Auch das antarktische Meereis ist stabil. Es ist seit 1979 in der Fläche sogar leicht angestiegen.
 
Und noch eine Anmerkung: Im Mai 2023 ist die Abweichung der globalen Temperatur vom 30-jährigen Mittel der satellitengestützten Messungen der University of Alabama (UAH) in Folge des sich im Pazifik anbahnenden El Nino angestiegen, und zwar auf 0,37 Grad Celsius. Der Temperaturanstieg beträgt im Durchschnitt pro Jahrzehnt seit 1979 lediglich 0,13 Grad Celsius.